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Govecs-Scooter: Münchener Start-up skaliert E-Antrieb nach unten: City Check Govecs: Elektroroller ermöglicht emissionsfreie Liefer­logistik

Govecs, Spezialist für gewerblich genutzte Elektroroller ermöglicht emissionsfreie und flexible Liefer­logistik mit sehr niedrigen Betriebskosten. Und weist damit einer alternativen Zustellform den Weg zwischen Transporter und Lastenrad.

Bild: Reichel
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Redaktion (allg.)

Das ist Downsizing in Perfektion: Während die Öffentlichkeit noch debattiert über die Elektromobilität und wann sie sich in Anbetracht der hohen Anschaffungskosten auch im gewerblichen Umfeld lohnen könnte, fährt ein wendiges Start­up-Unternehmen aus München schon mal vor. Und skaliert den E-Antrieb nach unten, somit in den erschwinglichen Bereich.
Govecs fabriziert seit 2009 robuste und primär für den gewerblichen Einsatz konstruierte vollelektrisch angetriebene Premium-Roller, zu Englisch Scooter, die durchaus eine Alternative mit großem Potenzial in der innerstädtischen Lieferlogistik sein könnten. Bisher stammen die Anwender zwar aus dem für Roller traditionell offenen Food-Liefersegment: Den größten Auftrag etwa bekamen die Münchner Tüftler von der französischen Pizzakette Domino’s mit 100 Fahrzeugen oder vom holländisch-deutschen Dienst Lieferando mit 350 Scootern.
Doch die Anwendungsmöglichkeiten für die leisen und wendigen, mit einer maßgeschneiderten 150-Liter-Box (eher ein Schrank) und etwa 100 Kilogramm Nutzlast gewappneten Profiroller, sind vielfältig. Gerade die aufstrebenden Same-Day- oder Same-Hour-Liefer­dienste wie Liefery oder Amazon Prime Now, die auf dezentrale, kleinere Depots setzen, hat man bei Govecs im Blick.
Es gebe auch Gespräche mit KEP-Logistikern, erklärt Govecs-Pressesprecher Daniele Cesca, aber man wolle hier nicht voreilig Vollzug vermelden. Als Türöffner für das Konzept soll die Miet­option dienen. „So kann man sich herantasten, schont das Eigenkapital und wenn man feststellt, das Konzept funktioniert, kann man immer noch aufstocken oder die Roller käuflich erwerben“, skizziert Cesca.
Vor Kurzem zog man nach einem Jahr eine kleine Zwischenbilanz über das Vermietmodell GO! Rent, die die Theorie bestätigt. Das Langzeitmietmodell ermögliche tatsächlich, eine Elektrorollerflotte ohne Kapitalbindung aufzubauen, erläuterte der Anbieter. Ab einer Tagesmiete von 7,90 Euro stehen die Lieferroller zur Verfügung, inklusive Versicherung und regelmäßiger Wartung. Zu den Kunden zählten Start-ups ebenso wie eine Schnellrestaurantkette.
Cesca sieht das Modell natürlich auch als Lieferalternative vor dem Hintergrund sich abzeichnender verschärfter Zufahrtsregu­lierungen oder Fahrverboten in den Städten. Vor allem für kleinere Betriebe, die hohe Anschaffungskosten scheuen, sei das Angebot ideal. „Der Firmenfuhrpark zählt zu den größten Bilanzposten eines Unternehmens, die Kapitalbindung in diesem Bereich ist enorm. Es ist nicht selten der Fall, dass die nötigen Finanzmittel nicht zur Verfügung stehen oder an anderer Stelle fehlen“, erläutert Govecs-Geschäftsführer und Gründer Thomas Grübel.
Diese lasse sich auch sukzessive und skalierbar aufbauen und die Amortisation der Kosten soll binnen weniger Liefertouren umzusetzen sein, verspricht der Anbieter.
Betriebskosten gesenkt

Beim Anwender Green Guru aus Berlin beispielsweise beliefen sich die Stromkosten pro 100 Kilometer auf etwa 80 Cent. „Bei durchschnittlichem Verbrauch bedeutet dies, im Vergleich zu den benzinbetriebenen Fahrzeugen, eine jährliche Einsparung von circa 1.200 Euro pro Roller.
Zusätzlich sparen wir eine Menge Wartungskosten“, erklärt Paul Gebhardt, der Geschäftsführer des Food-Lieferdienstes. Nach einer Testphase mit vier Fahrzeugen stellte der von dem Konzept sehr angetane Unternehmer seine Rollerflotte von insgesamt 30 Fahrzeugen komplett auf elektrischen Antrieb um.
Die Fahrer sind täglich 30 bis 35 Kilometer unterwegs, pro Tour mit zwei bis drei Lieferadressen, bevor sie in die Zentrale zum Nachfassen zurückkommen. Eine Akkuladung reicht also locker. Zur Sicherheit wird trotzdem mittags nachgeladen, auch zum Wohle der Li-Ion-Akkus. Im harten Berliner Winter standen die Fahrzeuge keinen einzigen Tag still, obwohl sie über Nacht im frostigen Innenhof parken. Kleidungsmäßig passen sich die Fahrer mit Lenkerstulpen an.
Auch die Fast-Food-Kette Burger King experimentiert mit den E-Rollern für seinen vor Kurzem gestarteten Lieferservice. Dafür habe man verschiedene Fahrzeuge getestet und die Elektroroller für diese Anwendung als am besten befunden, schildert Christian Anton aus Kaiserslautern, seit über 30 Jahren Franchisenehmer von Burger King. Er schätzt sowohl die Motorleistung als auch die Fahrdynamik der Roller und erzielt mit den Fahrzeugen eine reale Reichweite von über 100 Kilometern. Nach vier Monaten und 5.000 Kilometern will er seine Pkw durch Elektroroller ersetzen.

Um den Kunden den Einstieg noch leichter zu machen, arbeiten die Govecs-Leute derzeit auch an einer Fuhrpark-App, mit der gewerbliche Fuhrparkbetreiber die Fahrzeuge dann direkt an ihre eigene Telematik anbinden können sollen. Eine Tourenanalyse mit Stromverbrauch, Reichweite und anderen Daten soll dann ebenfalls möglich sein.
Die Govecs E-Roller bieten einen 54 Nm starken, bürstenlosen Wechselstrom-Elektromotor mit wartungsarmem Riemenantrieb, verschieden großen Lithium-Ionen-Akkus und fährt bis zu 45 km/h. Eine stärkere Topversion verfügt über 114 Nm Drehmoment und ist bis zu 85 km/h schnell.
Aufladen lassen sich die Roller in zwei bis drei Stunden. 80 Prozent der Kapazität sind in einer Stunde erreicht. Die Nutzlast bei der gewerblich orientierten T-Serie beträgt bis 100 Kilogramm, das Gesamtgewicht wird mit 180 Kilo angegeben, das Stauvolumen in speziell angepassten Stauboxen beträgt gar bis zu 200 Liter.
Nach der Übernahme des insolventen Wettbewerbers Vetrix GmbH und dessen moderner Fertigungsanlage im polnischen Wroclaw/Breslau hat man dafür auch die nötigen Produktionskapazitäten: Bis zu 20.000 Fahrzeuge pro Jahr könnte man hier auf einer großteils automatisierten Linie fabrizieren. „Wir fertigen übrigens bewusst nicht wie die meisten Rollerhersteller in Fernost. Wir brauchen die Nähe von Entwicklung zur Produktion, um unsere Qualität sicherzustellen“, stellt der Govecs-Chef klar.
Und die soll deutlich über dem Niveau der etablierten Hersteller privat genutzter Roller oder der Baumarktware liegen: Dazu verpflichtet schon der Preis von knapp 5.700 Euro für ein T-Modell in 45-km/h-Ausführung mit Box. „Unsere Kunden erwarten für den nicht ganz niedrigen Preis, dass die Roller performen wie ein Auto. Sprich, genauso lange halten.
Jahresfahrleistungen von 15.000 Kilometern sind für unsere Geräte normal, Gesamtfahrleistungen von mindestens 100.000 Kilometern auch“, definiert Grübel das Anforderungsprofil. Da seien viele Standardprodukte längst wieder ausgemustert. Alle Komponenten habe man entsprechend auf den gewerblichen Einsatz ausgelegt, Bremsen, die Einarmschwinge, der Rahmen, ein wartungsfreier Riemenantrieb auf die Hinterachse, die wie der Gründer zugibt eher großzügig dimensionierten Scheibenbremsen, das alles fühlt sich robust und bombensolide an.
Apropos Downsizing: Der tief unter der Schwinge platzierte Antrieb, ein bürstenloser Wechselstrommotor, ist nicht größer als eine Konservendose. Der Akku ist übrigens fest verbaut, für eine höhere Reichweite, die auch in der Praxis und im Winter hält, was der Hersteller verspricht. Bis minus zehn Grad Celsius habe man den Einsatz getestet, so der Entwickler. Man nutzt das Akkugewicht natürlich auch, um den Schwerpunkt der Roller tiefer zu bekommen und Fahrdynamik sowie Stabilität zu verbessern.
Überhaupt steckt im Akku jede Menge Know-how: „Wir nehmen hier keine Standardware von der Stange. Wir packen die Zellen selbst, so wie wir das für den Einbau im Roller brauchen.
Da steckt mehr Wissen drin als im Motor“, erklärt der E-Scooter-Visionär Grübel, der schon vor 17 Jahren mit dem straßenzugelassenen „Street Devil“ eine Art Tretroller elektrifizierte und seither jede Menge Expertise im E-Roller-Bau, unter anderem in China, gesammelt hat. 50.000 Kilometer Laufleistung garantiert der Hersteller für jeden seiner Akkusätze. Für die Zellen selbst freilich kommt man an den „üblichen Verdächtigen“ Panasonic oder LG nicht vorbei.
Eine Zugabe oder vielleicht die Krönung im Govecs-Sortiment origineller urbaner Gefährte stellt die Neuauflage der legendären Simson Schwalbe dar, deren Lizenz man von der Treuhand erwarb und die in fröhlichem Italo-hellblau als Prototyp im Showroom der Münchener Firmenzentrale nahe am Ostbahnhof neben zahlreichen „Arbeitstieren“ hervorsticht.
Kooperation mit Bosch

Technologisch stellt sie für Govecs einen großen Schritt dar, von dem auch die weitere Entwicklung der gewerblichen T-Serie profitieren wird. Denn das Produkt entwickelte man gemeinsam mit keinem Geringerem als dem Zulieferriesen und E-Antriebs-Pionier Bosch. „Das war eine für beide Seiten denke ich sehr fruchtbare Zusammenarbeit“, findet Grübel ohne falsche Bescheidenheit und mit dem Selbstbewusstsein eines E-Roller-Pioniers der ersten Stunde.
Die einstmals laut knatternde, sämtlichen modernen Abgasvorschriften Hohn sprechende Schwalbe wird so quasi emissionsfrei „reloaded“, reanimiert und auf eine umweltfreundliche Art neu interpretiert.
Der schwäbische Zulieferer sieht natürlich auch, wie schnell sich die urbane Mobilität verändert und will entsprechend auf den Zug aufspringen. Eigens wurde das Bosch Start-up uDrive gegründet, mit dem Govecs sein Know-how aus dem E-Scooter-Bau zusammenbrachte. Bosch steuerte wirtschaftlich vernünftige Niedervolt-Elektrokomponenten aus dem Automotive-Bereich bei, Govecs seine Prozesserfahrung.
Im Ergebnis reklamiert das Duo für sich, einen maßgeschneiderten Antrieb skalierbar für jedes Leicht-Elektrofahrzeug entwickelt zu haben, inklusive Leistungselek­tronik, Software und weiterer Applikationen. Sicher, robust, dynamisch soll der Antrieb in der Schwalbe sein, neben exzellenter Traktion auch flotte Beschleunigung bieten.
Und man will die höchste Energiedichte in das unter dem in der Neuauflage etwas wuchtigeren Mitteltunnel verborgene Akkupaket gepackt haben. Vor allem: Das ganze Paket soll erschwinglich und wirtschaftlich sein. Damit will Bosch-uDrive-Chef Martin Holzmann dem E-Antrieb nicht nur in Fahrrädern oder Elektroautos, sondern auch in den im Schatten stehenden E-Rollern zum Durchbruch verhelfen. Für ihn nicht weniger als der nächste logische Schritt zwischen E-Bike und E-Auto.
Auf genau diese Frage, warum der Elektroroller nicht auch in Deutschland längst eine Option für städtische Anwendungen sei, kann Daniele Cesca, selbst mit italienischen Wurzeln, nur mit den Schultern zucken. „Deutschland ist eben kein Rollerland, anders als Italien oder vor allem auch Frankreich. Da ist das traditionell ein akzeptiertes Verkehrsmittel, freilich mit bisher sehr mäßiger Umweltbilanz.
Abgas- oder Geräuschemissionsvorschriften gibt es im Rollersegment nur bedingt, die Scooter mögen knuffig aussehen, abgastechnisch übertreffen sie manchen modernen Lastwagen. „Mit unserer Elektrotechnik und unseren robusten Konstruktionen wird es eben auch eine saubere und leise Option für den gewerblichen Einsatz“, schwärmt Cesca. Aus seiner Sicht sind Roller ein guter Ausweg aus dem drohenden Dilemma von Fahrverboten – der in geräuschsensiblen Zonen ideal und zudem ökonomisch sehr interessant ist – perfektes Downsizing eben.
So könne man Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen. Jetzt muss Cesca das nur noch in die Köpfe der Kunden transportieren. Referenzprojekte sind für die Firma insofern das A und O.
Johannes Reichel

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