Lautloser 18-Tonner von MAN Truck & Bus bei Rewe-Filiale in Berlin-Friedenau im Einsatz: Elektro-Lkw bei Meyer Logistik: Der flüsterleise Hoffnungsträger
Der Lkw mit dem großflächigen grünen Aufdruck gleitet über den Parkplatz der Rewe-Filiale im Berliner Stadtteil Friedenau. Die Kunden, die gerade vom Einkauf aus dem Markt kommen, scheinen ihn überhaupt nicht zu bemerken. Vielleicht liegt das daran, dass man ein besonders lautes Fahrzeug sofort bemerkt, ein nahezu lautloses dagegen kaum. Und der 18-Tonner, der jetzt die Laderampe der Filiale ansteuert, ist definitiv fast lautlos. Denn sein Antrieb besteht aus zwei Synchronmotoren mit einer gemeinsamen Leistung von 300 kW (408 PS).
Er ist leiser als das Rollgeräusch der Reifen. Der Lkw des Schweizer Umbauspezialisten E-Force ist vollelektrisch angetrieben und mit einem ebenfalls elektrisch versorgten Frigoblock-Kühlaggregat ausgestattet. Er ist eins der beiden ersten Elektrofahrzeuge dieser Tonnageklasse, die ein deutsches Logistikunternehmen einsetzt. Meyer Logistik nutzt sie seit November 2014 im regionalen Verteilerverkehr exklusiv für seine Kunden Lidl und Rewe. „Elektrische Lkw in dieser Qualität sind für die regionale Distributionslogistik geradezu optimal geeignet“, sagt Matthias Strehl, Geschäftsführer von Meyer Logistik. Mit einer Batterieladung fahren die 18-Tonner zwischen 300 und 350 Kilometer. Diese überraschend große Reichweite verdanken die E-Force-Lkw unter anderem einer effizienten Fahrstrategie.
Sobald der Fahrer vom Gas geht, wird der rollwiderstandsarme „Segelbetrieb“ aktiviert. Und wenn der Fahrer das einstige Kupplungspedal tritt, speist der Lkw Energie zurück in die Akkus, maximal bis zu 40 Prozent. So können die beiden Prototypen im Großraum Berlin problemlos eine Doppelschicht mit je drei Touren pro Tag schaffen. Aktuell sind die Elektro-Pioniere von Meyer aber noch vorsichtig. „Beide Lkw fahren derzeit eine Schicht mit drei Touren pro Tag“, berichtet Detlef Fürst, Logistikleiter der Berliner Niederlassung. „Das weiten wir in Abstimmung mit den Kunden und unserem Werkstatt-Team sukzessive aus und beobachten Leistungsfähigkeit, Verbrauch und Verschleiß.“ Bislang meldete die Werkstatt einen einzigen längeren Boxenstopp für eines der beiden Fahrzeuge. „Das macht uns nicht nervös, weil es ansonsten keine besonderen Vorkommnisse gab“, sagt Detlef Fürst. „Wir sind mit der Zuverlässigkeit zufrieden, da brauchen sich die Elektro-Lkw nicht hinter anderen Antriebsarten zu verstecken.“
Pro Tour können die Fahrzeuge 18 Europaletten oder 30 Rollcontainer transportieren, genau wie ein vergleichbarer Diesel-Lkw. Dass die beiden Akkus jeweils mehr als eine Tonne wiegen und die Höhe der zulässigen Nutzlast auf 6,5 Tonnen dadurch begrenzen, ist aus Sicht von Matthias Strehl kein Problem. „Wir versuchen keine Touren zu fahren, bei denen ausschließlich Getränke oder Konserven transportiert werden, sonst könnte es mal eng werden“, erläutert er. „Solange uns das gelingt, kommen wir mit der Nutzlast gut hin.“
Damit solche Einschränkungen bald passé sind, setzt sich Strehl bei der Zulassungsbehörde und in der Politik dafür ein, dass die zulässige Nutzlast um eine Tonne erhöht wird, um Chancengleichheit zwischen den Antrieben herzustellen. Für Meyer sind die Elektro-Lkw ein weiterer Schritt auf dem Weg, den etwa 1.200 Fahrzeuge starken Fuhrpark auf grün zu trimmen und bei alternativen Antrieben eine Nasenlänge voraus zu sein. Neben den beiden E-Force fahren bei Meyer auch CNG-Erdgasfahrzeuge und Hybrid-Lkw. Über einen Einstieg in die LNG-Technik denkt man nach. Diese experimentierfreudige Einstellung führte auch zu dem Schritt, etwas mehr als 600.000 Euro in beide E-Force zu investieren. „Wir haben kurz geschluckt, aber nicht gezögert“, erinnert sich Matthias Strehl.
Durch die Erfahrungen in den ersten sechs Monaten sieht er sich bestätigt. „Während die Leistung sogar eindeutig besser ist als die von vergleichbaren Diesel- Lkw, ist der Energieverbrauch um rund zwei Drittel geringer (siehe Kasten). Weil Strom zu laden außerdem günstiger ist als Diesel zu tanken, könnten sich die E-Force – hochgerechnet auf eine Lebensdauer von zehn oder zwölf Jahre – am Ende durchaus amortisieren. Doch Strehl will sich noch nicht mit einer Prognose aus dem Fenster lehnen. „Möglich ist eine Amortisierung auf jeden Fall, aber da wir hier als Pioniere in unerforschtes technisches Gelände aufgebrochen sind, muss man einfach noch ein paar Jahre abwarten.“
Amortisation möglich
In dem familiengeführten Unternehmen kann man sich durchaus vorstellen, weitere Elektro-Lkw anzuschaffen. Bevor jedoch Entscheidungen für weitere Lieferlaster getroffen werden, wartet man, dass die Politik liefert. Denn aktuell ist der einzige Anreiz für die Nutzung von E-Lkw der Wegfall der Kfz-Steuer. „Das spart pro Fahrzeug 556 Euro, damit können wir kaum das Ladekabel bezahlen“, ärgert sich Matthias Strehl. Er kann sich eine Befreiung von der Lkw-Maut – in der Schweiz längst Praxis – ebenso vorstellen wie Zuschüsse zur Anschaffung, die etwa der Münchner Stadtrat plant. „In Berlin, wo unsere beiden E-Force eingesetzt werden, können E-Pkw Busspuren nutzen, unsere Lkw nicht“, nennt er eine weitere aus seiner Sicht unnötige Hürde. „Das wäre ein toller Anreiz, E-Lkw einzusetzen. Wer den Berliner Verkehr kennt, weiß das.“
Auch die Zulassung für den Straßenverkehr zu bekommen, war eine Herausforderung. Doch nachdem Meyer Logistik unter anderem eine erfolgreiche Überprüfung der elektromagnetischen Verträglichkeit nachweisen konnte, erhielt Hersteller E-Force dank seines Kunden die EU-weite Zulassung für seine 18-Tonner. Offenbar hat die Geschwindigkeit, die Meyer an den Tag legt, manchen überfordert. „Da sind wir schon mittendrin im Feld der Elektromobilität und teilen unsere Erfahrungen gerne mit jedem, der sich interessiert. Für uns ist die Kombination aus E-Mobilität und Citylogistik auch ein Beitrag zu einem besseren Image unserer Branche.“ Grün ist die Hoffnung – und Meyers Hoffnungsträger. (Johannes Reichelt)
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