Die Testkandidaten von bestof9.eu sind je eine Sattelzugmaschine der sieben europäischen Lkw-Hersteller in der mittleren Leistungsklasse plus zwei ergänzende Fahrzeuge in spezieller Konfiguration. Die identisch ausgestatteten Kühlauflieger, mit denen der Test gefahren wird, kommen von Schmitz Cargobull. Für vergleichbare Verbrauchswerte sorgt die einheitlich Bestückung der Testkandidaten mit Reifen des Herstellers Michelin.
Die Fahrzeuge werden von Reinert Logistic über rund drei Jahre hinweg auf den gleichen Relationen und in regelmäßigen Touren eingesetzt. Die Bewertung erfolgt in verschiedenen Kategorien. Dabei wurden alle Trucks und Trailer vor Testbeginn vom technischen Dienstleister TÜV Süd Auto Service einer umfangreichen Eingangskontrolle unterzogen. Die im Münchner HUSS-VERLAG erscheinenden Fachmedien Transport, LOGISTRA und PROFI-Werkstatt berichten regelmäßig über den Verlauf des Lkw-Tests. Weiterhin werden die Fahrzeuge auf Events und internationalen Messen ausgestellt.
Der erste Durchgang von bestof9.eu wurde zur IAA Nutzfahrzeuge 2014 beendet. Gleichzeitig wurde auf der Messe auch die zweite Auflage von bestof9.eu gestartet. Im Einsatz sind nach den Euro-5-Fahrzeugen des ersten Tests nun Euro-6-Sattelzugmaschinen in einer identischen Leistungs- und Ausstattungsklasse. Erneut wurden wieder zwei Herstellermarken mit unterschiedlichen Konfigurationen doppelt besetzt. Zweifach vertreten sind nun Mercedes-Benz und DAF.
Ende September 2014 fiel der Startschuss für die zweite Staffel des großen Lkw-Vergleichstests bestof9.eu. Neun Sattelzugmaschinen von sieben Marken übernahmen auf der IAA 2014 die „SK Cool“-Trailer von Schmitz Cargobull ihrer Testvorgänger, diesmal 440 bis 460 PS statt 420-PS-Klasse. Und: Die je doppelt vorhandene Marke sollte die Leistungsfähigkeit „downgesizter“ Motoren beleuchten. Sind die kleinen und gut 150 Kilo leichteren Elf-Liter-Motoren wirklich sparsamer als die 13-Liter-Standards? Dafür wählten wir den Mercedes-Benz Actros 1845 und 1843 sowie zwei ebenfalls sonst baugleiche DAF mit 435 PS und 462 PS.
Knapp ein Jahr lang war die Testerwelt in Ordnung: Die Züge drehten brav ihre „Brötchenrunde“ mit tiefgefrorenem Fertigteig zwischen Berlin und Österreich mit Anlaufstellen in Wien und Linz sowie dann hinauf nach Padborg in Dänemark und zurück nach Wien. Gleicher Ausladungsgrad und immer gleiche Streckenschwere – so wie in der ersten Staffel. Doch dann brach der Kunde weg und aus war es mit der Brötchenrunde. Eine gleichmäßige Tour für alle Neune zu finden, gestaltete sich schwierig, letztlich unmöglich.
Zwar konnte eine „Farbenrunde“ zwischen Darmstadt und Berlin aufgebaut werden, leider jedoch nicht gleichzeitig für alle Testzüge. Vier bis fünf Fahrzeuge der Flotte waren voll ausgeladen mit der temperiert zu führenden Farbenpracht unterwegs, der Rest wurde anderweitig disponiert. Immerhin: Die Testkandidaten wurden durchgetauscht, sodass sich ein für alle halbwegs homogen gemischter Einsatz ergab. Gleichwohl war die Vergleichbarkeit der Einsätze nicht mehr voll gegeben. Deshalb verzichten wir auf Veröffentlichung der Verbrauchswerte.
DAF: Licht und Schatten
Die beiden DAF unterscheiden sich nur in der Motorisierung. Der große Holländer überzeugt durch sein Leistungsangebot und seine unkomplizierte Fahrbarkeit. Für beide DAF gilt nach Aussage der Fahrer: prima Alltagstauglichkeit und Wohnqualität. Kein nerviger Umbau für nachts, gute Verdunkelung. Kritik ernten die Außenstaufächer: „Große Klappe, kleine Öffnung“, links angeschlagen.
Im Dezember 2015 machen die Batterien des 460er-DAF schlapp: Zweimal 225 Ah macht 270 Euro. Das war es schon für den 460er. Der 440er fiel dagegen im Juni 2015 mit erhöhten Verbrauchswerten auf: sechs Prozent über Flottenschnitt? Wir nahmen uns des Falles in einer eigenen Geschichte an (LOGISTRA 11-12/2015) und schickten den XF 440 nach Eindhoven zur Überprüfung.
Die ergibt laut DAF ein Leck in der Einspritzanlage, ohne dass dabei Kraftstoff verloren ginge. Nach Reparatur und Neueinstellung reüssiert der kleine DAF aber nicht wirklich. Auch an Ausfällen technischer Art leistet er sich einiges: Störungen an der AdBlue-Einspritzanlage werden für 1.250 Euro auf Kulanz repariert. Ein fehlerhaftes Relais, das das Ausschalten des Motors verhindert, wird getauscht, ebenfalls auf Kulanz.
Im Winter 2016/17 friert der Dieselfilter ein – Tausch. Erneut Fehlermeldungen bezüglich AdBlue-Einspritzung, es funktioniert aber alles im SCR-Kat, schließlich noch eine Störung im automatischen Notbremssystem (EABS), auf Garantie behoben. Immerhin: Der Modelljahrgang 2017 ist mittlerweile am Start – mit wichtigen Verbesserungen an Motoren, SCR-Anlage und Triebstrang.
Iveco: Eine gute Partie
Der „Iveco Stralis“ ist der einzige Vertreter in der bestof9.eu-Flotte mit einem Wartungsvertrag, der alle aufgeführten Mängel abdeckte. Zusammen mit dem Scania verzichtet der Stralis auf eine Abgasrückführung, was systembedingt zu einem relativ hohen AdBlue-Verbrauch führt (7,2 % vom Diesel). Ähnlich übrigens wie auch bei Volvo und Renault, die über eine „kleine“, ungekühlte Abgasrückführung verfügen. Insgesamt zeigt sich der Iveco als treuer Arbeiter mit kurzer Mängelliste: Standheizung einmal ausgefallen, Radlager vorne rechts undicht (Tausch), ebenfalls ein im Winter eingefrorener Dieselfilter, AdBlue-Sensor erneuert, einmal Leistungsverlust.
Gelobt wird die Klimaanlage, der Zugang zur Arbeitsplattform von rechts und die Bedienung/ das Kabinenlicht nachts. Kritik ernten eine abgebrochene Haltefeder der Stauraumklappe oben, der leise Ton des Spurhaltewarners und das als knapp empfundene Raumgefühl. Objektiv bietet der Iveco auf der zwölf Zentimeter hohen Motorkiste über zwei Meter Stehhöhe.
Kritik: Die Vorhänge lassen sich nicht um die Ecke an der A-Säule ziehen, Licht fällt durch die an sich guten Rollos, einige der Vorhangrutscher sind abgebrochen. Insgesamt schlug sich der Stralis auf der Testrunde deutlich besser als im durch unerfahrene und oft wechselnde Chauffeure geprägten Speditionsbetrieb.
MAN: Lange Mängelliste
Der MAN krankt an Störungen im AdBlue-Einspritzsystem. Die Einspritzdüsen werden überprüft, das AdBlue-Fördermodul erneuert. Diese Aktion schlägt mit 3.073 Euro ins Kontor. Ein Jahr zuvor: AdBlue-System-Check wegen dauernder AdBlue-Fehleranzeigen (215 Euro, davon 153 Euro auf Kulanz).
Die Mängelliste ist lang: Dezember 2016 neue Batterien (500 Euro), zweimal Tausch Sicherheitsventil Luftpresser (9/2014 und 1/2017, 143 Euro). Dann Luftverlust am Handbremshebel, Klappe am Armaturenbrett instandgesetzt, E-Anlage instandgesetzt, zusammen 250 Euro. Es geht weiter: 8/16 Telematikmodul checken wegen Defekt 155 Euro, schließlich Sattelplattenverschluss einstellen 182 Euro. Macht zusammen (bis km-Stand 334.000) 4.400 Euro an Reparaturen.
Zudem müssen beim MAN jeweils ein halbes Jahr nach jedem Ölwechsel die Ventile eingestellt werden. Nicht etwa zum Termin des Ölwechsels, sondern eigens. Das gibt’s nur beim MAN. Dazu kommen auffallend viele Glühlampenausfälle – aber die hat manch anderer auch. Mit der Durchsetzung von LED-Lampen dürfte sich dieses Problem erledigen.
In der Fahrergunst liegt der MAN trotzdem relativ weit vorn und erreicht in der Fahrerbewertung mit 1,53 (Schulnotenschnitt) nur knapp hinter dem Volvo den zweiten Platz. Besonders geschätzt wird die Qualität der Stoffe und Kunststoffmaterialien, die Lüftung und Klimaanlage und das allgemeine Handling. Kritisiert werden das laute Motorgeräusch (vor allem im Stand) und die beim Testmodell in der Mittellage recht schwammige Lenkung.
Mercedes: Raum-Fahrt
Mit den beiden Actros kommen nun die ersten zwei Modelle mit GPS-Tempomat ins Spiel. Predictive Powertrain Control (PPC) hilft natürlich, um den Verbrauch zu senken. Vorausgesetzt, der Fahrer nutzt die Möglichkeiten. Die Retarder-Probleme, die den „1843“ plagten, sind laut Fuhrparkleiter Frank Peters ein häufiges Problem bei den Actros.
Beim Test auf der LOGISTRA-Runde vermuteten wir ja schon, dass mit der Leistung des „kleinen“ Mercedes etwas nicht stimmt – was sich bestätigte: Retarder defekt und zu hohe Schleppleistung. Klammert man diesen Fehler aus, platzierte sich der kleine Actros im Speditionsbetrieb im Mittelfeld, der große dagegen unter den ersten Drei.
An der Kabine kritisieren die Fahrer die schmalen Staufächer unterm Dach, die schnell verschleißende Matratze unten, die zu kurzen Vorhänge und das zu dunkle Nachtkabinenlicht. Als positiv fürs Raumgefühl wird der ebene Boden empfunden. Dass dadurch die Unterkanten der Außenstaufächer mit 1,7 Meter hoch liegen, wurde dagegen kritisiert. In Sachen Fahrbarkeit fallen die manchmal langen Schaltzeiten auf.
Bemerkenswert ist der Batterieverbrauch, vor allem beim „1845“. Insgesamt (bis km-Stand 350.000) genehmigt sich der 1845 viermal einen Satz neuer Batterien (à circa 500 Euro).
Fuhrparkleiter Frank Peters hat mit Bezug auf die gesamte Actros-Flotte bei Reinert die weiche Federung der Benz im Verdacht, die die Batteriesäure zu wenig durchmische und die Bildung von Sulfatschwamm an den Platten fördere. Härter gefederte Konkurrenten, wie etwa der Scania, hätten dieses Problem nicht. Ansonsten fiel noch eine neue Lenkspindel für 655 Euro für den 1845 an – offenbar aber ein Einzelfall, genauso wie das Türsteuermodul (400 Euro) für den 1843, der mit nur einem Extrasatz Batterien (540 Euro) auskam.
Renault: Kuriose Kerben
So exotisch das Dasein des Renault bei uns, so kurios seine Pannen beim bestof9.eu-Vergleich: Da bricht dem Fahrer der Zündschlüssel ab – ein Fremdschaden von 865 Euro; allein 736 Euro davon sind für einen Satz neuer Schließzylinder fällig.
Der AdBlue-Tankstutzen muss für 181 Euro getauscht werden, Nachfüllen sonst nicht möglich. Sogar der Beifahrergurt gibt den Geist auf, Austausch für 80 Euro. Schock gleich zum Beginn: Die Höhenkontrolle offenbart eine Aufsattelhöhe von 118 Zentimetern (110 cm wären korrekt) – Austausch der Sattelplatte für 127 Euro plus 52 Euro fürs Neuprogrammieren des Standard-Fahrniveaus.
Sehr gut: Obwohl der Fahrer seinen Laptop mit 220-Volt-Konverter betreibt, gibt es keine Probleme mit der Elektrik. Allerdings müffelt der Kühlschrank, obwohl mehrmals penibel gesäubert. Grund für den Geruch ist wohl Schimmelbildung am Wärmetauscher, sinnigerweise zum Teil von der Standheizung angeblasen.
Viel Lob gibt es für den Antriebsstrang: Leistung, Schaltgeschwindigkeit, Kupplung und Lenkung erhalten die Note 1,0 von seinem Fahrer. Allein die Bedienung des Bordcomputers findet Fahrer Paul Riedel zu kompliziert. Dass man beim Renault über die Lenkradtasten S1 und S2 zwei Tempomat-Geschwindigkeiten speichern kann, kommt auch gut an. Weniger gut: Offenbar verhindert die Dachspoiler-Position die schon beauftragte Montage einer Klimaanlage.
Scania: „SCR Only“ wirkt!
Wir nähern uns der Champions League. In der alten Version mit Abgasrückführung konnte der 12,8 Liter große „DC 13“ ja keineswegs ganz vorne mitspielen. Bei der Stickoxidreduktion ganz auf SCR-Kat und AdBlue-Einblasung zu setzen, war richtig. Dazu kommt der GPS-Tempomat, den die Fahrer einzusetzen wussten.
Im Einzeltest überzeugte der Scania durch exzellentes Rollverhalten und Exaktheit der Streckenberechnung. Klar fuhren wir die Messstrecke (außer Messberge) im Economy-Modus (wie bei allen). Nur: Bei Scania heißt das, dass früh vor der Kuppe vom Gas gegangen wird und Unterschwinger bis auf 75 km/h genutzt werden. Das lohnt.
Mit dem Highline-Hochdach und einer prominenten Motorkiste mit 15 Zentimeter Höhe ist der Lebensraum im Scania nicht groß, dafür liegt der Kabinenboden wie beim Renault nur 145 Zentimeter über der Fahrbahn, der Einstieg fällt leicht.
Moniert wurde eine fehlende USB-Ladesteckdose, die leicht rupfende Kupplung und die mangelhafte Luftförderleistung beim Umsatteln (Heben des Aufliegers). Auch die Heizung ließ sich im Testfahrzeug nicht mehr herunterregeln. Erstaunlich: Trotz des in die Jahre gekommenen Fahrerhauses liegt der Scania selbst ohne Topline-Dach in der Fahrergunst gleich nach dem Volvo und dem MAN.
Die Mängelliste ist kurz: AdBlue-Verlust, repariert mit Filtertausch 103 Euro, Blinker rechts ohne Funktion. Etwas mehr Ärger machte das Abstandsregelsystem und dessen Radar-Auge: Vor Tunneln kam es häufiger zu Fehlauslösungen des Notbremsassistenten. Im Rahmen einer von Scania initiierten Rückholaktion wurde das Problem mit Neujustierung und neuer Software gelöst.
Volvo: Hohe Qualität
Überzeugend die Qualität des Volvo: Die Mängelliste verzeichnet lediglich den Tausch des NOx-Gebers auf Garantie und eine Starthilfe wegen leerer Batterie. Das Batterieproblem machte am Anfang ziemlich Sorgen, so Fuhrparkleiter Frank Peters, denn „die Autos mit ihrer ganzen Elektronik saugen auch im Stand übers Wochenende die Batterien leer“. Beim Volvo hilft da der Energie-Hauptschalter.
Fahrer René Büst, der schon mal längere Fernsehabende im drehbaren Beifahrersitz genießt, weiß, dass er mit dem Vorrat haushalten muss. Den Kühlschrank schaltet er nur ein, wenn es sein muss. Viel auszusetzen am Volvo hat er nicht, berechtigte Kritik erntet die für ihn zu weiche Matratze (nicht Federkernversion), der schlecht platzierte Schalter für das Sonnenrollo und die grob regelnde Standheizung.
Gut findet er die Kopffreiheit beim Stehen, geschuldet der großen Dachluke mit Notausstiegsfunktion und Aussparung, wo sonst ein Stauschrank sitzt. Die hinteren Rollschränke seien okay, bieten aber in Zweibettausführung wenig Höhe. Und: Die Volvo-Fahrstil-Bewertung findet er lange nicht so gut wie die des Scania.
Zu wünschen übrig lässt:
Schäden an den allseits beliebten Spoilerlippen gibt es in der bestof9.eu-Flotte zuhauf. Sattelzugmaschinen in Tieferlegungsoptik sind Quatsch. Aerodynamisch würden verkleidete Unterböden und sorgfältige Übergänge zum Auflieger mehr bringen. Auch das Problem knapper Versorgung mit elektrischer Energie muss die Industrie angehen.
Totgerittene Batterien gehören zu den häufigsten Ausfällen. Neben Solarmodulen für die Nebenverbraucher wünschen wir uns: Wassertank zum Händewaschen, breitere Auftritte für die allfälligen Ankuppelarbeiten hinterm Fahrerhaus (Ausnahme: Volvo). Aber die Entwicklung geht ja voran.
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