DB Schenker testet eCanter-Flotte: Meron Sium Ftwi fährt seit vier Monaten in Frankfurt: Der superleise Canter
Seit rund zwei Jahren ist der eCanter jetzt im Kundeneinsatz und seit April 2019 auch in der Geschäftsstelle Frankfurt bei DB Schenker mit Radius im ganzen Stadtgebiet. Der Fahrer, den wir auf seiner Lieferrunde ab dem Lager Uhlfelderstraße mit dem eCanter begleiten, startet früh. Meron Sium Ftwi hat sein Fahrzeug vor etwa vier Monaten übernommen. Es ist einer von insgesamt fünf eCanter, die DB Schenker derzeit europaweit testet. In Berlin ist der Stromer seit Anfang 2018 unter realen Einsatzbedingungen in einer gemischten Flotte unterwegs.
Im Frühjahr 2019 kamen dann, nachdem der Praxistest in der Bundeshauptstadt bis dato positiv verlief, zusätzliche Fahrzeuge für den urbanen Verteilerverkehr in Paris, im Raum Stuttgart und eben hier in Frankfurt hinzu. Die Elektro-Lkw transportieren im Innenstadtbereich Stückgut. Tristan Keusgen, der bei DB Schenker das Flottenmanagement europaweit leitet, ließ sich von den ersten positiven Erfahrungen überzeugen. Der Stromer sei gut geeignet, um Kunden in Metropolen wie Paris oder Frankfurt zu bedienen. Deshalb verhandelt der Logistiker mit Fuso über weitere Fahrzeuge.
Gerade in den rapide wachsenden Megastädten seien die Stromer wichtig, sagt auch Frank Rohde, der bei Fuso als Leiter des Flotten- und Aufbauherstellermanagements für den Vertrieb des eCanter zuständig ist. Immerhin sei der Lieferverkehr auf der sogenannten letzten Meile zu einem erheblichen Teil mitverantwortlich für die sprichwörtlich dicke Luft in den Städten. Das Lieferfahrzeug soll nun für die 7,49-Tonnen-Klasse eine elektrische Alternative bieten.
Elektrisch gegen dicke Luft
Hier in Frankfurt bei DB Schenker funktioniert das ganz gut. Pro Tour lege der elektrische Lieferwagen im Durchschnitt zehn bis 15 Stopps ein, berichtet Berufskraftfahrer Meron. Im Stadtverkehr kann der Stromer ganz gut mitschwimmen. Bis zu 80 Stundenkilometer schafft der Leicht-Lkw problemlos. Schneller – dann wäre die Batterie ruck, zuck leer. Aber im Stadtverkehr zählt Geschwindigkeit ja auch nicht unbedingt.
Das Auf- und Abladen bei jedem Kunden dauere meist zehn bis 15 Minuten, berichtet Meron weiter. Er kommt also mit einer Akkuladung ganz gut über den Tag. Falls er zwischendurch im Depot neues Stückgut nachfassen muss, kann er dort noch etwas Strom tanken. Drei der Rampen haben einen Anschluss. Eine weitere Steckdose ließ DB Schenker auf dem Hof des Depots installieren, dort ist der eCanter über Nacht geparkt.
Wenn Meron also morgens zur Arbeit kommt, muss er als Erstes den Stecker ziehen. Danach fährt er den Stromer an die Rampe. Dort muss Meron „seinen“ Lkw für seine erste Tagestour beladen. Weil die Waren in der Halle schon gut vorsortiert waren, dauert das nicht allzu lange. Schon bald stehen zwei riesige, auf Paletten geladene Kisten neben der Rampe. Jede einzelne davon wiegt fast eine Tonne. Dazu kommen noch ein paar etwas kleinere Paletten und Einzelteile. Alles in allem summiert sich das Gewicht der Ladung, die in den eCanter soll, auf fast drei Tonnen, rechnet Fuhrparkleiter Alexander Tamay vor. Er steht in der Halle neben der Rampe und beobachtet, wie der Fahrer den Lkw belädt. Vor allem achtet er dabei darauf, dass die Ladungssicherung korrekt ist.
„Der eCanter hat eine bessere Nutzlast als die konventionellen Fahrzeuge – bis zu drei Tonnen“, berichtet Meron später während der Fahrt, als alles geschultert ist. Bei den gängigen Diesel-Varianten anderer Hersteller seien es gerade mal zwischen zwei und 2,4 Tonnen. Auch deshalb planen die Disponenten in Frankfurt-Fechenheim die etwas schwereren Touren, die mit den konventionellen Lieferfahrzeugen gar nicht funktionieren würden, gerne mit dem leichten Elektro-Laster.
Für Passanten mitdenken
Nachdem Meron das Sammelgut neben der Rampe aufgestapelt hat, sortiert er noch einmal die Adressaten auf der Liste. Speziell bei den Touren mit dem vollelektrischen Leicht-Lkw sei es extrem wichtig, dass auch der Disponent schon vorher genau plane, beschreibt Tamay eine der Herausforderungen mit dem Fahrzeug. Im Gegensatz zu konventionellen Lieferfahrzeugen müssen sie dabei die Reichweite genau im Blick haben und ausreichend Reserven einplanen. Aber auch der Fahrer müsse sich vor der Abfahrt Gedanken machen über die Strecke und die Lieferorte. Deswegen könne er auf das Fahrzeug nur Fahrer setzen, „die auch mitdenken“.
Die erste Adresse führt uns zu einem Krankenhaus, laut Lieferschein Haupteingang. Dort allerdings hätte uns niemand die Lieferung abgenommen. Meron fährt also gleich in eine kleine Seitenstraße. Von dort geht es in einen Hinterhof, den eine Baustelle mit Gerümpel gefüllt hat.
Für Meron heißt das, dass er – nachdem er die Palette abgeliefert hat – beim Wenden kräftig rangieren muss. Der eCanter kann dabei gleich seinen ersten Vorteil ausspielen: Er ist klein und wendig, kommt also auch in dem zugestellten Hof gut ums Eck. Außerdem hat er eine Rückfahrkamera. Die verschafft Meron auch nach hinten den notwendigen Überblick. Die Rangiererei ist also für den jungen Berufskraftfahrer kein Problem. Nur eine kleine Kritik bringt er dabei an. Er findet, dass der Außenspiegel etwas weit wegvon der Fahrerkabine angebracht ist. Dadurch wird der eCanter ein wenig breiter. Allerdings – damit der Aufbau Platz für drei Paletten nebeneinander bietet, ragt auch dieser leicht über das Fahrerhaus hinaus. Und wenn man mit den Außenspiegeln nicht richtig nach hinten sähe, wäre das ja auch problematisch.
Nach unserem Wendemanöver im Hof geht es durch die kleine Seitenstraße wieder zurück Richtung Hauptstraße. Leise surrt der Stromer auf die Kreuzung zu, ein kleines Stück vor uns fährt ein kleiner Pkw – Smart-Größe etwa. Wir sind nicht mehr weit weg, als ganz unvermittelt die Rückfahrscheinwerfer des Kleinwagens aufleuchten. Die Dame am Steuer hat uns anscheinend nicht registriert und manövriert ganz ungeniert rückwärts in eine Parklücke. Doch Meron nimmt es gelassen. Er scheint solche Situationen gewohnt zu sein und wartet geduldig.
„Das passiert öfters, weil der Elektromotor kaum zu hören ist“, bestätigt später auch Tamay. Deswegen müssten die Fahrer besonders aufpassen und im Kopf haben, dass andere Verkehrsteilnehmer dazu neigen, den eCanter nicht wahrzunehmen, weil sie ihn nicht hören. Bei Lieferfahrten in Fußgängerzonen, wo die Menschen sowieso nicht mit einem Auto rechnen, sei das besonders häufig. Doch in dem Bewusstsein fährt er betont defensiv.
Etwas mehr Reichweite
Unsere nächste Lieferadresse ist zwar korrekt auf dem Lieferschein angegeben. Aber Meron kennt sich hier bestens aus und steuert den eCanter ohne Navi sicher zum Adressaten. Seine Ortskenntnis hat noch einen Vorteil: Wir können uns während der Fahrt entspannt unterhalten. Dass uns dabei statt eines tuckernden Dieselmotors ein leise surrender Elektromotor begleitet, macht es noch angenehmer. Egal wie schnell der eCanter unterwegs ist, ob er beschleunigt oder bremst: Es ist immer angenehm ruhig in der Fahrerkabine. Das vermerkt auch Meron positiv.
Etwas mehr Reserve
Ein bisschen anstrengend an der Elektrovariante findet er manchmal, dass er während der Fahrt „die ganze Zeit auf die Range achten“ müsse. Deswegen, so formuliert es der Berufskraftfahrer, wünsche er sich ein bisschen mehr Reichweite. Aber die kann ja mit der nächsten Generation des eCanter kommen. Bisher heißt es: Eher die kurze Strecke fahren, auch wenn dort Stau ist, statt der schnelleren Route mit weiterem Weg. Im Gegensatz zum Diesel-Lkw braucht der Stromer im Stau nicht mehr Energie als im fließenden Verkehr, für die Citylogistik ein klarer Vorteil.
eMobilität beginnt mit ganzheitlichem Lademanagement – TruckCharge.
Meron hat erst vor Kurzem seine Ausbildung als Berufskraftfahrer hier bei DB Schenker in Frankfurt abgeschlossen. Er war auch schon mit dem großen Lkw im Fernverkehr unterwegs, fährt nicht nur den urbanen Verteilerverkehr rund um den Frankfurter Standort. Hier im Stadtverkehr sitzt er konzentriert hinter dem Steuer. Ein wenig stolz betont er immer wieder, dass ihm der eCanter gut gefalle. Das liegt nicht nur daran, dass die Kunden häufig interessiert, teils auch bewundernd auf den Stromer schauen und sich für technische Details interessieren.
Meron findet vor allem, dass sich der Elektro-Lkw agil fährt. Auch wenn den kleinen Lastwagen rein äußerlich wenig von den Dieselpendants unterscheidet – mit seinem 129-kW-Motor und den 390 Nm Drehmoment zieht er an den Kreuzungen richtig gut ab. Aus Sicht des Fahrers ist das ein Pluspunkt. Pro Tour legt Meron mit dem 7,49-Tonner bis etwa 80 Kilometer zurück, viel mehr ist nicht drin. Er will ja nicht riskieren, dass er liegenbleibt. Daimler gibt für das Fahrzeug, das Fuso in Portugal als ersten vollelektrischen Lkw in Kleinserie fertigt, eine Reichweite von mindestens 100 Kilometern an.
Die Erfahrung, die DB Schenker mit dem Fahrzeug macht, bestätigt die Herstellerangaben. „Am Donnerstag bin ich neun Stopps und einen Abholer gefahren. Bei so einer Tour komme ich auf 40 bis 75 Kilometer“, berichtet Meron, der manchmal das Stückgut für längere Touren mit mehr Stopps auf der Ladefläche hat. Im Sommer seien durchaus bis 110 Kilometer drin; jetzt im Herbst und Winter eher etwas weniger, berichtet der Berufskraftfahrer. Damit auf seinen Touren jeden Tag alles glatt läuft, stöpselt er „seinen“ vollelektrischen Lieferwagen jeden Abend an die Steckdose im Depot an.
Im eCanter liefern sechs Hochvolt-Lithium-Ionen-Batterien mit jeweils 13,8 kWh – zusammengerechnet sind das 82,8 kWh – den notwendigen Strom. Die Akkutechnik stammt von einer weiteren Daimler-Tochter: der DeutschenAccumotive in Kamenz. Hier bei Schenker werden die Akkus über Nacht an der normalen Steckdose geladen, etwa neun Stunden dauert das. Falls es schneller gehen müsste, könnte man den Stromer aber auch an einen Schnelllader anschließen, erklärt der Fuso-Produktexperte Frank Rohde. Dann wäre er innerhalb einer Stunde zu 80 Prozent geladen.
Fuhrparkleiter Tamay bestätigt Rohdes Angaben: „Die Aufladung des Fahrzeugs funktioniert bei uns hier im Depot über Nacht.“ Dafür hat der eCanter einen eigenen Parkplatz mit Stromanschluss. Auch an drei Laderampen gibt es eine Steckdose. Dort kann das elektrische Nutzfahrzeug dann auch untertags zwischengeladen werden, wenn es zum Be- oder Entladen ins Depot kommt. Der Anschluss sei derselbe, wie ihn auch die Kühl-Lkw nutzen, wenn sie auf dem Hof den Dieselmotor ausschalten und ihr Aggregat mit Strom betreiben.
Locker zurück ins Depot
Jetzt sind die beiden ganz schweren Kisten an der Reihe. Die Bordwand ächzt beim Abladen ein wenig unter dem Gewicht der tonnenschweren Kisten. Aber sie hält. Bis zu einer Tonne, darauf sei die Ladebordwand von Spier ausgelegt, erklärt Meron. Sie hält also und gibt sich damit so entspannt wie der gesamte Vormittag, der hinter uns liegt. Als wir bei unserem letzten Kunden starten, bleiben uns für den Rückweg noch satte 78 Kilometer Reichweite. Damit schaffen wir es lässig zurück ins Depot. Und Meron bleibt noch reichlich Saft für eine zweite Tour an diesem Tag. Also alles gut gelaufen mit dem Stromer.
Christine Harttmann/jr
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