Meister der Räder

Nach intensivem sichern sich unter 27 Kandidaten der Trailer von Nüwiel, das Long John Transporter2 von Riese & Müller sowie das Quad Cargo von Mubea die Awards. Insgesamt herrscht hohes technisches Niveau im Wettbewerb.

 Bild: Daniel Hermann/VDA
Bild: Daniel Hermann/VDA
Redaktion (allg.)
Test auf der IAA

Eng war das Rennen und schwer fiel die Wahl für die Juroren in einem quer durch alle Klassen mittlerweile dichten und hochseriösen Feld von Bewerbern beim „International Cargobike of the Year“-Award, der im Rahmen der IAA TRANSPORTATION und in Kooperation mit dem Radlogistik Verband Deutschland (RLVD) sowie dem VDA über die Bühne respektive den eigens arrangierten CargobikeParcours ging.

Das technische Niveau hat sich dabei stark nach oben entwickelt, schlechte Bikes gibt es eigentlich nicht mehr, lässt sich konstatieren. In vielen Aspekten kommt es auch auf den speziellen Einsatz an, ob etwa ein Lastenradmit festem Aufbau oder mit Wechselkoffer besser geeignet ist. Generell wurden alle Cargobikes von allen vier Juroren bei dem Event gefahren und anhand des Fahreindrucks, aber auch der technischen Daten wie Nutzlast, Volumen, Maße, der Solidität und Robustheit des Konzepts, der Wartungsfreundlichkeit sowie nicht zuletzt des Preises beurteilt.

Light Cargobikes: Für alle urbanen Fälle

Bei den leichten Lastenrädern setzte sich mit hauchdünnem Vorsprung das klassische Long John von Riese & Müller Transporter2 durch. Es fährt mit einem dediziert fürs Gewerbe konzipierten, komplett neuen und steifen Alurahmen auf, bietet leichtes und agiles Handling per solider Gestängelenkung sowie einen geschmeidigen wie leisen Bosch-Performance-Riemenantrieb mit stufenloser Enviolo-Schaltung. Dazu Details wie der leichtgängige Ständermechanismus und der von 1,50 bis zwei Meter Größe höhenverstellbare Lenker. Zudem überzeugte der faire Preis (ab 6.200 Euro), die bessere Nutzlast dank geringerem Leergewicht ab 50 Kilogramm und mehr Gesamtgewicht bis 220 Kilo.

Bewusst verbaut man den Bosch „Performance Line“-Mittelmotor, der genug Drehmoment bei guter Robustheit bietet und den Preis im Rahmen hält, so die Begründung. Cleveres Goodie: Im robusten Siebdruckboden wartet ein abschließbares Fach auf Utensilien wie Zurrgurte oder Wertsachen. Integriert ist ein Abus-Rahmenschloss, kombinierbar ein GPS-Chip, der per App-Anbindung nicht nur alle Fahrdaten aufzeichnet, sondern auch Bescheid gibt, wenn das Rad unrechtmäßig bewegt wird.

An der nur so halbwegs wasserdichten Box mit 375 oder 465 Liter Volumen, ein ziemlich schlichtes und dünnes PE-Material, dürften die R&M-Ingenieure aber noch arbeiten: Der prophezeien die Radlogistiker unter den Juroren keinen langen Lebenszyklus im Lieferalltag. Und bei den Reifen hätte man vielleicht die Lastenradpneus Schwalbe Pick-up verbauen sollen statt Big Ben und Super Moto.

Kaum weniger geschmeidig bewegte sich das ebenfalls als klassisches Long John konzipierte Urban Arrow Craft L, das auf Basis eines Alurahmens zudem auf eine weit solidere 260-Liter-Alubox (wahlweise ein 350-Liter-Flightcase) und die robusten Schwalbe Pick-up-Pneus verweisen kann. Es kann aber mit der allzu aufrechten Sitzposition und dem weicheren Hinterbau die Abstammung vom Privatbike nicht leugnen und setzt auch preislich deutlich höher an (ab 8.200 Euro). Dazu trägt auch der verbaute Bosch-Cargoline-Antrieb bei, kombiniert sogar mit Enviolos Automatik sowie ebenfalls einem leisen und wartungsarmen Riemen. Teurer als die Tektro Auriga beim R&M ist sicher auch die Magura CMe-Bremse. Wobei Urban Arrow das Thema Bremsen zur IAA mit der Vorstellung einer gemeinsamen Entwicklung der Formula-Moto-Cross-Bremse abräumen will: Die soll statt 1.500 Kilometer glatt 15.000 Kilometer halten und kaum teurer sein. Sie war allerdings noch nicht am Testbike verbaut, sonst hätte eventuell das heikle Schlüsselthema Bremsen den Ausschlag gegeben.

Gleam: Kraxelfreudig

Das zweispurige Gleam Escape des Grazer Start-ups wiederum überzeugte als „Long Tail“ zwar auf ganzer Linie in Sachen Agilität mit seinem raffinierten Neigetechnikmechanismus auf Basis eines spektakulär designten Alurahmens. Es lässt sich dynamisch fahren, nimmt dank aufwendiger Einzelradaufhängung mit Federung auch Stufen oder Bordsteine locker. Und das Escape hält für das gebotene technische Niveau mit Polini-Mittelmotor, Enviolo-Schaltung (stufenlos oder Automatik), Riemenantrieb und Tragfähigkeit bis offiziell 280 Kilo gesamt samt Flex-Wechselaufbausystem auch preislich maß (ab 7.500 Euro). Für die Praktiker unter den Juroren war das allerdings weniger relevant als das alltägliche Handling: Hier wurde das aufwendigere Auf- und Absteigen mit dem Neigesystem moniert. Und dass das Bike bei Beladung eher schwer zu halten ist, der Hebel für den Blockiermechanismus erstens kaum als solcher erkennbar und zweitens schwer zu bedienen ist. Trotzdem: Das ist Bike-Technik auf hohem, ja auf automobilem Niveau.

Da konnte das zweite Neigetechnik-Trike von Mäx & Mäleon, ein hessisches Start-up, nicht mithalten. Es peilt als elegantes Stahlrad mit „Made in Germany“-Rahmen eher auf Privatanwender, mit seiner cleveren Klappbank, auf der auch Erwachsene befördert werden können – oder eben hochgeklappt Fracht. Spannend hätten wir das CaGo Vario gefunden, es erschien allerdings nicht zum Test. Und das sehr clevere, flexible und ultrakompakte Yoonit Mini-Cargobike mit Stahlrahmen fanden zwar alle Tester super und irre agil zu fahren. Aber in professioneller Anwendung allenfalls für leichte Food-Lieferaufgaben geeignet.

Heavy Cargobikes: Ersatz für den Kleintransporter

Bei den schweren Bikes konnte sich am Ende unter Berücksichtigung aller Kriterien wie Handling, Komfort, Nutzlast, Agilität, Solidität und Preis nach dem „Ausschlussprinzip“ das Mubea Cargo bei allen vier Juroren klar durchsetzen. Das Bike von der neuen Sparte U-Mobility des Automobilzulieferers Mubea wurde mit viel automotivem Know-how neu entwickelt. Das noch kompakter bauende Quad punktete mit erstklassigem, sicherem und präzisem Handling, leichtem Zustieg, kräftigem Antrieb, hoher Solidität und Qualität an Fahrwerk und Rädern. Es kombiniert einen professionellen Junge-Koffer mit bis zu 500 Kilo Gesamtgewicht zu einem hochattraktiven Preis (ab 10.490 Euro).

Zu wünschen wäre hier nur noch eine leichtgängigere als die etwas sperrige Rohloff-Schaltung. Wobei die nächste Evolutionsstufe mit einem Alu- statt Gfk-Rahmen samt rutschfester Trittfläche mittig und dem automatischen 48-Volt-System Cyclee von Valeo mit integrierter Motor-Getriebe-Einheit bereits zu bewundern war.

In Anbetracht des starken Mubea verblieb dem Vorjahreszweiten tricargo Lademeister erneut „nur“ der zweite Platz. Der ist aber wieder verdient, mit dem praxisgerechten Konzept als klassisches, 90 Kilo leichtes und doch bis 425 Kilo tragfähiges Lastentrike. Dank der feinen Fahrradgene glänzt es mit hoher Wendigkeit fast auf der Stelle, aktiver Sitz- und Tretposition, geschmeidigem Puma-Mac-Vorderradantrieb, der kombiniert wird mit dem leicht schaltbaren und robusten Pinion-Getriebe. Dazu gesellen sich robuste Motorradteile, leichte Zugänglichkeit und Wartung, hohe Nutzlast und 2,2 Kubikmeter im soliden, selbstgefertigten Aufbau. Garniert mit dem fairen Preis (ab 13.500 Euro inkl. Box!) passt das perfekt.

Die Neuauflage des schweren Rytle, der MovR3, wiederum zeigte die steile Lernkurve des Herstellers. Es brachte neben dem beidseitigen Einstieg deutlich mehr Komfort, leiseren Antrieb und leichteres Handling auf die Straße. Zudem punktete das mit 252 Kilo leer ganz schön schwere, mit 622 Kilo gesamt aber auch tragfähige Bike mit seinem E-Lift im Heck, der Palettentauglichkeit für Stückguteinsatz und dem Ökosystem mit Wechselaufbau in den im Lkw-Bereich gängigen Container- und Euro-Normen. Größter Nachteil des mit 1,30 Meter leider auch sehr breiten Bikes: der ebenso üppige, fast kleintransportermäßige Preis von 19.900 Euro.

Wobei man sagen muss: Aufstrebende Hersteller wie das Bochumer Start-up Antric und sein One drängen mit top Fahrwerk, großem, rollwagenfähigem Aufbau und hoher Robustheit nach – und mit Rückenwind von Investor Cenntro. Mankos: liegende Sitzposition, lauter Antrieb. Der Vorjahressieger Vowag Cargo M ist nach wie vor ein 1A-Schwertransporter, weiter verfeinert um einen Pendix-Generator zum Heckantrieb. Zudem war als Prototyp mit Profi-Rapid-Koffer eine spektakuläre Variante mit Kabine zu bewundern. Auch das Invelo:4 (vormals A.NT Cargo) von B&P engineering mobility operiert in Schlagweite, gefällt mit gokartartigem Fahrwerk, robustem Kettenlosantrieb und wird immer besser. Im Lieferalltag ist es aber eher unkomfortabel, was Abzüge gab.

Was bringt Neigetechnik?

Bei den guten Neigetrikes von Urban Mobility, die sich ebenfalls deutlich verbessert zeigten (Federgabel, größere Räder, mehr Bodenfreiheit), und dem Newcomer aus den Niederlanden Fulpra überzeugte Letzteres noch mehr, dank gefühlvollem Handling und klug gemachten, exzellent von Heck und Seite zugänglichen Schiebetür-Aufbauten zu zwei respektive drei Kubik Volumen. Dennoch sahen die Juroren mehr Nachteile und kaum Vorteile der (etwas fahrdynamischeren) Neigetechnik gegenüber klassischen Trikes wie tricargo oder den nicht ganz so überzeugenden, aber zweifellos guten, robusten Franko-Trikes von Kleuster (Freegônes) oder Trips. Aufgrund schwerfälligen Handlings und mauer Bodenfreiheit konnte das lange und breite ONO-Trike nicht stärker punkten. Mit seinem Integraldesign (von Ex-VW-Mann Murat Günak) ist es weniger Bike, fast ein Minivan.

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In der Sammlung fehlte das „Hybrid-Bike“ Tender Post & Parcel 800 von Urban Arrow, vorn Auto, hinten Hollandrad, bei dem es Lieferschwierigkeiten gab, ausgerechnet. Noch nicht ganz in Serienform war auch das erneuerte Bayk Bring S mit „digitalem Antrieb“ und Humbaur-Koffer, das man aber auf dem Zettel haben sollte. Die Entwickler des Künzelsauer Start-ups Metrucks waren vor Ort und meinten, ihr Cargo-Quad würde überall noch eins oben draufsetzen. Man darf auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein. Fortsetzung folgt.

Cargobike-Trailer: Jedes Rad wird zum Lastenrad

In der oft unterschätzten, aber mittlerweile auch gut bestückten Klasse der Lastenradanhänger gewann am Ende der Trailer, der tatsächlich jedes Rad zum Lastenrad macht und das professionellste Package geschnürt hat: Der dreirädrige, kompakte Nüwiel eTrailer gefiel den Juroren mit seinem geschmeidigen Antrieb, der auch bei unmotorisiertem Zugfahrzeug brav und wohldosiert schiebt, präzise (auflauf)bremst und eine hohe Wendigkeit des Gespanns sicherstellt. Zudem ist auch ein Einsatz als autarker Handwagen möglich. Nachteile: das üppige Gewicht des Stahlrahmentrailers von 120 bis 180 Kilogramm (inkl. 1-m³-Box) und der mit 6.500 Euro hohe Preis.

Deshalb fuhr knapp dahinter der brandneue, mit 65 Kilo leer viel leichtere und um 180 Grad wendige, dreirädrige wuppdi eines Start-ups aus Berlin aufs Podium. Er bietet auf Eurobox-Normmaß weit mehr Platz und bei 365 Kilo Gesamtgewicht auch mehr Nutzlast zu günstigeren Kosten (ab 3.890 Euro, ohne Motor) und ist zudem vielseitiger einzusetzen. Über die nackelige, in Sachen Sicherheit zweifelhafte Verankerung an der Sattelstütze sollte man in Anbetracht der Gesamtgewichte aber noch mal nachdenken. Eine Version mit Radnabenantrieb ist in Vorbereitung, diverse Aufbauten wie Plane, Rampe, Container auf dem Stahlrahmenchassis verfügbar. Die Ladungssicherung zwischen den Siebdruckholzplatten fällt leicht. Zum Verstauen ist der Trailer sogar aufstellbar, die Heidenau-Reifen an den Druckgussrädern sorgen für Vertrauen.

Carla Cargo: Ein Klassiker

Details, in denen die Carla Cargo auf Platz 3 weiter fortgeschritten ist – fast schon ein Klassiker. Viel vorwerfen kann man der stetig weiterentwickelten Carla nicht, hochrobuster Stahlrahmen, hochwertige Machart, grundsolider Bafang-Nabenmotor, der wohldosiert und fast unhörbar mitschiebt. Dazu eine rasch reagierende Auflaufbremse, tolle Sonderaufbauten bis hin zur rollenden Postbox oder dem Loadhog für Eurokisten. Nur der üppige Preis (ab 7.000 Euro) und die Länge von über drei Metern verhindern einen Platz noch weiter vorn.

Clevere Akzente bei den Trailern setzten ansonsten der neue tragfähige und robuste Al-Ko Bike Trailer mit günstigem Preis (ab 1.700 Euro) und vielen Komponenten und Know-how aus dem Pkw-Anhängerbereich samt der Blechprofile. Ihm fehlt aber ein Motor, um ihn mit seiner Kugelkopfkupplung als Ersatz für ein schweres Lastenrad einzusetzen. Schlau gemacht ist auch der (wahlweise elektrisch unterstützte) extrem robuste und ultrakompakte e2trail, der dank Hubfunktion Palettentransport (eher Kurzstrecken oder intralogistisch) ermöglicht, sich zerlegen lässt und einen Nebenjob als Sackwagen führt. Ab 3.500 Euro bei 250 Kilo Gesamtgewicht ist er fair gepreist.

Ein Floh oder besser die „Ameise“ unter den Bike-Trailern kommt aus der Schweiz: Der polyroly einer Schweizer Konstrukteurin und Bikelogistikerin schafft mit ultraleichten 9,3 Kilo Gewicht seines raffinierten Fachwerkkonstrukts aus ebenso filigranen wie stabilen Chromstahlstreben ein technisches Gewicht von bis zu 300 Kilogramm. Er ist in diversen Größen modular einsetzbar und ab 1.500 Euro ein günstiger Einstieg ins Bikebusiness, der aber ein entsprechend starkes Zugpferd erfordert. Doch der Ansatz ist gut: Vielleicht zäumt man den „Gaul“ Lastenradlogistik am besten von hinten auf.

Johannes Reichel

Die Jury

Der Fachjury gehören neben dem LOGISTRA Test + Technik-Ressortleiter Johannes Reichel (li.) ausgewiesene Fachleute und Praktiker der Cargobike-Branche an (v.l.n.r.): Thomas H.L. Schmitz, Geschäftsführer und Gründer des Radlogistikspezialisten Radlader GmbH in Mainz, Satish Kumar Beella, Lector engineering & Product development an The Hague University of Applied Sciences, sowie der Berliner Radlogistiker Martin Schmidt von der Cycle Logistics CL GmbH sowie dem Lastenradservice Blue Cargo Biketechnik GmbH. Neben der theoretischen Begutachtung hat die Jury vor Ort intensive Testfahrten mit Beladung durchgeführt, um sich eine fundierte Meinung über die Eigenschaften der Fahrzeuge zu bilden.

Die Sieger in den einzelnen Klassen:

Light Cargobikes

  • Riese & Müller Transporter2
  • Urban Arrow Craft L
  • Gleam Escape

Heavy Cargobikes

  • Mubea Cargo
  • tricargo Lademeister
  • Rytle MovR3

Bike-Trailer

  • Müwiel eTrailer
  • wuppdi
  • Carla Cargo

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Seite 12 bis 17 | Rubrik Märkte & Trends
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