MAN TGM 22.290: Leichter Dreiachser für Getränkevertrieb mit Orten-Sideliner-Aufbau: MAN TGM Euro-5/EEV: Ein Getränkespezialist

Mit 22 Tonnen Gesamtgewicht haben wir den dreiachsigen MAN „TGM“ in Euro-5 und EEV-Ausführung getestet. Er kommt noch immer ohne AdBlue aus und erreichte mit nur 290 PS tolle Fahrleistungen.

Symbolbild LOGISTRA (Foto: T. Schweikl)
Redaktion (allg.)

Normalerweise sind Dreiachser mit gelenkter Nachlaufachse ja mindestens für 24, wenn nicht für 26 Tonnen Gesamtgewicht gut. Der MAN „TGM“ mit der Typbezeichnung 22.290 muss also etwas besonderes sein. Auf jeden Fall besonders leicht und besonders für den Getränkevertrieb hergerichtet. Das sieht man schon an der gestreckten, geduckten Form des Gesamtfahrzeugs. Dieser TGM rollt auf 19,5-Zoll-Rädern daher, bietet deshalb eine für den Getränkevertrieb besonders vorteilhafte, niedrige Ladefläche. Aber erst der Orten-Sideliner-Aufbau macht den TGM zum Getränke-Spezialisten. Per Zweihand-Schalter - auf dass sich keiner die Finger einklemmen kann - lässt sich die komplette Seitenwand per Spindeltrieb nach oben wegschwenken. Der beanspruchte Luftraum überm Aufbau ist beträchtlich: Anderthalb Meter sollten da schon zwischen Hallendach und Aufbau-Oberkante liegen.

Zur Seite hin schwenkt die Wand jedoch mit einem guten halben Meter nur wenig aus, bei beengten Platzverhältnissen ein echter Vorteil. Der Clou aber ist der auf beiden Seiten abklappbare Unterfahrschutz. Rückseitig beplankt mit rutschsicherem Aluminium-Blech, dienen die Paneelen als sicherer Auftritt. Innen lässt sich laut Orten das gesamte Arsenal an Ladungssicherungs-Mitteln montieren. Unser Testwagen kam mit senkrechten Sperrstangen, die sich im engen Raster leicht verschieben lassen und den nötigen Formschluss zwischen der meist palettierten Ware garantieren. Ein wenig schade, dass der MANDemo-Einkauf auf die Anschaffung eines Spoiler-Sets verzichtete. Der TGM kommt mit dem scharfkantig gezeichneten Orten-Aufbau schon sehr eckig daher. Auch auf den hier einsatztypischen Überland-Strecken beansprucht der Luftwiderstand hier sein Quäntchen Mehrverbrauch. Das ist nicht zu unterschätzen! Ein Spoiler würde nicht nur die messerscharf gekantete Blende für den Spindelhub aerodynamisch abmildern, sondern auch stets willkommene Werbefläche bieten.

Leichter Motor

Ein leichtes Auto benötigt einen leichten Motor. Den hat MAN schon lange im Motorenprogramm. Im Fall der TGL- und TGM-Reihe sind das die „D 08“-Serie mit dem „D 0834“ als Vierzylinder (150, 180 und 220 PS) und die „D 0836“er Sechszylinder mit 250, 290 und 340 PS. Diesen Motoren ist gemein, dass MAN sie in Euro 5 und teilweise sogar als EEVMotor noch ohne AdBlue-Einblasung darstellen kann. Die per Lambda-Sonde geregelte Abgas-Rückführung plus Partikelfilter (bei MAN: „PM-Kat“) plus hohe Aufladungsraten und die hohen Einspritzdrücke von 1.800 bar halten Stickoxide und Partikel im Zaum, beziehungsweise lassen sie gar nicht erst entstehen.

Für viele Anwender ist der Verzicht auf den zusätzlichen Betriebsstoff nach wie vor ein Kaufargument. Die zum Teil deutlich erhöhten Verbräuche im Vergleich zu Motoren mit AdBlue-Einblasung nehmen die Nutzer in Kauf, wenn damit nur gewährleistet ist, dass man auf AdBlue verzichten kann. Hinsichtlich des Verbrauchs waren wir bei diesem TGM deshalb besonders gespannt, denn zur Abgasrückführung (AGR) kommt in diesem Falle auch der zweistufige Lader, der für eher großzügigen Umgang mit dem Sprit bekannt ist. Doch schauen wir uns den TGM zunächst von innen an: Dank der vergleichsweise kleinen Räder liegt die erste Stufe nur 40 Zentimeter über dem Boden, der Einstieg fällt deshalb leicht.

Hohe Sitzposition

Am Steuer des TGM fühlt man sich auf Anhieb wohl. Alle Schaltergruppen sind sauber geordnet, das Radio sitzt optimal, nur der Hebel für die Handbremse liegt wie „anno dunnemals" neben dem Sitz, weit hinter der Schulter und damit ergonomisch ungünstig. Die Bedienung und vor allem das Lösen sind entsprechend mühsam. Die Außenbereiche rechts und vorne hat der Fahrer über die rechte Spiegeleinheit gut im Blick, einmal mehr stört hier der fehlende Sichtspalt zwischen A-Säule und den zwei Rückspiegeln. Auffällig ist auch die hohe Sitzposition, die vor allem für groß gewachsene Fahrer den Blick nach oben auf Ampeln etwas einschränkt. Prima sind die beiden Becherhalter im mittleren Teil des Armaturenbretts. Die beiden "Bechermulden" auf der Ablage über der Motorkiste sind das genaue Gegenteil, weil völlig untauglich: Bei der ersten Alarmbremsung verabschiedet sich Flüssiges hier im reien Fluge. Sehr gut dagegen die Rückfahrkamera mit großem SW-Bildschirm auf dem Armaturenbrett. Bei den meisten Lebensmittel- und Getränkeverteilern ist diese Kamera ohnehin Standard-Ausrüstung.

Angesichts der gesunkenen Preise für dieses wertvolle Zubehör wünscht man sich, dass es zur Serienausrüstung würde, zumindest bei den Solo-Lkw im Verteiler-Verkehr. Da das Standard-Lenkrad ohne Tasten auskommen muss, findet man die Schalter für den Tempomaten im rechten Lenkstockhebel, die Taster für den Bordcomputer unter den kleinen Uhren im Armaturenträger. Die Bedienung ist schnell erlernt und logisch. Auffällig unharmonisch zeigt sich die „TipMatic“ beim Anfahren: Der Computer dreht die ersten Gänge ungebührlich hoch aus, was mit viel Lärm und unnötig hohem Verbrauch verbunden ist. Ein Profi würde so nicht schalten, sondern gemütlich anrollen, dann gleich in der Gegend von 1.200 Touren hochschalten und womöglich gleich einen Gang überspringen. Der MAN mag zwar hohe Drehzahl, wenn entsprechend Leistung abgefordert wird.

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Beim Anfahren ist diese Einstellung jedoch ontraproduktiv und geht einem sogar ein wenig auf die Nerven. Mit der Folge, dass man beim Anfahren permanent manuell eingreift und früheres Hochschalten provoziert. Und das kann ja nicht der Sinn eines automatisierten Getriebes sein. Diese Kritik betrifft allerdings nur den Anfahrbereich. Auf der Strecke zeigt sich der TGM mit Tip-Matic von seiner besten Seite: Überzeugend sind die sehr schnell ausgeführten Schaltungen am Berg, die dem TGM Bergsteigezeiten bescheren, wie sie beispielsweise ein Volvo 6x2 mit immerhin 320 PS bei 26 Tonnen auch nicht annähernd erreichte.

Das Bremsmanagement

Nun sind Verteiler-Trucks wie dieser TGM mit weit schlichteren Bremsmanagement-Systemen ausgerüstet als die gängigen Fernverkehrs-Lkw. Das ist so verkehrt nicht, weil es den Laster technisch etwas einfacher belässt und zudem weniger Geld kostet. Hauptproblem bei weniger hoch vernetzten Systemen ist, den Fahrerwunsch so in Einklang mit der zu befahrenden Topografie zu bringen, dass eine gleichmäßige und damit sparsame und trotzdem schnelle Fahrweise erzielt wird. Nicht gut ist zum Beispiel, wenn beim Bergabfahren unter Tempomat die Motorbremse zu früh und vor allem zu lange einsetzt und wertvollen Schwung vernichtet. Das kann man abstellen: Entweder, indem man auf den Tempomat verzichtet, was nicht besonders komfortabel ist. Oder man überlistet die Elektronik, indem man ihr mit einem einem kleinen Tipp aufs Gaspedal signalisiert: Motorbremse aus! Und dann geht sie auch aus, und man rollt schön mit Schwungspitzen-Geschwindigkeit weiter, bleibt schnell und spart gleichzeitig Sprit. Wenn der Computer nicht automatisch hochschaltet, kann man da ebenfalls manuell nachhelfen.

Kurzum: Mit ein wenig Erfahrung und Hirnschmalz kann ein engagierter Fahrer diesen TGM sehr gleichmäßig und schnell über die Landstraße bewegen. Was die Schnelligkeit angeht, ist sicher das auf 22 Tonnen reduzierte Gesamtgewicht ein großer Vorteil. Unseren Zehn-Prozent-Testberg stürmt der TGM mit 44 km/h im Schnitt hoch und wird dabei nicht langsamer als 37 km/h an der steilsten Stelle. Nur zum Vergleich: Der mit 32 Tonnen zwar deutlich schwerere, mit 320 PS aber auch etwas kräftiger ausgestattete Volvo erreichte hier Werte von 40,4 km/h im Durchschnitt und 28 km/h an der langsamsten Stelle. Der Schwede war freilich mit einem grob gestuften 8-Gang-Getriebe ausgerüstet, der MAN kann immerhin zwischen zwölf feiner abgestuften Gängen wählen. Die flotten Bergzeiten zeigen aber auch, wie gut der 6,9-Liter-Motor des TGM im Futter steht.

Auf der Autobahn verbraucht er mit 26,3 Litern (immer pro 100 km) praktisch genau so viel wie der schwerere, ber mit weit besserer Aerodynamik ausgestattete Volvo. Die Landstraßen-Prüfungen absolviert der Münchner durch die Bank rund zwei Liter sparsamer als der Schwede. Das überraschende daran ist, dass der MAN in dieser Konstellation sogar als relativ sparsam bezeichnet werden muss. Offenbar haben die Motoren-Bauer in Nürnberg diesen AGR-Motor mit Registeraufladung ohne gravierende Verbrauchsnachteile hinbekommen. Beim Gewicht freilich fehlen ihm vier Tonnen zum Standard-26-Tonner. Und das bestätigt im Grunde, dass die reine AGR immer dann funktioniert, wenn die möglichen Gewichte nicht ganz ausgereizt werden.

Ladungsschonende Federung

Ob ein Getränke-Lkw, der überwiegend solo eingesetzt wird, eine luftgefederte Vorderachse braucht, darf zumindest bezweifelt werden. Die MAN-Lösung federt ladungsschonend, leise und das Fahrerhaus ist auch ausreichend steif gelagert. Das Ganze ist zwar sorgfältig abgestimmt, der Einfluss auf die Lenkung ist jedoch spürbar: Der TGM mit lufgefederter Vorderachse läuft bei Weitem nicht so spurstabil wie eine an Parabelfedern geführte Vorderachse und verlangt mehr Aufmerksamkeit auf engen Straßen. Ob das den Vorteil der Absenkbarkeit der Ladefläche wettmacht? Es mag Einsätze dafür geben, notwendig ist die luftgefederte Vorderachse nicht.

(Autor: Robert Domina)

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