Mercedes Citan: Schwäbische Akribie trifft auf Renault Kangoo - knuffig-kugelige Silhouette: Mercedes-Benz Citan: AdBlue - Ohne Zusatz sauber

Mercedes-Benz meint es ernst mit dem Citan – und war mit der AdBlue-freien Euro-6-Version schneller als das Original. Auch sonst bietet der City-Van in mancher Hinsicht mehr.

Bilder: J. Reichel
Bilder: J. Reichel
Johannes Reichel
Mercedes Citan

Es wäre unfair zu behaupten, der Mercedes Citan sei nichts anderes als ein Renault Kangoo mit Stern drauf. Denn auch wenn wahrscheinlich einige stolze schwäbische Designer und Ingenieure die Entscheidung ihrer Chefs nur zähneknirschend zur Kenntnis genommen haben, mit Renault zu kooperieren, statt ein teures eigenes Fahrzeug auf die Räder zu stellen: Die Modifikationen nahmen sie mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und gewohnter schwäbischer Akribie vor. Und so fühlt sich der Citan natürlich irgendwie an wie ein Kangoo, sieht vor allem von der Seite mit seiner knuffig-kugeligen Silhouette auch unleugbar so aus. Aber er fährt sich in vielen Belangen einfach ein bisschen besser.

Konsequenterweise preschte Daimler auch mit der Euro-6-Lösung dem französischen Urheber voran und stellte diese bereits im Juni 2015 der Öffentlichkeit vor. Beste Nachricht für die Kunden: Es klappt auch ohne aufwendige und teure SCR-Technik, obwohl man ja in Sachen Abgasstandards vorsichtig geworden ist – und die 1,5-l-Renault-Maschine sich bei den KBA-Abgastests auch nicht mit Ruhm bekleckerte.

Bleibt zu hoffen, dass der antriebsidentische MB Citan CDI die strengste Abgasnorm nicht nur im Labor hält. Dabei hilft ihm neben dem internen Niederdruck-AGR ein externer NOx-Katalysator, der die Stickoxide in einem nachgeschalteten Prozess ähnlich wie beim Partikelfilter einfängt und in zyklischen Prozessen abfackelt.

Davon bekommt der Fahrer herzlich wenig mit, außer vielleicht in Form eines leicht erhöhten Spritverbrauchs. Wobei dieser, um die spannendste Frage gleich zu beantworten, mit 6,5 l/100 km über unsere anspruchsvolle Testrunde in Ordnung ging. Vor allem auch bei der Stadtfahrt mit viel Stop-and-go-Betrieb und 40 vorgegebenen Haltepunkten hielt sich der Durst der 1,5-Liter-Common-Rail-Maschine mit 6,8 l/100 km noch im Zaum. Und er wäre vielleicht noch einen Tick besser gewesen, hätte sich das bei Euro 6 serienmäßige „Blue-Efficiency“-Paket enthaltene und normalerweise flott agierende Start-Stopp-System (neben Batteriemanagement und Spritsparreifen) zum Dienst gemeldet, wie man es bei moderaten elf Grad Celsius Außentemperatur und trockener Witterung eigentlich erwartet hätte.

Und das hätte wiederum den Geräuschlevel beim Ampelstopp weiter gesenkt. Nicht, dass es laut zuginge im Citan: Der von Haus aus kultivierte Renault-Diesel befleißigt sich sogar nach einer kühleren Frühlingsnacht guter Manieren und verfällt rasch in einen gleichmäßigen, vibrationsarmen Lauf. Zudem zeigt er sich noch etwas besser isoliert als im französischen Original. Überland bewegt sich der Spritkonsum (mit Winterreifen) dann wenigstens näherungsweise in Richtung der optimistischen Werksangabe (4,4 l/100 km nach NEFZ-Zyklus) und fällt auf 5,4 l/100 km, um dann auch bei moderater Autobahnfahrt nicht nach oben „auszureißen“ mit 5,8 l/100 km.

Kraftvoller Vortrieb

Wobei die 110-PS-Topversion leistungsmäßig nichts anbrennen lässt. Selbst mit den der City-Van-Klasse angemessenen 400 Kilo Ballast an Bord fühlt man sich fast üppig motorisiert, hält in Stadt und Land mehr als gut mit. Dass die jetzt 260 Nm Drehmoment bereits bei 1.750/min anliegen, merkt man etwa beim Durchbeschleunigen aus Ortschaften, wo der VTG-geladene Motor spontan anspricht und kleinere Steigungen in Stufe sechs bewältigt. Brummen ist ihm dabei fremd, selbst wenn man bei 1.100/min mit 60 km/h dahinzuckelt. Und wenn es sein muss, beschleunigt der drehfreudige Motor die Zwei-Tonnen-Fuhre aus dem Stand flott auf Tempo 100, sekundiert von einem nahtlos gestuften Sechsganggetriebe. Das lässt sich übrigens viel präziser schalten als die wächserne und langwegige Version beim Original. Das gilt auch für die weit präziser greifende Kupplung und die mit strammerem Pedalgefühl zupackende Bremse. Im beladenen Zustand ist es manchmal fast zu viel des Guten und der Citan zeigt Traktionsprobleme, die das ASR aber zuverlässig regelt. Auch Marschtempo 130 km/h hat der Motor selbst durch die Hügel der Hallertau immer im Kreuz, ohne dass man zurückstufen müsste.

Dass die mit einer schweren Flexi-Bank („Fold&Load“) ausgestattete, fünfsitzige Langversion Citan Mixto mit 1.620 Kilo Leergewicht kein „Stadtfloh“ ist, ist klar und damit liegt der Citan auf dem allgemeinen adipösen Niveau der Transporterklasse. Das Verhältnis Nutzlast/Gesamtgewicht könnte also besser sein. Dafür kommt das Fahrwerk mit dem Gewicht bestens klar. Auch hier gilt: Der Citan ist der bessere Kangoo, neigt sich weniger in den Kurven, liegt knackiger und straffer auf der Straße. Nur gut, dass die straffer gepolsterten und besser konturierten Sitze ausreichend Halt geben. Die Lenkung vermittelt darüber hinaus mehr Präzision, wenngleich sie um die Mittellage etwas starrig wirkt. Mit dem langen Radstand der Maxi-Version liegt der Citan auch auf der Autobahn spurstabil, selbst bei strammem Seitenwind. Übrigens zeigt der Citan ein zum Kangoo niedrigeres Geräuschniveau, Wind- und Abrollgeräusche sind wirksamer unterdrückt.

Mäßige Ergonomie

Haben die Daimler-Ingenieure hier ihre Hausaufgaben gemacht, fallen andernorts kleinere Mankos umso mehr auf: Die so gar nicht Mercedes-like modifizierte Armaturenlandschaft ist in ihrem klobigen Burgdesign eher verschlimmbessert und im Vergleich zum Original weder praktischer, weil im oberen Bereich völlig ablagenfrei, noch schön. Außerdem trübt die hoch aufragende Kunststoffhutze den Blick weiter ein, der Kangoo ist mit seiner wuchtigen Front, der stattlichen Breite und den raumgreifenden A-Säulen ohnehin nicht das übersichtlichste Fahrzeug. Den funktionsüberladenen Blinkerhebel verwechselt man öfter mit dem Tempomatstock, in Sachen Ergonomie ist man aus den Original-Daimler Besseres gewohnt.

Immerhin geben die griffigen und angenehm hoch platzierten Drehregler der Lüftung keine Rätsel auf. Neuerdings kann man für den Citan immerhin noch eine Beifahrersitzbank ordern und ihn zu einem zumindest für Kurzstrecken und Kurzbeiner tauglichen gewerblichen Dreisitzer machen. Oder die Rückenlehne des mittleren Sitzes als großzügige Schreibunterlage nutzen. Gut gefällt auch das kompakte, leider nicht ganz billige Radio-Navigationssystem mit kleinem, superscharfem TFT-Screen im DIN-Schacht-Format sowie das clever gemachte Rückfahrkamera-Display im Innenspiegel. Das ist einem beim Rangieren umso hilfreicher, als die klein geratenen Spiegel keinen Bodenblick gewähren.

Im Ladeabteil übernahm der Citan allerdings die Mankos seines Genspenders, ohne dass Daimler eingreifen konnte. So wirken etwa die dürren Griffe alles andere als Mercedes-mäßig, die Schiebetür rappelt ungut durch die Führung, rastet schlecht ein und die Hecktür schnappt gemein zurück, statt fest zu arretieren.

Beim Kombi mit Laderaumverkleidung passt bei 1,17 Meter Ladebreite zwischen den Radkästen keine Palette quer rein, das wird aber sowieso eng, bei exakt 1,20 Meter Hecktüröffnungsbreite. Da bieten andere Vans wie der Berlingo oder Ford Connect mehr „Verladesicherheit“. Ob die flexible und klappbare Trennwand-Bank-Kombi der letzte Schrei ist, sei dahingestellt. Weder sitzen die Passagiere auf der unkonturierten und brettharten Bank gut noch lässt sich auf der Rückseite im umgeklappten Zustand Ladung wirklich gut verstauen.

Alternativ: Turbobenziner

Noch wichtiger für alle, denen die Diskussionen um Euro 6, Abgasnachbehandlung und verschärfte Umweltzonen zu viel sind: Mit dem spritzigen, kultivierten 1,2-Liter-Direkt­einspritzer-Turbo-Benziner, bei Renault TCE genannt, bietet auch Mercedes eine ohne größere „Reinigungseinrichtungen“ Euro-6-saubere und zukunftssichere Alternative, die mit 190 Nm Drehmoment und 114 PS nicht schwach auf der Brust ist. Und die sich jetzt zudem koppeln lässt mit einem schnell und ruckfrei schaltenden Doppelkupplungsgetriebe namens DCT, für die City-Belieferung eine enorm geschmeidige Kombi. Die könnte man sich dann leisten, wenn man zum Topdiesel 1.300 Euro an Anschaffungskosten gespart hat, die der Benziner billiger kommt. Der Turbo-Otto liegt auf dem Niveau des 90-PS-Diesel.
 

Mehr denn je gilt: Es muss vielleicht nicht immer Diesel sein. Zumindest, wenn man kein Vielfahrer ist, sind die 6,1 l/100 Verbrauch (oder 140 g/CO2 pro km) ebenfalls vertretbar. Diesel- und Otto-Fahrer werden sich aber gleichermaßen über die 40.000 km Wartungsintervall freuen, die alle Citan bieten. Johannes Reichel


MB Citan 111 CDI

Motor + Getriebe

1,5-l-Turbodiesel mit Common-Rail-Direktein­spritzung, 2 Ventile pro Zylinder, Steuerkette, VTG-Turbolader Leistung: 110 PS (81 kW) bei 4.000/min Max. Drehmoment: 240 Nm bei 1.750-2.750/min Euro 6 (NOx-Kat/EGR/DPF), Vorderradantrieb
Antrieb: Manuelles Sechsgang-­Schaltgetriebe
Wartungsintervall: 40.000 km oder 2 Jahre

Fahrwerk + Bremsen

Einzelradaufhängung McPherson, Schrauben­federn, Verbundlenker-Hinterachse, Schrauben­federn, Stoßdämpfer; Scheiben­bremsen vorne + hinten, Reifen: 195/65 R15 ­Conti Winter Contact; adapt. ESP inkl. Hill Holder

Maße + Gewichte

L x B x H: 4.705 x 1.829 x 1.839 mm; Radstand: 3.081 mm; L x B x H Laderaum ­(gemessen): 1.950 x 1.420 x 1.260 mm; Ladevolumen: 3,8 m³; Breite zw. Radkästen: 1.170 mm; B x H Schiebetür: 640 x 1.230 mm; B x H Hecktür: 1.200 x 1.140 mm; Diagonale Seite: 1.290 mm; Diagonale Heck: 1.560 mm; Ladekante: 440 mm; Wendekreis: 12,4 m; Leergew. (Testwagen, inkl. Fahrer, voller Tank): 1.620 kg; Test: 2.020 kg (400 kg Ballast); Gesamtgewicht: 2.200 kg; Nutzlast: 580 kg; Achslast v/h: 1.125/1.240 kg; Anhängelast (gebr.): 1.050 kg; Tanks: 60 l Diesel

Messwerte/Verbräuche

Test gesamt: 6,5 l/­100 km Diesel; City: 6,8 l/100 km; Landstraße: 5,4 l/100 km; Autobahn: 5,8 l/100 km; Langstrecke BAB: 8,2 l/100 km (908 km, 100-130 km/h); Elastizität: 80 – 120 km/h (oberster Gang): 18,4 s; Geräusch (Stand/80/120 km/h): 47,9/63,3/66,8 dBA

Service + Preise (in Euro o. MwSt.)

Grundpreis: MB Citan 111 CDI L2 ­Kasten: 19.580,- Mixto: 20.250,- (2 Schiebetüren, verglast, 5 Sitze)
Serie: ESP inkl. Hill ­Holder, BlueEfficiency-Paket inkl. Start-Stopp, Batteriemanagement, Eco-Reifen, Lenkrad höhenverstellbar, Schiebetür rechts, Fensterheber elektr., ZV inkl. Fernbed., 8 Zurrösen, Trennwand starr, Bordcomputer, Airbag Fahrer, Follow-Me-Home-Automatik, Dachgalerie
Extras: Schiebetür links 311,- / Moduwork-Trennwand klappbar 794,- / Tempomat 279,- / Reifendrucküberwachung 154,- / Radio-CD-Navi 859,- / el. verst.+beh. Außensp. 176,- / ­Einparkhilfe 311,- / Rückfahrpilot inkl. Kamera 566,- / AHK fest 568,- / Klima 980,- / Licht/Regensensor 156,- / Fahrersitz höhenverst. 126,- / Beifahrersitz einklappbar 196,- / Beifahrersitzbank 2er 196,- / Thoraxbag Fahrer 219,- / Seitenschiene mit Zurrösen 126,- / Holzverkleidung 342,- / Holzboden 332,- / Leiterklappe 425,-

Pro + Contra

+ Spritziger Motor, sicheres Handling, guter Komfort, Euro 6 o. AdBlue, gute Ausstattung
- Mäßige Ergonomie und Karosseriequalität, Kombi mit geringer Breite zw. Radkästen

So testet LOGISTRA

Jeder Transporter im LOGISTRA-Profi-Test hat die gleiche Strecke mit der nach Fahrzeugklasse gleichen Transportaufgabe (Ballast 400/600/800 kg) zu absolvieren. Auf der Autobahn ist ein Schnitt von 120 km/h Pflicht, auf der Landstraße gilt 100 km/h. Die Route enthält mehrere Teststeigungen. Die neue City-Runde geht über 15 km im Stadtverkehr und sieht 40 Stopp- und Anfahrvorgänge vor.

Fazit

Der Mercedes Citan liefert, abgesehen von den Defiziten in Sachen Qualität und Ergonomie, eine solide Vorstellung ab. Er fährt sich anständig, federt komfortabel, der Motor gibt sich recht sparsam und kultiviert. Obendrein führt der Citan den Pluspunkt „sauber ohne AdBlue“ ins Feld, in dieser Klasse nicht unwesentlich. Er mag kein echter Mercedes sein, in jedem Fall ist der Citan der bessere Kangoo.

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