Gute und nachhaltig produzierte Lebensmittel sind ein Erfolgsrezept der Wernsing Feinkost GmbH im niedersächsischen Addrup-Essen (Oldenburg). Ihr wachsendes Sortiment aus Kartoffelprodukten, Antipasti, Brotaufstrichen, Desserts, Dressings, Dips und Saucen, Marinaden, Pasten, Pikantem, Salaten, Suppen und Eintöpfen erreicht Genießer über Fachgroßhandel, Einzelhändler, Discounter und Industriepartner. Als Teil der Wernsing Food Family mit elf Produktionsstandorten in Deutschland und 15 in weiteren europäischen Länden erwirtschaftet die Unternehmensfamilie mit 4.600 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 1,6 Milliarden Euro.
Am Wernsing-Stammsitz Addrup-Essen mit 1.600 Mitarbeitern hat die Westfalia Technologies GmbH & Co. KG im Jahr 2022 mit einem automatischen Kühllager und zwei automatischen Tiefkühllagern die Kapazität von bislang 61.000 Stellplätzen um 23.000 Stellplätze für Euro-, Industrie-, H3- und Einwegpaletten erweitert. Dabei überzeugte der Intralogistikspezialist mit seiner besonders material- und palettenschonenden „Satelliten“-Technologie für die dynamische, stabile und kompakte mehrfachtiefe Lagerung.
Maximale Kapazität
Die Herausforderung, vor der Wernsing als Produzent von Kartoffelprodukten stand: saisonale Kartoffelernten vollständig zu verwerten, also geballt zu verarbeiten und an einem einzigen Standort bis zum Verkauf einzulagern.
„Auf einer stark begrenzten Grundfläche sollte maximale Kapazität entstehen“, beschreibt Fabian Spitz, Vertrieb Technologien & Systeme bei Westfalia, das Ziel. „Unsere mehrfachtiefen Kompaktlager haben einen Raumnutzungsgrad von circa 95 Prozent, nutzen stark beschnittene Grundflächen optimal.“
Die Herstellung von tiefgekühlten Kartoffelartikeln und ungekühlt haltbaren Lebensmitteln wird in der Regel in größeren Chargen realisiert.
„Die Satellitenlager mit enormer Lagerdichte und Kapazität auf minimaler Fläche passen ideal zu unserer Sortimentsstruktur“, bestätigt Alfred Kessen, Geschäftsführer Materialwirtschaft und Einkauf der Wernsing Feinkost GmbH. „Die mehrfachtiefe Lagerung ist für uns wesentlich kostengünstiger als eine Einzelplatzlagerung.“
Stabile Konstruktion
Über lange Zeit hohe Gewichte – in diesem Fall rund eine Tonne schwere Einheiten mit Kartoffelprodukten – einzulagern, belaste Paletten enorm. Dadurch bögen sie sich in Lagern mit Zweifachunterstützung durch, es könne zu Störungen kommen. Mit der Kombination einer Dreifachauflage – einer zusätzlichen Mittelschiene in den Lagerkanälen – und dem Lastaufnahmemittel „Ketten-Satellit“ ermögliche Westfalia lange Standzeiten bei hoher Verfügbarkeit der Anlage durch eine besonders stabile Lagerung und langlebige, zuverlässige Technik. Der Kunde könne so auf Einwegpaletten ohne Unterpalette lagern, beispielsweise für den Export bestimmte Artikel, sagt Fabian Spitz von Westfalia.
Zurückgreifen konnte Westfalia bei der Konzeption auf eine besonders große Bandbreite verschiedener „Satelliten“ für den Transport einzelner oder mehrerer Ladeeinheiten auch ungewöhnlicher Formate, statt auf wenige Standard-Shuttle angewiesen zu sein. Mit diesem Baukasten könne man die Lagersysteme auf jede Anforderung feinjustieren.
Das gewählte Lagersystem habe auch in Kombination mit den energieeffizienten Regalbediengeräten überzeugt. Diese verfügen über intelligente Antriebssteuerungen für den Energieausgleich zwischen Fahr- und Hubachse – Bremsenergie wird zum Beispiel als Hubenergie zur Verfügung gestellt – sowie Strom ins System zurückgespeist. Auch das Lagerlayout senke den Energieverbrauch. Denn die mehrfachtiefen Lager kommen mit nur drei Lagergassen und Fahrzeugen im Stand-by aus, und die hohe Lagerdichte reduziert den zu kühlenden Raum.
Bündelung der Logistik
Die Logistik konnte durch die hohe Kapazität am Standort wirtschaftlich und ressourcenschonend gebündelt werden.
„Im Rahmen unseres kontinuierlichen Wachstums haben wir bislang zunehmend externe Lagerkapazitäten genutzt. Große Warenmengen mussten aus logistischen Gründen wieder in unser Zentrallager zurückgeführt werden“, schildert der Geschäftsführer Materialwirtschaft und Einkauf. „Wernsing verfügte zuvor schon über 61.000 Stellplätze zur Bevorratung mit Lebensmitteln.“
Dass das automatische Lagersystem Lagerprozesse effizienter und sicherer mache, sei auch bei der sozialen Betrachtung wichtig, so Kessen. Man stelle sich mit den automatischen Lagern auch dem Fachkräftemangel und den herausfordernden Arbeitsbedingungen im Tiefkühlbereich. Man wollte den Personalbedarf zur Ein- und Auslagerung geringhalten und zugleich die Arbeitsbelastungen senken. Die Mitarbeiter in der Intralogistik sollen zunehmend überwachende Aufgaben erfüllen.
Ein besonderes Feature der Westfalia-Lager sind zudem die Wartungslifte an den Regalbediengeräten (RBG). In den extremen Kühl- und Tiefkühllagerumgebungen, die außerdem für den Brandschutz inertisiert sind, entlasten die Lifte das Personal. Servicemitarbeiter erreichen damit jeden Punkt in den 30 Meter hohen Lagern.
Westfalias Projektplaner und Ingenieure fanden gemeinsam mit Wernsing eine Balance zwischen Kompaktheit und Zugriffsfrequenz. Die Zugriffshäufigkeit fällt geringer aus als bei Einzelplatzlagern, bietet sich aber bei sortenreinen Kanälen und längeren Lagerzeiten an. Insgesamt 17.000 Plätze für Europaletten bieten die beiden 56,5 Meter langen, 30 Meter hohen und 62,2 Meter beziehungsweise 41,6 Meter breiten TK-Lager für bis zu 1.050 Kilogramm schwere Ladeeinheiten. Das 61 Meter lange, 9,2 Meter breite und 30 Meter hohe Kühllager kommt, gemessen an Industriepaletten, auf 2.988 Stellplätze für bis zu einer Tonne schwere Ladeeinheiten. Insgesamt ist, je nach Formaten, für bis zu 23.000 Einheiten Platz.
Eine weitere Besonderheit sei die Flexibilität des Lagerlayouts. Die beiden TK-Lager wurden um 20 Grad gedreht an das Kühllager gebaut, um die Grundstücksgrenze zu berücksichtigen. Der zur Verfügung stehende Raum wurde mit abgestuften Kanaltiefen genutzt. 24 Stellplätze stellt der tiefste Lagerkanal bereit.
Die eigengefertigten RBG wurden inklusive SPS geliefert. Integriert wurde das Lagersystem in ein bereits bestehendes automatisiertes Materialflusssystem. Wände, Regale und Dach der Neuanlage in selbsttragender Silobauweise hat Westfalia integriert und die Anlage softwareseitig an eine bereits bestehende Logistiksoftware angebunden.
Elektrohängebahn
Die Elektrohängebahn des Bestandssystems, die die Einheiten aus der Produktion zu den Lagern – oder von dort zum Versand – transportieren, ist über Paare L-förmiger Ein- und Auslagerstränge des Westfalia-Systems an jede der drei Lagergassen angebunden. Nach einer Konturenkontrolle passieren die Paletten auf den Förderern je eine Schleuse mit vertikalen Toren.
Diese Schleusen schirmen die für den Brandschutz sauerstoffreduzierten Lager ab. Die Förderer transportieren die Paletten jeweils auf einen Drehtisch, der sie für die Übergabe an die RBG zur Gasse dreht. Die Auslagerstränge sind entsprechend aufgebaut.
Realisiert hat Westfalia das Projekt ab Dezember 2020, im Juni 2022 gingen die neuen Lager in Betrieb, Ende Oktober waren sie mit Produkten aus der aktuellen Kartoffelernte gefüllt. Die Produkte lagern dort bis zum vollständigen Verkauf. ts
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