Daimler-Vorstand: 40-Tonnen-Truck hat Energie eines Pkw mit 400 km/h - aktive Sicherheit hilft: Selbstfahrende Lkw: Die Sicherheitsstrategie von Mercedes-Benz
Ein 40-Tonnen-Truck mit einer Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern hat die kinetische Energie eines Pkw mit 400 Stundenkilometern“, so bringt Wolfgang Bernhard, Daimler- Vorstand Trucks und Busse, die Gefahr auf den Punkt. Bei einem Aufprall mit dieser Energie reiche beim Lkw keine passive Sicherheit, wie sie sich beim Pkw zum Beispiel durch eine Knautschzone erreichen lässt. „Da hilft nur aktive Sicherheit, Systeme zur Unfallvermeidung“, so Bernhard.
Daimler sieht sich dabei als Pionier: 1981 ABS, 1986 Antriebsschlupfregelung, 2000 Spurhalteassistent, 2001 ESP, 2006 Notbremsassistent und 2012 Aufmerksamkeitsassistent, führt der Daimler-Lkw-Chef an. Neue Assistenzsysteme wie Abbiegeassistent, die sogenannte Mirror-Cam- Technologie, Notbrems- oder Spurhalteassistent sollen künftig den Weg zum unfallfreien Fahren vorantreiben. Bei der Mirror Cam soll durch rechts und links im Fahrerhaus angebrachte Monitore in Verbindung mit Außenkameras die Sicht verbessert werden. Außerdem sinke aufgrund des im Vergleich zu Außenspiegeln geringeren Luftwiderstands der Kraftstoffverbrauch, verspricht Bernhard. „Heute sind die Rückspiegel so groß wie Elefantenohren.“ Die Technologie sei inzwischen in einem internationalen Genehmigungsverfahren, das 2016 abgeschlossen sein sollte. Weiterentwickelt wird von Daimler der Notbremsassistent, der in der aktuellen dritten Generation „Active Brake Assist 3“ (ABA3) den Lkw vor stehenden Hindernissen – falls nötig – bis zum Stillstand abbremst. Mehr als die Hälfte aller Auffahrunfälle mit schweren Nutzfahrzeugen lassen sich laut Experten auf diese Weise vermeiden. In einer nächsten Stufe soll der Notbremsassistent Fußgänger und Radfahrer erkennen.
Dauert: Abbiegeassistent
Eine weitere Neuerung ist der Abbiegeassistent, den Daimler Trucks in „absehbarer Zeit“ als erster Hersteller bringen will. Das System, das Personen im toten Winkel erkennt, könne nach Expertenschätzungen die Hälfte aller Lkw-Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern verhindern, hieß es. Weiterentwicklungen soll es auch beim Spurhalteassistenten geben. Heute schon warnt das System optisch und akustisch, wenn der Lkw abzukommen droht. Im nächsten Schritt wird er bei Gefahr aktiv die Spur halten und gegenlenken. Die neuen Assistenz- und Sicherheitssysteme sollen erst einmal jedes für sich helfen. Ein Quantensprung in Richtung unfallfreies Fahren werde allerdings erst durch deren intelligente Kombination stattfinden, glaubt man bei Daimler. „Wenn wir alle Sensorsysteme eines Lkw für Längsund Querdynamik kombinieren, steigern wir die Sicherheit unserer Fahrzeuge noch einmal erheblich“, erklärte Bernhard. Lkw seien dafür prädestiniert. Während Pkw im Schnitt pro Jahr knapp 12.000 Kilometer zurücklegen würden, seien es bei Lkw im Fernverkehr 130.000 Kilometer.
„Unsere Forscher haben festgestellt: Wenn ein Lkw im autonomen Modus unterwegs ist und der Fahrer andere Aufgaben erledigen kann – zum Beispiel auf einem Tablet-PC – sinkt die Ermüdung um 25 Prozent. Autonomes Fahren ist also ein weiterer großer Schritt in Richtung unfallfreies Fahren“, sagt Bernhard. Im Juli vergangenen Jahres hatte der mit dem intelligenten „Highway Pilot System“ ausgerüstete „Mercedes-Benz Future Truck 2025“ auf einem Autobahnteilabschnitt bei Magdeburg seine autonome Jungfernfahrt absolviert. Im Mai 2015 erhielt Daimler im US-Bundesstaat Nevada die weltweit erste Straßenzulassung für den ebenfalls mit dem Highway Pilot ausgestatteten „Freightliner Inspiration Truck“.
Bernhard spricht lieber von einem „teilautonom fahrenden Truck“. „Nach wie vor ist der Fahrer nicht nur an Bord, sondern er hat die volle Kontrolle wie ein Pilot im Flugzeug“, erklärt er. Damit das Realität werden kann, müsse allerdings die neugefasste Wiener Konvention in deutsches Recht übertragen werden. Das sei Voraussetzung, dass der Fahrer das Führen des Lkw Assistenzsystemen überhaupt überlassen dürfe. Zudem sollten Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrt-Bundesamt schon jetzt den Zertifizierungsprozess anstoßen. Schließlich seien auch die EU-Verantwortlichen in Brüssel gefordert, die Richtlinie ECE R79 anzupassen, die autonomes Fahren bislang nur bis zu einer Geschwindigkeit von zehn Stundenkilometern erlaubt. Bernhards Appell: „Die Politik muss ermöglichen, dass wir autonome Trucks zügig auf die Straße bringen. Die Vorteile für mehr Sicherheit und Effizienz im Güterverkehr liegen auf der Hand.“ Immerhin: Der Bundesverkehrsminister hat schon mal einen Runden Tisch „Automatisiertes Fahren“ eingerichtet.
tbu/jr
Daimler Lkw-Motor
Überarbeitet: Künftiges Standardaggregat soll drei Prozent sparsamer sein
Daimler hat in Berlin die neue Generation des Sechszylinder- Reihenmotors „OM 471“ für schwere Lkw vorgestellt. Mit der Einführung des OM 471 war Daimler im Jahr 2011 mit dem neuen „Actros“ von Mercedes-Benz in die Euro-VIWelt gestartet.
Der Motor, der ab Oktober für den Actros lieferbar ist, wurde nun grundlegend überarbeitet. Laut Daimler konnte der Kraftstoffverbrauch noch einmal um drei Prozent gesenkt werden. Bei der Weiterentwicklung habe man vor allem Optimierungen bei technischen Details vorgenommen, so Elmar Böckenhoff, Nutzfahrzeugmotorenchef bei Daimler, anlässlich der Präsentation der neuen Motorengeneration im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung „Shaping Future Transportation“ in Berlin-Schönefeld. Darüber hinaus wurden dem Aggregat aber auch einige wirkliche Neuheiten spendiert. Dazu zählen die neueste Generation des Einspritzsystems „X-Pulse“, ein noch höheres Drehmoment bereits bei niedrigsten Drehzahlen, eine patentierte Lösung für die Abgasrückführung sowie ein maßgeschneiderter asymmetrischer Turbolader, bei dem es nun anstelle der bisherigen AGRKlappe im AGR-Pfad eine weit nach vorn verlegte AGRKlappe im Abgaskrümmer gibt, und zwar deutlich vor dem Eintritt des Abgases in den Turbolader. Ein Novum dabei: Daimler hat sich entschlossen, statt auf ein Zulieferprodukt zu vertrauen, den Turbolader in eigener Regie im Motorenwerk Mannheim herzustellen.
Zudem wurden die Leistungsvarianten erweitert. Dem Kunden stehen vom kleinsten Motor mit 421 PS/310 kW mit einem Drehmoment von 2.100 Nm bei 1.100 U/min bis zum neuen Spitzenmotor mit 530 PS/390 kW (2.600 Nm bei 1.100 U/min) fünf verschiedene Grundausführungen zur Verfügung. Mit dem neuen Motor könne der Kunde bei einer Jahreskilometerleistung im Fernverkehr von 130.000 Kilometern rund 900 Euro pro Fahrzeug aufgrund des geringeren Kraftstoffverbrauchs im Vergleich zur Vorgängerversion sparen, versprach Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Lkw, in Berlin. Dabei sei der etwas höhere Verbrauch an AdBlue bereits berücksichtigt.
„Den Verbrennungsmotor immer weiter zu optimieren ist wichtig, genügt aber nicht. Wir müssen vom reinen Nutzfahrzeugeinsatz zu einem vollständig integrierten Ansatz übergehen“, erklärt Buchner. Damit würden sich die jährlichen CO2-Einsparungen in der Transportbranche mehr als verdoppeln können. tbu
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