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9. Smart City Logistik Kongress: Grüne Logistik braucht die Stadt - und die Welt!

Johannes Reichel

Bei der neunten Ausgabe des Smart City Logistik Kongresses im Volkshaus Jena, das der Softwarespezialist DAKO initiiert und veranstaltet, drehte sich mal wieder alles um bessere Lösungen für die Stadtlogistik. Standardisierung und Skalierung tun hier dringend not, wie auch der VISION mobility THINK TANK zu "Chancen und Grenzen des Lastenradeinsatzes" mit ausgewiesenen Experten debattiert.

Und es geht auch um mehr als nur bessere Fahrzeuge, nämlich auch effizientere Prozesse: Stichwort Zustellquote, die sich etwa mittels KI-Einsatz optimieren lässt - und gewaltige CO2-Sparpotenziale bietet, wie Benjamin Dauth, Green Convenience GmbH, darlegte in seinem Vortrag mit der programmatisch-selbstbewussten Ansage "Anwesenheitsvorhersage mit KI: Die Revolution der letzten Meile". Was das Element Mikrodepots beitragen kann, legte Daniela Kirsch vom Fraunhofer IML dar. Und wie sich mit den richtigen Ladungsträgern glatt 500 Millionen Pappkartons vermeiden lassen, präsentierte Matthias König von Allsafe GmbH mit der sogenannten ze:box.
 

 
Von Lastenrad bis Leichtmobil: Lösungen für die letzte Meile gibt es genug, die Verbreitung hapert noch. | Foto: J. Reichel
Von Lastenrad bis Leichtmobil: Lösungen für die letzte Meile gibt es genug, die Verbreitung hapert noch. | Foto: J. Reichel
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Allerdings: Nur mit Software lässt sich natürlich im realen Raum nichts befördern. Ohne Zustellfahrzeuge rollt kein Paket zum Kunden oder keine Lieferung in den Laden. Insofern waren auch die diversen Vertreter der "New Mobility", von Ari Motors über Cenntro mit ihren Leichtelektrolieferfahrzeugen oder E-Cargobikes wie Antric oder der E-Plattformwagen HopOn von Carit richtig platziert, um zu zeigen, dass es nicht immer das platzraubende Zustellkofferfahrzeug sein muss.

Beim SCLK war jedenfalls der Diesel als bisheriger "Benchmark" bereits Geschichte, wie Dr. Jens Klauenberg, LNC LogisticNetwork Consultants GmbH, darlegte. Er findet die bisherige, rein betriebswirtschaftlich fixierte Betrachtung ohnehin zu eng gefasst. Er mahnte statt Einzelfokus auf spezielle Branchen übergreifende kommunale Logistikkonzepte an, die aus verschiedenen Bausteinen wie etwa Mikrodepots, Lastenrädern, Nachtbelieferung oder organisatorischer Bündelung der Zuständigkeiten besteht. Und Klauenberg stellte auch die Leitfrage der gesamten Veranstaltung, die der Leiter Innovation und Forschung bei DAKO, Dr. Harald Hempel, zusammengestellt hat: Wie gelingt der Sprung von der Entwicklung zur Umsetzung der Konzepte?

Vemo: Man muss es wollen - und machen!

Eine Antwort darauf mitgebracht hatte etwa Paul Schwarzelühr von der Vemo Logistik - und dazu gleich sein Motto: "Man muss es nur wollen und tun!". Auch wenn die Cargobiketechnik noch nicht perfekt sei, sich allerdings rasant entwickle, ergebe sich bereits heute ein Business Case, der nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch funktioniert, wie der vor 2020 gestartete Jungunternehmer aus der Praxis in Bonn und Köln berichtet.

Er vergisst auch nicht, auf das Beispiel Amazons in London zu verweisen, wo bereits 500 Lastenräder eingesetzt werden, bei einem Unternehmen, das für knallhartes wirtschaftliches Kalkül bekannt ist. Die Energieeffizienz und Nutzlastrelation (140 kg leer, 210 Kilo Zuladung) der tricargo Lademeister-Bikes sei unübertroffen, das Zustelltempo in der Innenstadt sogar höher als bei großen Transportern. Schwarzelühr appellierte, keine "Angst vor Transformation" zu haben, denn diese sei durch die Klimakrise ohnehin zwingend notwendig und werde kommen. Firmen sollten die "Einmalkosten" für die Umstellung nicht scheuen. Und auch wenn Vemo nicht so stark unter Fahrermangel leidet wie die Transportbranche insgesamt, weil man einfach einen anderen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, perspektivisch sind auch autonome Anwendungen mit Lastenrädern durchaus interessant, wie der Jungunternehmer anmerkt.

Selbst ist das Lastenrad - zum Teil zumindest

Hier ist wiederum Dr. Tom Assmann, Urbane-Logistik-Wissenschaftler von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, an vorderster Front dabei. Unter seiner Ägide erforscht man "Lastenräder mit Hirn", kam aber schnell an die Grenzen des vollautonomen Fahrens, wie es auch in der Automobilbranche der Fall ist: zu komplex, zu teuer. So entstand das Projekt des automatisierten Lastenrads im EAASY-Projekt, das auch vom  Bundeswirtschaftsministerium unterstützt wird. Dabei wird die lange Strecke und komplexe Passagen manuell gefahren, auf der letzten Meile dann der "Come with me"-Modus aktiviert. Sprich, das automatisierte Cargobike folgt seinem Zusteller. Einige Tausend Euro Mehrkosten verspricht Assmann, der um die Margennöte der Logistiker weiß. Sodass das Konzept durchaus Chancen auf Realisierung hätte.

Südkurier: Aus der Verlags- und Brief-Not eine Tugend machen

Vor dem Hintergrund drastisch sinkenden Brief- und Prospektaufkommens entwickelte Jens Achilles von der SÜDKURIER CityLogistik ein Konzept, bei dem man aus der Not eine Tugend machte - und die Logistik und Transporte konsolidierte und hybridisierte. Auf jedem Weg nehmen die Fahrer der Verlagslogistik jetzt anderweitige Sendungen, die ja durchaus vorhanden sind, mit. Alles eine Frage der Vernetzung und Koordination, wie Achilles findet. Er verweist zudem auf die Transporthistorie, in der Lastenräder schon mal eine große Rolle spielten, als die Milchfahrer mit den charakteristischen Maggi-Boxen auf dem Cargotrike quasi jeden Haushalt ansteuerten.

Carit HopOn: Ohne Muskelkraft minimal-maximal transportieren

Hätte es das Carit HopOn damals schon gegeben, vermutlich hätten viele Lastenradler den E-Plattformwagen gewählt. Denn es sei nun mal nicht für Jeden und Jede vermittelbar, muskelbetrieben durch die Stadt zu pedalieren. Daher wollten die Münsteraner etwas schaffen, das eben irgendwo zwischen Lastenrad, Flurförderzeug und Van angesiedelt ist: Den HopOn. Das klappbare Elektroleichtmobil befördert in zwei Längen eine oder zwei Paletten und mindestens 200 Kilo bei minimalem Platzbedarf und schlanker Breite von nur 84 Zentimetern. Und schwimmt mit 30 km/h locker mit im ohnehin stets stockenden Stadtverkehr, fleißig rekuperierend, versteht sich. Zügig baut man das Portfolio aus: Thermo/Frigo-Box, Regenschutz, Anhänger. Jetzt braucht man nur noch höhere Stückzahlen, die dank eines Großauftrags in Sicht sind - und einen Produktionspartner, der das stemmt.

Grünfuchs: "Wir liefern nicht Pakete, sondern Veränderung"

Mit dem HopOn könnte auch Felix Dossmann von Grünfuchs in Göttingen etwas anfangen. Der umtriebige Logistik- und Prozesssoftwarespezialist warnt davor, nur in der "Last Mile"-Bubble zu verharren und die eigene Logistikdienstleistung stärker nach außen zu kommunizieren. "Pakete wollen alle, Paketfahrer keiner", bringt er es auf den Punkt. Er gründete mit Kompagnons seine eigene City-Logistik-Firma mit dem plakativen Wappentier, die emissionsfrei von der ersten (eActros/eScania) bis zur letzten Meile (StreetScooter/E-Lastenräder) liefert und dabei den Prozesse kräftig mit Software, IT, Navigation und automatisierter Sortiertechnik im Lager unterstützt.

Konsolidiert wird die Ware nicht nur von verschiedenen Versendern und Verladern, sondern man erledigt auch das Fullfillment für einen lokalen Haushaltswarenhändler, der damit seinen Online-Umsatz kurzerhand verfünffachte. Zudem fährt man eine ebenso sozial nachhaltige Linie mit Voll- und Teilzeitbeschäftigten sowie einem eigenen Weiterbildungsprogramm. Und das fängt bei einer Lastenradschulung erst an. Er findet und hashtagt: #esbrauchtnureinestadtdieanfängt. Besser könnte man das Motto des SCLK nicht auf den Punkt bringen.

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