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Tricargo Hamburg: Lastenräder und Logistik aus einer Hand

Johannes Reichel

Aus der Praxis für die Praxis, das ist das Motto der Hamburger Lastenradlogistiker und Hersteller Tricargo. Deren schweres E-Lastenrad fand auch schon beim "Cargobike of the Year" im vergangenen Jahr in Frankfurt großen Anklang. Für uns der Anlass, in Altona mal einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Und gemäß der Maxime der genossenschaftlich organisierten Firma sind auch räumlich Logistik und Produktion Seit an Seit vereint. In dem Gewerbeareal produzieren die überzeugten Lastenradlogistiker auf der einen Seite die "Lademeister", die auf der anderen Seite in der Kommissionierhalle gleich von den Lieferfahrern verwendet werden. Einen kürzeren Draht von der Straße zum Produkt hat man wohl selten. So gereift, soll bis 2023 die Lademeister-Produktion am Standort Altona bis auf 220 Exemplare gesteigert werden. Klar hat man auch das Commitment der Hansestadt im Hinterkopf, Lastenradlogistik massiv ausbauen zu wollen.

Gegenakzent: Hamburger Genossenschaft mit festem Kompass

Das sehen auch die Tricargo-eG-Vorstände Björn Fischer, André Claußen und Dispo-Leiter Guido Haagen so. Das Gründungsteam ist seit 2015 am Werk. Auf die Art ist überhaupt erst das Bike binnen vier Jahren Entwicklung entstanden, das mit einem praxisnahen Mix aus Motorrad- und Fahrradtechnik aufwartet, dazu ein robustes Pinion-12-Gang-Getriebe kombiniert, leichte Zugänglichkeit an Wartungspunkte sicherstellt und beim Award in Frankfurt mit leichtem Handling und top Wendigkeit bei toller Raumeffizienz und Beladbarkeit bestach.

Clou und Kernstück an dem Bike ist der aus Kantprofilen in Deutschland von einem Stahlbauspezialisten zusammengeschweißte, pulverlackierte und imposante Stahl-Rahmen, der aktuell eine gewisse Unabhängigkeit von fernöstlichen Lieferketten garantiert, wie Claußen erklärt. Gestartet ist man in der Logistik einst übrigens mit Radkutsche Musketier-Bikes, die in der Praxis aber zu filigran waren, wie der Gründer dem Impuls zur Eigenentwicklung erklärt.

 
Erfinden das Lastenrad neu: In der noch kleinen Produktion in Altona sollen nach dem Willen von André Claußen (re.) und Guido Haagen mal 200 Bikes jährlich entstehen. | Foto: J. Reichel
Erfinden das Lastenrad neu: In der noch kleinen Produktion in Altona sollen nach dem Willen von André Claußen (re.) und Guido Haagen mal 200 Bikes jährlich entstehen. | Foto: J. Reichel
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50:50: Nutzlast zu Gesamtgewicht

Mit 2,2 Kubikmeter Volumen bei echten 210 Kilo Nutzlast bei 425 Kilo Gesamtgewicht in dem tiefflurigen und in Hamburg-Altona aus Hartschaumpanelen zusammengebauten Kofferaufbau ersetzt der Lademeister ganz dem Namen nach wirklich einen kleinen Transporter. Allenfalls eine Seitentür fehlt noch und wurde schon von einem KEP-Dienst angemahnt. Aber man ist dran ... Obligatorsch sind die von unzähligen Nieten gehaltenen Alu-Profile, die die Robustheit ebenso erhöhen wie die massiven Gasdruckfedern der Heckklappe. Klar ist der "Lademeister" auch per Stapler beladbar.

Statt digitalem Antrieb eine gefühlvoll analoge Kette

Im Vergleich zu den mittlerweile immer verbreiteteren "digitalen" Antrieben per Generator, glänzt das tricargo auch mit einem schön "analogen" Fahrgefühl - und zur Not, wenn der großformatige Greenpack-Akku leer ist oder der robuste, sehr leise und gefühlvoll einsetzende 250-Watt-Mac-Motor an der Vorderachse doch mal zickt, kann man auch simpel per Kettenantrieb auf das rechte Hinterrad noch die Weiterfahrt angetreten werden. Im Prinzip hat man so einen Allrad oder einen redundanten Antrieb, wirbt Claußen. Die Kette selbst bekommt dabei nicht allzu viel Belastung ab, daher genügt eine Standardausführung, zudem leicht zugänglich. Nur das Schalten mit dem Pionon-Knauf darf man nicht vergessen, aber das fällt leicht und schnell findet man seinen Lieblingsgang nebst passendem Unterstützungsgrad und stuft in flachem Terrain wie Hamburg nur noch selten.

Motorradkomponenten sorgen für Robustheit

Für zuverlässige Verzögerung in den von robusten Heidenau-Moped-Reifen bemäntelten 20-Zoll-Motorradlaufrädern sorgt eine Motorradbremse hinten und vorne eine Magura Big, die Feststellbremse erfolgt ebenfalls hydraulisch auf das rechte Hinterrad und vom Lenker aus. Hier feilt man noch an einer RFID-Chip-basierten, "teilautomatisierten" Lösung, sobald der Fahrer absteigt, was die Sicherheit weiter erhöhen soll. Die Reifen sorgen auch für ordentliche Federung, auf eine gedämpfte Gabel verzichtet man da zwecks Reparaturminimierung und verbaut an der massiven Gabelbrücke dafür Alu und Edelstahl. Apropos Sicherheit: B&M-LED-Beleuchtung ist ebenfalls selbstverständlich, Blinker optional.

Fest angestellte Fahrer, wachsende Kundenzahl

Kein Wunder, dass die 37 fest angestellten Lieferfahrer und Mitarbeiter sich wohl fühlen mit dem Bike - und bei einem Arbeitgeber, der auf ein soziales Miteinander ebenso wert legt, wie auf flexible Arbeitszeiten und hohe Nachhaltigkeitsstandards. So erfüllt man mit der Lastenradbelieferung etwa problemlos die Anforderungen des Münsteraner Start-ups Liefergrün, im Prinzip eine Nachhaltigkeitsspedition für die Letzte Meile, für deren Kunden man in Hamburg Lebensmittel zustellt. Aber auch für die Deutsche Post, Biobob oder memo ist man schon im Einsatz. Hohe Nachfrage gibt es vor allem im Bereich Bio-Lebensmittel - und hier speziell mit minimierter Verpackung. Man setzt großteils auf Standardboxen, auf deren Maße auch der Aufbau ausgelegt ist.

Im Lager werden die Euro-Boxen vorkommissioniert, die Fahrer "picken" sich die Lieferungen aus den Rollwagen und verfrachten sie ins Heck des Bikes. Und los geht die nächste Lieferrunde, in Hamburg von drei weiteren dezentralen Mikrodepots aus. In mehreren "Wellen" fassen die Radzusteller ihre Waren nach, die einmal täglich von einem Großhändler per Lkw im Depot anlandet. Einen ausführlichen Bericht lesen Sie in der nächsten Ausgabe von LOGISTRA.

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