5. Nationale Radlogistik-Konferenz: Innovationen am laufenden Rad
Wie lässt sich die Radlogistik verbessern und zu einem wichtigeren Player in der Supply Chain zu machen? Bei der 5. Nationalen Radlogistik-Konferenz erstmals im Rahmen der IAA Transportation in Hannover umkreiste die Branche diese zentrale Frage auf einem fachkundig besetzten Panel mit Christiane Behrisch, Koordinatorin Wirtschaftsverkehr im Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München, Helge Neubauer vom Biketrailerhersteller Zemmi, Gründer und CEO Beres Seelbach von ONOMOTION sowie mit Theo Egberts von Denso. Als weitere Panelteilnehmerin steuerte die Leichtelektromobilitäts-Verfechterin Annette Eni von LEVI e.V. grundsätzliche Gedanken bei.
Zum Auftakt skizzierte Behrisch die Pläne der Stadt München: Die hat sich den ehrgeizigen Plan gesetzt, bis 2030 satte 30 Prozent des innerstädtischen Verkehrs aufs Rad zu verlagern. Seit vergangenem Jahr gibt es einen Radlogistikhub, der laut Behrisch mittlerweile aus allen Nähten platzt. 9.000 Stunden Standzeiten erspart, 280.000 Sendungen befördert. Parkdruck wird zudem reduziert. Wichtiges Argument sei es auch, den Ausbau der Radinfrastruktur als Faktor für den Wirtschaftsverkehr anzuführen.
Flächenverfügbarkeit als größte Hürde
Größte Hürde mit Abstand sei allerdings die Flächenverfügbarkeit. Nach langer Suche war hier über den bestehenden Pilotversuch mit dem 300-Quadratmeter-Radlogistikhub hinaus ein zur Skalierung und für kooperativen Betrieb in der Logistik geeignetes und zentral am Viehhof gelegenes Areal mit 3.000 Quadratmetern gefunden, das nun allerdings nach der Absage eines Interessenten nach weiteren Partnern für die städtische Radlogistik sucht. Das gestalte sich speziell im KEP-Bereich nicht einfach, so die Münchner Expertin für nachhaltige Stadtlogistik. Behrisch spricht von der Allianz der Willigen, die als Überzeugungstäter voranpreschen. Für die großen KEP-Dienste bestehe aber noch keine breitflächige Notwendigkeit zum Umstieg aufs Lastenrad. Es brauche fertige und hochwertige Lösungen, um Mitstreiter zu überzeugen. Viel Luft zum Experimentieren gebe es da nicht. Ein wichtiges Segment an Anwendern sei auch der Wartungs- und Servicebereich, den man aufs Lastenrad verlagern könne und müsse. Große Chancen lägen zudem in der Konsolidierung von Transporten.
Das Lastenrad wird zum Sattelzug
Hier könnte eine Innovation des Herstellers Zemmi einen Beitrag leisten: Erstmals wurde hier ein geräumiger Sattelauflieger für Lastenradanwendungen konzipiert, der zudem üppige Nutzlast von 450 Kilogramm bietet, bei einem Van-Volumen von vier Kubikmetern. Außerdem soll das Konzept, das in enger Zusammenarbeit mit dem Kölner Cargobikedienst Vemo entstand, sehr wartungsarm sein, duch Verwendung zahlreicher Automobilkomponenten wie auch Reifen und Räder. Durch das hohe Volumen kann Vemo zwei Touren in einer Tour bündeln und kommt im Liefergebiet damit in die schwarzen Zahlen. Effizienzgewinn: 20 bis 30 Prozent. Kompatibel sind grundsätzlich alle Fahrzeuge, bevorzugt aber Quads wie Vowag oder CityQ. Der Vertrieb erfolgt über den Händler Isicargo in Berlin.
ONO: Autonomes Lastenrad und Van als Microhub
Beres Selbach von ONOMOTION berichtete über neue innovative Projekte, die man jüngst aufsetzte. Darunter der Pilotversuch mit einem autonom folgenden ONO-Bike zusammen mit der Universität Magdeburg, das bist zu 20 Prozent Effizienzgewinne verspricht. Die Kombination aus Van und Bike erprobte man zusammen mit Mercedes-Benz Vans im Rahmen des nachhaltigen Lieferkonzepts Sustaineer. Dabei wir der Van zum rollenden Depot, der den Radcontainer mit transportiert und vor Ort auf ein ONO-Bike verlädt. Im nächsten Schritt soll das Konzept nun in München mit einem Kunden im Realbetrieb erprobt werden.
LMCC Cube: Aktivkühlung für Lastenräder
Wichtiges Element ist auch eine Kühltransportlösung wie sie Theo Egberts von Denso präsentierte. Man wolle temperaturgeführte Lieferungen nachhaltiger machen, so das Ziel des LMCC Cube, der mit aktiver Kühlung ausgestattet ist, komplett vernetzt mit überwachter Kühlkette und komplettem Service. Der Aufbau ist mit gängigen Euroboxen kompatibel.
Die Leichtelektro-Branche muss zusammenwirken
Annette Eni von LEVI verlangte ein neues "Narrativ" in der Mobilität und appellierte an die Solidarität unter den Anbietern leichter Elektromobilität. Diese träten bisher zu disparat auf. Man müsse vom E-Kickscooter, über Pedelecs bis hin zu leichten E-Vans die Hersteller zusammenbringen. LEVI ist ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördertes Innovationscluster für die Transformation der urbanen Mobilität mit Light Electric Vehicles.
Eni zweifelte zugleich daran, ob genügend Finanzkraft in nachhaltige und innovativen Mobilitätslösungen, die durchaus vorhanden seien, vorhanden sei. Zudem fehle der politische Wille, weil sich die Ampelregierung blockiere, vor allem durch die Antagonisten aus Grünen und FDP. Da genüge private und privatwirtschaftliche Initiative nicht, ermahnte sie die Politik. In Frankreich gebe es etwa eine dedizierte Förderung leichter E-Mobilität. Das Thema müsse europaweit gedacht werden.
Der "normale" Verkehr muss einen höheren Preis bekommen
Um der Radlogistik indirekt zu helfen, sei eine Deattraktivierung des Pkw-Verkehrs notwendig, es brauche einen Preis für belastende Verkehrsmittel. Hier knüpfte auch Christiane Behrisch an, die die Erhöhung der Auslastung der vorhandenen Lkw- und Van-Flotte durch ein Pricing-Modell vorschlägt. Jonas Kremer wiederum plädierte für die höhere Durchdringung von Dienstradmodellen, um Pedelecs bekannter zu machen und die Möglichkeiten breiter zu vermarkten. Damit der LEV-Hochlauf funktioniert, sieht Beres Seelbach wiederum höhere Skalierung und günstigere Preise als unerlässlich an. Womit sich die "Katze in den Schwanz beißt".
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