Acea- und Volvo-Chef Lundstedt: Euro VII könnte E-Mobilität ausbremsen

Der Vorsitzende des Nutzfahrzeug-Rats und CEO sieht vor dem Hintergrund bereits beschleunigter Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs in Europa die Gefahr, dass eine zu strenge Euro VII-Norm den Übergang zu emissionsfreiem Verkehr verzögern könnte. Die EU solle besser Anreize schaffen.

Martin Lundstedt sieht den Euro-VII-Vorschlag als fatalen Fehler der EU. (Archivbild: Acea)
Martin Lundstedt sieht den Euro-VII-Vorschlag als fatalen Fehler der EU. (Archivbild: Acea)
Johannes Reichel
(erschienen bei Transport von Nadine Bradl)

Die Europäische Union will mit Euro VII den Straßenverkehr reformieren. Unter anderem gehen damit schärfere Abgasregeln für Diesel-Neuwagen sowie Grenzwerte für Emissionen von Bremsen und Reifen einher. Den Herstellern gefällt der Vorschlag so gar nicht, es drohe sogar die Verlangsamung der eigentlich angestrebten Emissionsreduktion. 

"Wir sind voller Energie und auf dem Weg zu einer raschen Dekarbonisierung des Straßenverkehrs in Europa, seiner bisher größten Transformation und einem technologischen Wendepunkt in seiner Geschichte. Wachsende Flotten batterieelektrischer Lkw fahren mittlerweile über Europas Autobahnen. Pendler fahren mit Elektrobussen und innerstädtischen Baustellen mit emissionsfreien Maschinen nahezu lautlos durch unsere Städte. Wir sind auf dem Weg, Europa als erste und einzige Weltregion bis 2040 vollständig fossilfrei zu machen", erklärte Martin Lundstedt, Vorsitzender des Acea Nutzfahrzeug-Rats und CEO der Volvo Group.

All das sei jetzt mit dem Euro-VII-Vorschlag für neue Schadstoffemissionsnormen für Lkw und Busse in der politischen Schwebe.

"Als Führungskraft eines globalen Herstellers von Lkw und Bussen – und als Vertreter der EU-Nutzfahrzeugindustrie in meiner Rolle als Vorsitzender von ACEA – bin ich zutiefst besorgt", so Lundstedt weiter.

In seiner jetzigen Form vernachlässige der Vorschlag vollständig die sich schnell beschleunigende Umstellung auf emissionsfreie Fahrzeuge und ignoriere zudem die Auswirkungen kommender zukünftiger CO2-Ziele für schwere Nutzfahrzeuge, mahnt Ludstedt. Jüngste Studien, die die Dekarbonisierungspfade unserer Branche berücksichtigen, hätten gezeigt, dass Euro VII nur sehr geringfügige zusätzliche Vorteile für die Luftqualität bringen wird.

"Euro VII stellt Hersteller und unsere Partner in der Lieferkette vor große Hürden, um ihre schnelle Umstellung auf null Emissionen fortzusetzen. Um dem Vorschlag nachzukommen, wären Lkw-Hersteller gezwungen, erhebliche technische und finanzielle Ressourcen von batterie- und brennstoffzellenbetriebenen Elektrofahrzeugen zurück zum Verbrennungsmotor zu verlagern. Es würde unsere schnell voranschreitende Roadmap Elektromobilität nicht nur bremsen, sondern möglicherweise auch in den Rückwärtsgang schalten. Es ist nicht gut für die Industrie, nicht gut für das Klima und schon gar nicht gut für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen", warnt Ludstedt weiter.

In ihrer Begründung für den Euro-VII-Vorschlag führe die Europäische Kommission aus, dass bis 2030 nur jeder zehnte aller neuen Lkw emissionsfrei und bis 2040 nicht einmal jeder zweite neue Lkw batterie- oder brennstoffzellenelektrisch sein wird. Doch die Branche strebe viel höhere Ziele an.

"Bei der Volvo Group haben wir uns dazu verpflichtet, bis 2040 bei Lkw, Bussen, Baumaschinen und Schiffslösungen Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erzielen. Mit der Serienproduktion von Elektro-Lkw, -Bussen und -Baumaschinen setzen wir bereits Worte in die Tat um", so der Truck-Manager.

Alle Lkw-Hersteller unter dem Dach von Acea seien zu dem Schluss gekommen, dass Klimaneutralität bis 2050 bedeutet, dass alle neu verkauften Nutzfahrzeuge bis 2040 frei von fossilen Brennstoffen sein müssen und die neuen emissionsfreien Antriebstechnologien zum Rückgrat des Straßengüterverkehrs werden müssen. Doch Technologie sei nur ein Teil der Lösung, es brauche auch die politischen Rahmenbedingungen, um einen nachhaltigen Transport umzusetzen. Das betreffe auch die nötige Lade- und Betankungsinfrastruktur. 

"Euro VII und CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge können nicht isoliert voneinander betrachtet werden."

Während andere Länder massive Anreize setzten, um den Übergang zu unterstützen, versuche Europa, seinen Weg zur emissionsfreien Mobilität zu regeln - und das nicht einmal einheitlich in der EU.

"Euro VII kommt zu einer Zeit, in der große Märkte wie die USA einen politischen Rahmen schaffen, der darauf abzielt, den Übergang zu fossilfreien Alternativen zu beschleunigen, indem ein attraktives Investitionsumfeld geschaffen wird. Der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA schafft massive Anreize, auf batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge zu setzen."

Lundstedt sieht die Netto-Null-Zukunft in der EU auf dem Spiel stehen. Es liege nun am Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten, ihre Positionen zum Euro-VII-Vorschlag festzulegen.

"Sie haben die Möglichkeit, die europäischen Lkw-Hersteller bei der Umsetzung eines politischen Rahmens zu unterstützen, der uns und unseren Kunden dabei hilft, unseren Übergang zu beschleunigen, indem sie sich auf eine beschleunigte Flottenerneuerung konzentrieren und Investitionen in emissionsfreie Fahrzeuge priorisieren, was sich sowohl auf die Luftqualität als auch auf CO2-Emissionen erheblich auswirken wird . Wir vertrauen darauf, dass sie für einen ausgewogenen Ansatz sorgen und den Verkehrssektor auf dem Weg zu emissionsfreien Fahrzeugen unterstützen."