Agora-Bilanz Ampel-Verkehrspolitik: Sektor fällt zurück - Masterplan gefordert
Der Berliner Thinktank Agora Verkehrswende hat eine verheerende Bilanz über drei Jahre Ampel-Politik im Verkehrssektor gezogen. Der Sektor sei im Hinblick auf seinen Beitrag zu den Klimazielen kaum vorangekommen, es gebe Ungewissheit über die langfristige Finanzierung und Planung zukunftsfähiger Verkehrsinfrastrukturen sowie den Rückstand als Leitmarkt der Elektromobilität. Einziger Lichtblick aus Sicht der Verkehrsexperten ist die freilich noch immer zu zaghafte Reform des Straßenverkehrsrechts, weil diese neben die Ziele Flüssigkeit und Sicherheit auch den Klimaschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung setzte. Agora-Verkehrswende-Direktor Christian Hochfeld konstatierte zwar erschwerte Bedingungen für die Regierung durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den Wegfall der günstigen Gasversorgung. Doch schon vor dem Ukraine-Krieg seien die Weichen nicht in Richtung Elektrifizierung des Energie- und Verkehrssystems gestellt worden, auch um die Unabhängigkeit zu stärken.
„Die Ampelkoalition zeigte schon im Koalitionsvertrag kaum klare gemeinsame Linien für die Verkehrswende. Dann ließ die Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Aufgabe weiter in den Hintergrund rücken. In der Klimapolitik stand der Verkehr hintenan; in der Verkehrspolitik der Klimaschutz. Fortschritte im Straßenverkehrsrecht und bei der Weiterentwicklung der Lkw-Maut blieben vereinzelt. In entscheidenden Fragen wie Investitionen, industrieller Transformation und Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehlte der gemeinsame Gestaltungswille. Deutschland ist deshalb im Verkehrssektor weder klima- noch industrie- oder sozialpolitisch auf Kurs", bilanziert Wiebke Zimmer, Stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende.
Als aus Sicht der Regierung nachvollziehbar, aber verheerend habe sich vor allem die Ausklammerung des Verkehrs aus den Sektorzielen für das Klimaschutzgesetz erwiesen, der mittel- und langfristig massiv durchschlagen werde und nur durch die gute Bilanz etwa des Energiesektors aktuell in der Gesamtbilanz noch nicht auffalle. Diese Maßnahme habe dafür gesorgt, dass der Verkehrssektor noch weniger Ambitionen als vorher an den Tag legen musste. Speziell im Bereich E-Mobilität wurde zusätzlich Vertrauen verspielt durch die abrupte Kappunt der Kaufprämie und die falsche Debatte um E-Fuels und Wasserstoff als vermeintliche Alternative, die aber längst nicht technologisch ausgereift oder industrialisiert sei, wie die batterieelektrische Mobilität.
Deutschland hängt sich ab bei der E-Mobilität
Das habe laut Hochfeld dafür gesorgt, dass in Deutschland der E-Auto-Markt eingebrochen sei und das Land auch in Europa isoliert dastehe. Das Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 liege so in weiter Ferne, die Agora-Analysten rechnen mit maximal acht bis neun Millionen E-Autos bis 2030, wenn nicht weitere Maßnahmen ergriffen werden. Die Ampelregierung habe keinen Weg zu rationalen und nachhaltigen Investitionen in Schiene und Flotten gefunden. Sie habe zudem das wichtige Thema Abbau fossiler Subventionen nicht angepackt, was große Defizite im Hinblick auf die Erreichung der Klimaziele eingebracht habe.
Viel länger wollte sich Hochfeld dann aber nicht mit der ernüchternden Rückschau befassen, sondern brachte ein Maßnahmenbündel für die künftige Regierung in Vorschlag, das fünf Kernpunkte enthält:
- Finanzreform + Investitionsinitiative: Hochfeld forderte eine Investitionsinitiative für die Infrastruktur, vor allem im Bereich ÖPNV, Schiene und Ladeinfrastruktur. Dies müsse verknüpft werden mit dem gleichzeitigen Abbau fossiler Subventionen sowie ganz entscheidend der Einführung einer Pkw-Maut als zentrales Steuerungselement. Deutschland kann im Verkehrssektor bis 2045 klimaneutral werden – ohne Einbußen in der Mobilität und ohne Mehrkosten im Vergleich zu dem, was bis 2045 ohne Kurs auf Klimaneutralität ausgegeben werden müsste.
- Beschleunigte industrielle Transformation: Hochfeld forderte eine forcierte Transformation mit entsprechender "Technologieklarheit" statt überflüssiger Debatten um den Verbrennerausstieg. Auf der Nachfrageseite müsse die E-Mobilität angesichts absehbar steigender Spritpreise für breitere Schichten erschlossen werden, etwa durch Förderung kleinerer und gebrauchter E-Autos, nicht nur teurer Elektro-Dienstwagen. Zudem brauche es einen "Green Industrial Deal" für Europa, der die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents gegenüber Asien und China wiederherstelle und den verlorenen Anschluss aufhole. Als Vorbilder nannte Hochfeld Belgien, wo die Abschreibungsmöglichkeit für Dienstwagen-Verbrenner bis 2028 gekappt wird, was alleine für eine Zunahme der E-Flotte von 15 auf 60 Prozent sorgte. Auch das Sozialleasing für E-Autos in Frankreich sei bei Mängeln im Detail ein richtiger Ansatz, die Nachfrage vorhanden, der Fördertopf nach zehn Tagen leer gewesen. Für die Automobilindustrie sind die Chancen mit einem schnellen Hochlauf der Elektromobilität am größten. Dafür sind Orientierung und Planbarkeit sowie ein starker Heimatmarkt für Elektrofahrzeuge unerlässlich, so Hochfeld.
- Netzintegration: Die Elektrifizierung des Sektors müsse einhergehen mit der Netzintegration der E-Fahrzeuge, damit die Kosten der Energiewende gesenkt, die Effizienz erhöht werde. Wenn man das 25.000 Euro-Autos schon nicht in Deutschland bauen könne, müsse man es eben über die Nutzungskosten und niedrigere Ladepreise realisieren, forderte Hochfeld.
- Vision Fossil-Ausstieg: Es brauche zudem einen klaren Plan, wie im Verkehrssektor der Abschied von Öl und Gas passieren solle, mit einem klaren Pfad für die Industrialisierung von E-Fuels und Erneuerbaren Kraftstoffen im Zeithorizont bis 2030 und auf Netto Null Emissionen bis 2045. Hier gebe es auch einen Vorschlag des VDA, der in die richtige Richtung gehe, lobte Hochfeld.
- Bezahlbare Mobilität: Als letzten und nicht unwichtigsten Punkt betonte der Agora-Chef, es brauche auch eine bezahlbare Mobilität jenseits des Autos. Schließlich gebe es 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger ohne Führerschein und am Land mit schlechter Anbindung. Zudem gilt: Die Preise für Benzin und Diesel werden weiter steigen, je mehr die volkswirtschaftlichen Kosten für das Verbrennen von fossilen Ressourcen darin enthalten sind. Eine markante Preissteigerung ist für 2027 absehbar, wenn der Europäische Emissionshandel auf die Sektoren Gebäude und Verkehr ausgeweitet wird. Das mache Autofahren für viele unerschwinglich. Nötig sei daher ein Mindestausbau auch in ländlichen Regionen und Stadt-Land-Relationen. Hierfür sei die Technologie des automatisierten Fahrens mit On-Demand-Shuttle-Diensten ein entscheidendes Element und Symbol. Deutschland habe hier noch gute Chancen, die es zu nutzen gelte, im Personenverkehr wie auch in der Logistik. Ziel sei eine Art "Mobilitätsgarantie".
Eben kein "grünes Klimaschutzprojekt", sondern überparteilich
Hochfeld betonte, die Verkehrswende sei eben kein "grünes Klimaschutzprojekt", sondern eine wichtige überparteiliche Aufgabe, die in einem Mobilitäts-Masterplan nach dem Vorbild der österreichischen Regierung angegangen werden müsse. "Die nächste Regierung muss mehr Fortschritt wagen statt an der Veränderung zu verzagen", appellierte Hochfeld. Und gab zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass auch die Union als eine Partei des wirtschaftlichen Sachverstands sich abseits des Wahlkampfs dieser Erkenntnis nicht verschließen werde. Etwaige Diskussionen um den Ausstieg aus dem Verbrennerausstieg seien hier Gift und würden kontraproduktiv wirken, weil sie die Industrie schwächen und den Standort erst recht gefährden. Es sei eine Verdrehung von Ursache und Wirkung, wenn die Krise der deutschen Autoindustrie jetzt einem zu schnellen Einstieg in die E-Mobilität angelastet werde. Das Gegenteil sei der Fall, Deutschland habe viel zu spät die Weichen gestellt. "Je später wir jetzt handeln, desto teurer wird es", zeigte sich Hochfeld überzeugt.
Der Verbrenner-Markt bricht global schon früher ein
Der gesamte Markt entwickle sich global möglicherweise auch schneller in Richtung Elektrifizierung als von vielen Industriemanagern angenommen, der Markt für Verbrenner dagegen breche gerade auch in China ein. Falsch sei es hier allerdings, mit Zöllen zu reagieren, wie der designierte nächste US-Präsident Trump es androht. Zölle seien kontraproduktiv, auch für die europäische Industrie, es würde den Abstand nur vergrößern, befürchter der Agora-Chef. Es gelte im Gegenteil, auch wenn das auf den ersten Blick widersinnig erscheine, Hersteller aus Asien und China in Europa anzusiedeln. "Wir brauchen besser eine Debatte darüber, wie wir diese Unternehmen hier ansiedeln, als über Zölle und Abschottung", so Hochfeld. China habe ein großes Interesse daran, weil es ebenso wie Europa unter Überkapazitäten leide. Und Europa könne seine Überkapazitäten durch asiatische Ansiedlung möglicherweise kompensieren und die mangelhafte Auslastung wieder erhöhen.
Reform der Schuldenbremse unerlässlich
Hochfeld sprach sich dringend für eine Reform der Schuldenbremse aus, um den nötigen Investitionsrahmen zu erweitern und etwa auch die löbliche langfristige Sanierung der Bahn und der Schiene durchzufinanzieren und abzusichern, alles bei gleichzeitigem Abbau der fossilen Subventionen. Behalte man diese bei, müsse man umso größere Fördermaßnahmen auf der anderen Seite ergreifen, das sei nicht realistisch. Die Hersteller seien zudem bereits investiert. "Wenn dieses Investment nicht aufgeht, brauchen wir über den Standort Deutschland nicht mehr sprechen", warnte Hochfeld. Es brauche nun Politik jenseits des Wahlkampfs.
„Eine Regierungskoalition, die Deutschland wirtschaftlich erfolgreicher und sozial gerechter machen möchte, sollte die Verkehrswende mit hoher Priorität angehen. Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung, Lebensqualität und soziale Teilhabe lassen sich am ehesten sichern, wenn Deutschland im Verkehr wieder auf Klimakurs kommt. Die Aufgabe ist anspruchsvoll. Es geht nicht nur um Technologien, sondern auch um die gesamtgesellschaftliche Bereitschaft zur Veränderung. Die neue Bundesregierung kann neue Akzente setzen. Eine Verkehrswende als Gemeinschaftswerk: Nur so kann es klappen. Sonst wird das nichts. Das ist eine zentrale Erkenntnis nach drei Jahren Regierungsarbeit der Ampelkoalition“, schloss Hochfeld fest.
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