Agora-Bilanz Verkehrspolitik: Zwölf Monate "rasender Stillstand"
Bei einer Zwischenbilanz zur Verkehrspolitik nach zwölf Monaten hat der Berliner Think Tank Agora Verkehrswende der Ampel-Koalition ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Die Blockade sei nicht gelöst, die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht eingelöst worden, die Maßnahmen würden den Klimaschutzzielen nicht gerecht. Von "zwölf Monaten rasendem Stillstand" und einem "verlorenen Jahr" sprach Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin der Denkfabrik. Es gebe zum einen keinen Fahrplan für die Wende und keine Transparenz. Zum anderen sei in der E-Mobilität die Chance vertan worden, die Transformation zu beschleunigen, etwa durch Verabschiedung strengerer CO2-Werte. Das strukturelle Ungleichgewicht durch überholte Subventionen und Privilegien für den Autoverkehr lasse die Bundesregierung weitgehend unangetastet.
"Dabei vereinen die Koalitionsparteien die Grundwerte, die es für die Transformation braucht: Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Freiheit. Doch besser spät als nie sollte die Bundesregierung dem Titel des Koalitionsvertrags – Mehr Fortschritt wagen – im Verkehrssektor gerecht werden und vom rasenden Stillstand auf den versprochenen Fortschritt umstellen", appellierte Agora-Direktor Christian Hochfeld.
Das sei vor allem vor dem Hintergrund des in den USA geplanten "Inflation Reduction Act" mit dem Subventionspaket für lokale Hersteller klimafreundlicher Technologien von Joe Biden verhängnisvoll. Dadurch drohe Europa, abgehängt, zumindest in der Entwicklung verlangsamt zu werden und Wertschöpfung zu verlieren, warnte Hochfeld weiter. Es brauche hier eine konzertierte europäische Antwort, solle nicht die E-Mobilität in Europa ausgebremst werden. Damit schaffe man aber auch Planungssicherheit für die heimischen Hersteller.
Die doppelte Chance: Abhängigkeit reduzieren, Klima schützen
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die gestiegenen Preise für Energie, Lebensmittel und andere Güter müssten die Bundesregierung erst recht anspornen, den Klimaschutz im Verkehr voranzubringen, betonte Zimmer. Verkehrswende bedeute nicht nur weniger Treibhausgasemissionen, sondern auch weniger Abhängigkeit von Ölimporten aus Krisenregionen und damit besserer Schutz vor Preissteigerungen.
"Die Verkehrswende wird alltägliche Routinen verändern. Aber die große Mehrheit der Bevölkerung ist für den Klimaschutz. Wenn die Bundesregierung ihre Führungsrolle wahrnimmt und mit einem schlüssigen Gesamtkonzept vorangeht, wird sie breite Mehrheiten für die notwendigen Schritte gewinnen können. Eine Politik, die abwartet, vereinzelt auf Fördermittel setzt und ansonsten auf unvollkommene Marktkräfte hofft, wird scheitern. Noch einmal aufgeschoben ist dann eben doch auch aufgehoben", warnte Zimmer.
Das sogenannte Sofortprogramm des Verkehrsministeriums diene nur dazu, die Lücken aus dem Vorjahr auszugleichen, monierte Zimmer weiter. Es kursiere nur ein Entwurf eines Eckpunktepapiers, das aber selbst nach Einschätzung der Bundesregierung bei Weitem nicht ausreichen würde. Weiterführende Maßnahmen werden darin erst für Frühjahr 2023 angekündigt. Es sei essentiell, das Programm deutlich auszudehnen und nachzubessern. Die Eckpunkte ließen immer noch eine gewaltige Lücke von 118 bis 175 Millionen Tonnen CO2 bis 2030. Der Verkehrssektor müsse bis dahin seine Emissionen mindestens halbieren. In der Tendenz der aktuell vorliegenden Zahlen, so Hochfelds Prognose werde die Differenz eher größer als kleiner und das Ziel, die Treibhausgasemissionen des Verkehrs bis 2030 im Vergleich zu 1990 etwa um die Hälfte zu reduzieren, sei mittlerweile weiter entfernt als zu Beginn der Legislaturperiode. Hochfeld sprach von einem "kritischen Moment".
Ohne den Verkehrssektor fällt Deutschland durch
Das sei auch deshalb so verhängnisvoll, weil Deutschland seine Klimaziele ohne den Verkehrssektor schlicht nicht erreichen könne. Hochfeld warnte davor, über ein Aufweichen sektoraler Ziele auch nur zu debattieren, denn auch im Gebäude- oder Energiesektor könne nicht für den Verkehr überkompensiert werden. Es sei offensichtlich, dass ohne Deutschland auch die EU die Ziele ihres Green New Deal verfehlen werde. Global betrachtet seien auch die Ergebnisse der jüngsten Klimakonferenz COP27 ernüchternd.
Neustart in der Verkehrspolitik nötig
Hochfeld appellierte an die Bundesregierung, die Handbremse zu lösen, auf allen Feldern. Nötig sei schlicht ein "Neustart" in der Verkehrspolitik, der kommunikativ auch klar mache, dass sich viel verändern müsse. Dafür seien sowohl Push- als auch Pull-Maßnahmen, Anreize und Regeln unabdingbar. Er bezog sich insbesondere auf eine Reform der Straßenverkehrsordnung, bei der es noch keine Bewegung gebe und die weiter der "Leichtigkeit" des motorisierten Verkehrs Vorrang einräume. Diese müsse den zur Veränderungen bereiten Kommunen mehr Freiraum für die umweltfreundliche Gestaltung der Mobilität mit mehr Rad und Fußverkehr, Tempo 30-Zonen oder ÖPNV-Ausbau geben. Beim Nahverkehr rücke in der lauten Debatte um das begrüßenswerte 49-Euro-Ticket in den Hintergrund, dass der ÖPNV auch langfristig deutlich besser finanziert werden müsse. Das gehe nur mit der Einführung einer verursachergerechten Pkw-Maut, die die Mittel dafür bereitstellen müsse.
Klare Ansage: Umstieg heißt auch weniger Autos
Nötig ist aus Sicht von Hochfeld nicht weniger als eine "Umstiegs-Offensive", denn klar sei, dass klimafreundlicher Verkehr nur mit der Reduktion des Autoverkehrs zu realisieren sein wird. Den Eindruck zu erwecken, Das sei ab 2030 realistisch und dringend notwendig. Bis dahin müsse es Alternativen zum eigenen Fahrzeug geben, mit mehr Sharing, Ride-Pooling, ÖPNV-Angeboten und Rad- und Fußwegen. Darüber hinaus forderte er, man müsse neben dem notwendigen Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge auch darauf achten, dass diese effizienter würden. Es brauche kleinere und leichtere Fahrzeuge, statt Ressourcen von drei Autos für einen schweren Wagen zu verschwenden.
Flankenschutz mit Abbau fossiler Subventionen und Pkw-Maut
Dafür sei die Flankierung mit steuerlichen Instrumenten unabdingbar, zum Beispiel grundlegende Reformen von nationalen Abgaben und Umlagen wie Kfz-Steuer, Dienstwagenbesteuerung, Energiesteuer auf Dieselkraftstoffe sowie ein Mobilitätsgeld statt der Entfernungspauschale. Hinzu komme ein CO2-Preis in Kombination mit einer Klimaprämie und mittelfristig eine verursachergerechte Straßennutzungsgebühr (Pkw-Maut) zur nachhaltigen Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangeboten. An all diesen Stellen gehe es darum, systematisch schädliche Privilegien und Subventionen abzubauen und für mehr Klimaschutz und soziale Ausgewogenheit zu sorgen. Zu einem Gesamtkonzept gehörten schließlich auch ausreichend und verlässlich ausgestattete Förderprogramme für klimaschonende Verkehrsmittel und ein Rechtsrahmen, der es den Kommunen ermöglicht, die Verkehrswende vor Ort zu gestalten.
In der öffentlichen Kommunikation müsse deutlich gemacht werden, dass es Wege und Mittel gebe, diesen Umstieg sozial gerecht zu gestalten, etwa über ein Klimageld für finanziell schwächere Haushalte. Es sei falsch, das Bild zu vermitteln, der Umstieg werde für alle teuer. Das müsse nicht so kommen, wenn man es richtig anpackt, zeigte sich Hochfeld überzeugt.
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