B4B Logistics: Pilotprojekt in München - Stückgut-Transport mit E-Cargobikes

Lässt sich Stückgut mit E-Cargobikes transportieren? Den Beweis tritt ein Münchner Start-up an - und will mit Rytle-Bikes und e2trail-Anhängern Lkw und Vans ersetzen, natürlich im Zusammenspiel mit Mikrodepots.

Angekuppelt: Unternehmer und Cargobike-Logistik-Spezialist Peter Blösle manövrierte sein Gespann routiniert durch den Hof den Munich Urban Colab. | Foto: J. Reichel
Angekuppelt: Unternehmer und Cargobike-Logistik-Spezialist Peter Blösle manövrierte sein Gespann routiniert durch den Hof den Munich Urban Colab. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Stückgutlogistik mit Lastenrädern, bisher ist das eine Seltenheit. Dies zu ändern, ist Peter Blösl angetreten, bei der IHK früher Leiter des Münchner City-Logistik-Projekts mit UPS, das für viel Furore sorgte und in dem viele Erkenntnisse gesammelt wurden, allerdings im klassischen KEP-Einsatz mit Paketen. Hier werden die E-Cargobikes aus Wechselbrücken, die täglich von Lkw zu den Standorten in den Quartieren gebracht werden, bestückt. Jetzt will der umtriebige und "spätberufene" Start-up-Unternehmer aber auch die "harte Nuss Stückgutlogistik" für die Lastenräder knacken.

Große Pläne: Die Umweltzone von Lastern entlasten

Und zwar im großen Stil: Für das Gebiet der Münchner Umweltzonen, die ab April 2023 dann sogar den Mittleren Ring selbst umfasst, glaubt der Unternehmer mal acht bis zehn Prozent der Stückguttransporte mit der Rad&Hänger-Kombi ersetzen zu können. Das wären hunderte Lkw-Fahrten, deren Emissionen der City und deren Bewohnern erspart blieben, wie Blösl flugs vorrechnet. Und natürlich Laster, die nicht am Straßenrand blockieren und für gefährliche Situationen sorgen würden. Fracht, die aber auch pünktlicher, schneller und flexibler bei den Kunden wäre. Und ein Konzept, das somit auch einen besseren Logistikservice zu mindestens ebenbürtigen Kosten sicherstellen könnte. Blösl hat eine sehr realistische Einschätzung davon, was für Logistiker bei allem Engagement für die Umwelt am Ende zählt: Zur Ökologie muss immer auch die Ökonomie passen. Er spricht von einer Win-Win-Situation. Die aber nur unter bestimmten Voraussetzungen eintritt.

Nur im Zusammenspiel mit Mikrodepots wirtschaftlich

Denn natürlich spielt auch hier das Thema Mikrodepots oder dezentrale Lager eine entscheidende Rolle. Denn für die "erste und mittlerere Meile" aus den Umschlaglagern bleibt der Lkw erst recht für Stückgut für Peter Blösl einstweilen gesetzt, idealerweise freilich elektrisch angetrieben. Die Lager will der Unternehmer auf dem offenen Markt der neuen "Space-Provider" anmieten. Er kann sich aber auch vorstellen, in Kooperation mit anderen Betreibern Flächen zu übernehmen, weil es kaum Gewerbeareale mit 35 bis 50 Quadratmetern gibt. Auch die Zusammenarbeit mit Parkhausbetreibern kann sich Blösl vorstellen, sofern diese die Anforderungen an eine Lkw-Zufahrt erfüllen. Für den Start hat allerdings die TU München, die das Projekt mit einigen Studenten wissenschaftlich begleitet, Flächen zur Verfügung gestellt.

500 Kilo Nutzlast in der Kombination

Von diesen Lagern aus sollen dann die Stückgut-Bikes ausschwärmen. Technisch setzt der erfahrene Logistikexperte auf eine Kombination aus Rytle-MovR-Bikes der ersten Generation mit mechanischem Hublift, die 250 Kilo Zuladung bieten sowie einem e2trail-Anhänger des Start-ups vom Ammersee, der ebenfalls 250 Kilo Palettenfracht befördert und über einen robusten Kurbelmechanismus verfügt. Von der Nutzlast her ist man da nicht mehr so weit entfernt von einem 7,5-Tonner mit etwa 2,5 Tonnen Nutzlast und 12 Palettenplätzen. Oder gar von dem 3,5-Tonner-Sprinter mit Koffer und Hebebühne, der just während der Präsentation in den Hof des Erfinderzentrums der TU München "Munich Urban Colab" in den Hof fährt, langwierig auslädt,  umständlich wendet und mühselig die Frachtstücke einzeln auslädt.

Wendig und schlank unterwegs

Solche Probleme kennt Blösl mit seiner Bike-Kombi nicht: Stolz dreht er zur Demonstration quasi auf der Stelle um und surrt aus dem Hof, zur imaginären nächsten Abladestelle. Hier könnte man per Bike-Trailer als Handwagen sogar noch um das Areal herumlaufen und die Ware direkt im Gebäude deponieren, nötigenfalls sogar per Aufzug. Klar, für so etwas haben Stückgut-Fahrer einen Handhubwagen, vulgo Ameise, dabei. Aber es ist eben wieder ein Arbeitsschritt mehr, der Zeit kostet. Während der Bike-Zusteller schon wieder auf dem Weg zum Nachfassen ist.

Standard-Trailer-Komponenten erhöhen die Kompatibilität

Verbunden werden die Einheiten jetzt mit einer Standard-Kugelkopfkupplung und Hebel von AL-KO, preiswert und robust, wie e2trail-Erfinder Holger Emmert skizziert. Außerdem würden sich so unter Umständen Kompatibilitäten zum konventionellen Restfuhrpark ergeben. Er wird den robusten Stahltrailer mit dem raffinierten Absetzmechanismus auch noch um einen Radnabenantrieb ergänzen, der bereits serienreif ist und beim "International Cargobike of the Year"-Award auf der IAA TRANSPORTATION zu bewundern war.

Denn um auch in schwieriger Topographie klarzukommen, so Peter Blösl, brauchen Zugfahrzeug und Trailer eine elektrische Unterstützung, speziell für das kraftraubende Anfahren. Von den Rytle-Bikes, die über zwei robuste und zugkräftige Heinzmann-Motoren in den Hinterrädern verfügen, will Blösl noch mehrere "refurbished" Exempare der ersten Serie in Dienst stellen, die aus seiner Sicht den Stückgutjob gut erledigen können. Vorgesehen ist allerdings eine stärkere Hubvorrichtung.

Im Zusammenspiel all dieser Elemente soll das Unternehmen B4B Logistics für Stückguttransport per Cargobike gelingen - und vielleicht darüber hinaus Schule machen. Blösl ist sich mit dem Referenten Mobilität der IHK München und langjährigem Lastenradverfechter Josef Seybold einig, der eigens zur Präsentation anreiste: Wir müssen etwas tun, um die Städte vom Verkehr und den Planeten von den Emissionen zu entlasten. Oder auch entlastern, könnte man in diesem Falle sagen.