Bundestagswahl: Vom Tempolimit profitiert auch der Güterverkehr
Kaum ein Thema im Wahlkampf ist - wohlgemerkt nur in Deutschland - derartig symbolisch aufgeladen wie die Frage eines Tempolimits auf Autobahnen. Während die CDU/CSU, FDP und die Rechtsaußen von der AfD das Limit zu einer Frage der "Freiheit" hochstilisieren, verweisen Grüne, Linke und mittlerweile auch die SPD auf den Gewinn für Klima und Sicherheit. Speziell die Grünen werfen den "Kontra-Tempolimit-Parteien" ein verfehltes Verständnis von "Freiheit" vor.
Fachleute unterfüttern diese Position seit Jahren so gut es geht mit Fakten, die eigentlich keine weiteren Fragen offen lassen, obwohl die Datenlage (womöglich systematisch) nach wie vor knapp ist. So gab es weder für Messstellenaufbau noch für Studien Unterstützung aus dem Bundesverkehrsministerium des dezidierten Tempolimit-Gegners Andreas Scheuer (CSU), wie Ökonom Christian Traxler von der Hertie School of Economics und Autor einer zusammenfassenden Studie zum Stand der Limitforschung jüngst gegenüber der Süddeutschen Zeitung beklagte. Auch Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Unfallforscher deutet an, eine "saubere Studie könnte ja den politischen Botschaften in die Quere kommen" und sei womöglich nicht wohlgelitten. Eigentlich bräuchte es sogar eine Limitierung auf 120 km/h nachts und 100 km/h tagsüber, wie die Deutsche Umwelthilfe fordert, um einen stärkeren Klimaeffekt zu erzielen. Am wahrscheinlichsten ist aber der 130-km/h-Vorschlag von Grünen und SPD. Ein kurzes Update aus der Kampfzone lieferte die SZ gleich mit:
- CO2-Emissionen: Das Umweltbundesamt rechnet mit einer Emissionseinsparung von 2,2 Mio. Tonnen bei 130 km/h, 2,9 Mio. Tonnen bei 120 km/h, entspricht der Treibhausgasemission des gesamten deutschen Flugverkehrs. Oder wie Agora Verkehrswende 2018 vorrechnete: So viel wie 1,1 Mio neue E-Autos, ein gutes Drittel mehr Rad- und Fußverkehr, 13 Prozent weniger Verkehr in den Städten oder elf Cent mehr Dieselsteuer.
- Luftqualität: Höheres Tempo heißt auch höhere Stickoxid und Feinstaubemissionen. NOx könnte sich bei 120 um drei Prozent reduzieren, Feinstaub um ein Prozent.
- Sicherheit: Die Zahl der Todesfälle könnten nach der Traxler-Untersuchung um 15 bis 47 Prozent sinken, 39 bis 126 Leben. Bei 115 von 334 Todesfällen auf Autobahnen im Jahr 2019 spielte "nicht angepasste Geschwindigkeit" eine Rolle, auf Pisten ohne Limit. Die Datenlage ist hier aber sehr schwierig. Dennoch könnte ein Tempolimit die Verkehrssicherheit verbessern, so die Mehrheit der Experten.
- Verkehrsfluss: Vor allem hier könnte sich ein Effekt zeigen für einen flüssigeren und ruhigeren Verkehr. Die optimale Verkehrsstärke liegt bei 70 bis 90 km/h, mit relativ niedrigen Tempounterschieden. Der berühmte "Stau aus dem Nichts" wäre wohl passè. Und vor allem Lkw-Fahrer profitieren von geringeren Tempodifferenzen, weil sie leichter überholen könnten.
- Kosten für die Volkswirtschaft: Besserer Verkehrsfluss und weniger Staus (bisher 53 bis 70 Millionen Staustunden) könnten die theoretischen Kosten durch späteres Ankommen aufwiegen, so die Studie der Hertie School. Vor allem die Zeitgewinne im Güterverkehr könnten signifikant sein, ein positiver Effekt für die Volkswirtschaft.
- Automobiltechnik: Eine Binse, aber Autos, die nur für ein Limit von 130 km/h gebaut werden müssen, könnten kleiner, leichter und emissionsärmer sein, auf 20 bis 30 Prozent wurde das schon 2007 vom Wuppertalinstitut geschätzt. Auch E-Autos könnten mit kleineren Batterien ausgestattet und leichter konstruiert sein. Übrigens: Forscher Traxler befürchtet keinen, häufig von den Tempo-Befürwortern angeführten negativen Image-Effekt für deutsche Hersteller im Ausland durch die Einführung eines Tempolimits in Deutschland.
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