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cargobike.jetzt: Mit Beirat und neuer Führung das große Lastenrad drehen

Beim Neujahrsempfang präsentiert die Berliner Verkehrswendeagentur eine neue Führung - und einen prominenten Beirat, dem unter anderem Mobilitätsbloggerin Katja Diehl und die Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen angehören - und LOGISTRA.

Freundliche Übergabe: Arne Behrensen wechselt zur Radlobby-Organisation Zukunft Fahrrad von Geschäftsführer Wasilis von Rauch (links), Martin Seißler (Mitte) leitet die Geschicke von cargobike.jetzt. | Foto: cargobike.jetzt/Hinnerk Beetz
Freundliche Übergabe: Arne Behrensen wechselt zur Radlobby-Organisation Zukunft Fahrrad von Geschäftsführer Wasilis von Rauch (links), Martin Seißler (Mitte) leitet die Geschicke von cargobike.jetzt. | Foto: cargobike.jetzt/Hinnerk Beetz
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Johannes Reichel

Bei einem Neujahrsempfang hat die Berliner Verkehrswendeagentur cargobike.jetzt ihre Neuaufstellung bekanntgegeben und zugleich einen neu berufenen Beirat präsentiert. Der Gründer und langjährige Geschäftsführer Arne Behrensen übergibt den Staffelstab an den Co-Geschäftsführer Martin Seißler und wechselt zugleich zum Netzwerk Zukunft Fahrrad, das sich für die Belange und Interessen der Fahrradbranche im politischen Betrieb stark macht. Der Beirat der 2016 gegründeten Agentur soll die Arbeit der mittlerweile auf zwölf Mitarbeitende gewachsenen Organisation stärken und beratende Tätigkeit versehen. Zu den Mitgliedern zählen etwa die bekannte Autorin und Mobilitätsbloggerin Katja Diehl, die aktuell mit dem Buch "Auto-Korrektur - Mobilität für eine lebenswertere Welt" Erfolge feiert und für eine entschlossenere Verkehrwende kämpft.

Darüber hinaus zählt die Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen (Grüne) zum Beirat. Aus der Wissenschaft berät Dr. Tom Assmann vom Institut für Logistik und Materialflusstechnik (ILM) an der Uni Magdeburg. Er ist zugleich Vorsitzender des Radlogistik Verband Deutschland RLVD. Aus den Fachmedien sitzt der LOGISTRA-Redakteur und Initiator des "Cargobike of the Year"-Award Johannes Reichel mit im Beirat. Zudem bleibt Behrensen selbst mit seiner Expertise der Agentur als Beirat erhalten.

Das (Lasten)Rad ernst nehmen

Bei dem Empfang zeigte sich cargobike.jetzt Geschäftsführer Martin Seißler überzeugt, dass das Lastenrad als Transportmittel Privat wie im Gewerbe noch großes Potenzial bietet und gerade erst am Anfang einer Skalierung stehe. Dafür sei eine Stärkung der Radlobby nötig, um die Politik weniger "autolastig" zu gestalten. Die Politik müsse das Rad ernst nehmen, appellierte Seißler weiter.

Erst die Klimakatastrophe treibt die Verkehrswende

Autorin Katja Diehl zeigte sich einerseits enttäuscht, dass es eine Klimakatastrophe brauche, damit die Verkehrswende endlich in Gang komme. Andererseits sieht sie zahlreiche vielversprechende Ansätze für Veränderungen, von denen vor allem das Lastenrad großes Potenzial im privaten wie im gewerblichen Einsatz biete. Damit ließe sich in vielen Fällen ein Auto komplett ersetzen und ein "Leben ohne eigenes Auto" ermöglichen. Es gelte aus Klima- und Platzgründen, den gewaltigen Bestand von 49 Millionen Autos und 3,5 Millionen Lkw drastisch zu reduzieren. Dabei könne man eben nicht "jeden und jede mitnehmen", sondern müsse auch für manche unangenehme Veränderungen des aus ihrer Sicht heillos autolastigen Status Quo vornehmen.

Zudem verwies sie auf die sozialen Aspekte des Radfahrens, durch das die Leute wieder mehr in Kontakt miteinander kämen. Sie mahnte aber, für einen echten Durchbruch bräuchte es auch den richtigen Rahmen und endlich eine Reform der autozentrierten Straßenverkehrsordnung. Diehl forderte etwa, den Kommunen mehr Spielraum zur Einrichtung von flächendeckendem Tempo-30-Gebieten zu eröffnen.

Schlüssel liegt im Straßenverkehrsrecht

Hier pflichtete auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen bei, die sich für eine Reform des Verkehrsrechts einsetzt und darin einen "heimlichen Schlüssel" der Verkehrswende sieht. Bisher sei hier der "sichere, fließende Verkehr" priorisiert, das müsse sich schneller ändern und hier müsse mehr passieren, forderte Michaelsen, an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gewandt. Sie unterstütze auch die Initiative "Lebenswerte Städte", die für die Kommunen mehr Handlungsfreiheit fordert, etwa im Bezug auf Tempolimits. Bisher würden die Kommunen regelrecht ausgebremst. Das Straßenverkehrsrecht sei aber auch der wichtigste Hebel für mehr Radverkehr. Hier gelte es, das Fahrrad "breiter zu denken" und die Möglichkeiten, die Lastenräder als Autoersatz böten, zu nutzen. Dies geschehe allerdings leider nicht von alleine, sondern nur durch enormen Druck und Einsatz der beteiligten Akteure.

Siegeszug des Autos kein Erfolg für die Umwelt

Auch Tom Assmann machte sich für eine Reform der Straßenverkehrsordnung und der Norminstanz FGSV stark, die in ihren Anfängen auf das Jahr 1924 zurückgehe. Der Siegeszug des Automobils sei für die Umwelt und die Lebensqualität in den Städten eben keine Erfolgsgeschichte. So wie es heute Millionen von Autos und Lkw gebe, müsse es künftig Millionen von Lastenrädern geben, appellierte Assmann, das Thema größer zu denken und aus der Nische zu holen. Ziel sei es etwa im gewerblichen Verkehr, jeden zweiten Transporter zu ersetzen, schätzte Assmann das Potenzial ein.

Mobilitätsgipfel: Zeugnis für veraltetes Verständnis

Der Geschäftsführer der Lobby-Organisation Zukunft Fahrrad, zu der Behrensen nun wechselt, Wasilis von Rauch, wies auf die Notwendigkeit der politischen Arbeit für das Rad hin. Der Verband wächst stark. Die Mitgliederzahl hat sich seit seiner Gründung von 20 auf mittlerweile 73 Unternehmen erhöht. Unter den Mitgliedern finden sich Dienstleister, Hersteller, Start-ups der Digitalisierung, Händler und Zulieferer aus ganz Deutschland sowie inzwischen auch aus der Schweiz, den Niederlanden und Estland.

Jüngst hatte der Verband kritisiert, dass beim sogenannten "Mobililtätsgipfel" im Kanzleramt die stark wachsende und auch als Industrie zunehmend relevante Fahrradbranche nicht geladen war. Dies stehe für ein "veraltetes Mobilitätsverständnis", monierte man.

„Der Verkehrssektor steht wegen seiner gerissenen CO2-Einsparziele unter Druck. Drängender kann Handlungsbedarf nicht sein. Fahrradförderung wirkt schnell und ist kosteneffizient. Es ist Pflichtprogramm, jetzt alles aus dem Fahrrad rauszuholen. Mehr als die Hälfte aller Alltagswege lassen sich mit dem Rad machen, das Einsparpotenzial ist enorm. Wir können uns die einseitige fiskalische, wirtschafts- und verkehrspolitische Fokussierung auf das Auto nicht mehr leisten. Ohne uns gibt es keine Verkehrswende", so der Appell von Wasilis von Rauch.

Aus Protest hatte die 2019 gegründete Organisation eine Kampagne gestartet, die mittels Zeitungsanzeige und einer Lastenradtour den politisch Verantwortlichen in den Minsterien die Beratung anbot. Symbolisch übergab man ein Kampagnenmotiv an den neuen Geschäftsführer von cargobike.jetzt, Martin Seißler.

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