City-Logistik: Erster europäischer Drohnen-Testflug mit Gewebe

Das belgische Krankenhaus Netwerk Antwerpen (ZNA) und die GZA-Krankenhäuser testen als erste Krankenhäuser in Europa den Transport von menschlichem Gewebe per Drohne zwischen zwei Standorten, über der Stadt und außerhalb der Piloten-Sicht.

Ab in die Luft: Wenn die Tests so laufen, wie es sich die Krankenhäuser vorstellen, sollen schon bald Gewebe, Blut und Medikamente via Drohne ausgeliefert werden. (Bilder: ZNA)
Ab in die Luft: Wenn die Tests so laufen, wie es sich die Krankenhäuser vorstellen, sollen schon bald Gewebe, Blut und Medikamente via Drohne ausgeliefert werden. (Bilder: ZNA)
Johannes Reichel
(erschienen bei Transport von Nadine Bradl)

Wie das belgische Krankenhaus Netwerk Antwerpen mitteilt, wurde der Flug durch die Drohnenfluggesellschaft Helicus organisiert und durchgeführt. Dieser Betreiber in Antwerpen sei der erste in Europa, der die Betriebserlaubnis habe, Flüge über einer Stadt und außerhalb des Sichtfelds des Piloten gemäß der geltenden EU-Gesetzgebung durchzuführen. Dazu werde ein eigenes Command and Control Center und eine Drohne des belgischen Herstellers Sabca genutzt.

Els van Doesburg, Vorsitzender von Krankenhaus Netwerk Antwerpen:

"Ende Juni haben wir bekannt gegeben, dass das Krankenhaus Netwerk Antwerpen und die GZA Krankenhäuser fusionieren wollen. Mit diesem Flug zeigen wir unseren gemeinsamen Willen, zum Wohle unserer Patienten innovativ zu sein. Noch mehr als in anderen Branchen sind pünktliche Lieferungen für ein Krankenhaus von entscheidender Bedeutung."

In der Luft gebe es keine Staus, so van Doesburg, das gewährleiste eine zuverlässige Flugdauer. Bei einem reibungslosen Ablauf benötige ein Auto für den Probentransport über die 13 Kilometer Strecke bis zum Zentrallabor 21 Minuten. Ein großer Teil der Strecke gehe dabei über den stausensiblen Antwerpener Ring, der die Dauer des Transports auch stark verlängern kann. Eine Drohne brauche hingegen immer 10 Minuten.

Willeke Dijkhoffz, CEO GZA Krankenhäuser:

"Heute testen wir den Transport von Gewebe, aber mit anderen Proben - Blut und Medikamenten - gibt es viel mehr Möglichkeiten. Weil wir bereit sein wollen, wenn die neue Luftfahrtgesetzgebung 2023 in Kraft tritt, testen wir diese vielversprechende Technologie bereits jetzt. Die Drohnen nehmen außerdem ein wenig Verkehr von der Straße, was zur Lebensqualität in der Stadt beiträgt."

Sammeln von Informationen und Erfahrungen

Mit dem Flug wurde das erste Mal innerhalb der Europäischen Union, menschliches Gewebe per Drohne über bewohnte Gebiete und außerhalb der Sicht des Piloten im Rahmen der formellen Betriebsgenehmigung nach EU-Recht transportiert. Das bedeutet, dass die Person, die die Drohne steuert, das Gerät nicht selbst sieht. Das zentrale Kommando- und Kontrollzentrum von Helicus im Stadtzentrum von Antwerpen verfolgte den Flug der Drohne genau. Testflüge wie diese sollen die verfahrenstechnische Seite weiterentwickeln und Erfahrungen mit den europäischen Behörden austauschen, die derzeit das nächste Gesetzgebungspaket vorbereiten. Die zusätzliche Gesetzgebung wird 2023 in Kraft treten.

Mikael Shamim, CEO von Helicus, stellt klar:

"Der Schwerpunkt der heutigen Flüge liegt auf der weiteren Vorbereitung der Luftfahrt auf den Gesundheitssektor. Es geht darum, den Umgang mit neuen Verfahren und Systemen zu optimieren und zu lernen. Das gilt nicht nur für uns als Betreiber, sondern auch für die Luftfahrtbehörden, die Stadt und die Krankenhäuser. Deshalb hatte unsere Drohne auch Messgeräte an Bord. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir heute mit diesen Flügen eine weitere europäische Premiere haben."

Die Partner arbeiten im Rahmen der Helicus Aero Initiative (HAI) zusammen, um den medizinischen Drohnentransport aufzubauen. Die ersten Flüge fanden 2019 nach der damaligen nationalen Gesetzgebung statt. In den Jahren 2021 und 2022 wurde ein Validierungsprotokoll durchgeführt, um sicherzustellen, dass der Drohnentransport keine Auswirkungen auf die Qualität des transportierten Materials hat. Der Flug mit menschlichem Gewebe ist ein neuer Schritt.

Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sind unerlässlich

Die Pathologin Sabine Declercq, medizinische Koordinatorin im Labor für pathologische Anatomie, erklärt, warum eine zuverlässige Lieferung so wichtig ist:

"Nehmen wir zum Beispiel die Entfernung eines Tumors. Der Chirurg versucht, den Tumor zu entfernen und gleichzeitig das umliegende Gewebe so weit wie möglich zu schonen. Um sicher zu sein, dass der Tumor vollständig entfernt wurde, geht das Gewebe während des Eingriffs in die pathologische Anatomie des Labors. Dieser friert das Gewebe durch ein schnelles Einfrieren bei Temperaturen bis zu minus zwanzig Grad ein. Dann entsteht ein sogenanntes Gefrierfach: eine hauchdünne Gewebescheibe von nur 0,008 Millimetern Dicke (weniger als halb so dünn wie ein Zigarettenpapier). Innerhalb einer halben Stunde nach der Probenentnahme muss der Pathologe durch das Mikroskop beurteilt haben, ob Krebszellen möglicherweise noch vorhanden sind. Der Chirurg weiß dann, ob er die Operation abschließen kann oder, ob er mehr Gewebe entfernen muss. Auf diese Weise bleibt der Patient nicht länger als nötig unter Narkose. Eine rechtzeitige und zuverlässige Lieferung und Analyse dieser Proben ist daher sehr wichtig, um in einem Krankenhaus eine gute Versorgung gewährleisten zu können."

1.200 dringende Gewebeproben pro Jahr

Der dringende Transport von menschlichem Gewebe gehört zu den medizinischen Bedürfnissen, die Drohnen gut erfüllen können. Das Labor für pathologische Anatomie der ZNA- und GZA-Krankenhäuser analysiert jährlich fast 70.000 Proben. Es enthält auch 1.200 Gefrierkompartimente mit Gewebeproben, die während der Operation entnommen wurden und schnell analysiert werden müssen.

Die Analyse findet im Zentrallabor im ZNA Middelheim und in den Aktivitätszentren im ZNA Jan Palfijn und den Campussen St. Augustine und St. Vincent der GZA-Krankenhäuser statt. Die Proben des ZNA Stuivenberg werden zurzeit noch mit dem Taxi zum Zentrallabor im ZNA Middelheim transportiert.

In 95 Prozent der Fälle einsetzbar

Eine Drohne biete nun viele Vorteile: In erster Linie ist sie viel schneller und zuverlässiger als der Straßenverkehr. In der Luft gibt es keine Staus oder Ampeln. Darüber hinaus wird eine Drohne mit einer Batterie oder Wasserstoff betrieben, so dass sie keine schädlichen Gase ausstößt. Drittens können einige Drohnenbetreiber im Kommando- und Kontrollzentrum mehrere Flugzeuge überwachen, während für jede Fahrt auf der Straße ein Fahrer benötigt wird.

Die einzig mögliche Schwachstelle für eine Drohne sei sehr schlechtes Wetter, wie etwa niedrige Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Helicus schätzt, dass die Drohnen in 95 Prozent der Fälle fliegen können. Wenn mehr Erfahrungen gesammelt werden und die Branche und die Systeme an Reife gewinnen, wollen die Drohnenbetreiber aber auch in der Lage sein, bei ungünstigeren Wetterbedingungen zu fliegen.

Über den Drohnenflug

Sowohl auf der Straße als auch auf dem Luftweg war die Strecke vom ZNA Middelheim zum GZA-Klinikcampus Sint-Augustinus 1,2 Kilometer lang. Die Drohne flog 80 Meter über dem Boden und brauchte 240 Sekunden: zwei Minuten vor dem Flug (36 km/h) und jeweils eine Minute vor Start und nach der Landung. Sobald die Testphase vorbei ist, fliegt die Drohne mit 60 km/h. Aus weiteren Sicherheitsgründen flog die Drohne nicht in gerader Linie durch die Luft, sondern möglichst weit über Grünzonen oder dünn besiedelte Gebiete. 

Die Drohne, die den Flug durchgeführt hat, ist eine X-8 mit integriertem Fallschirm des belgischen Herstellers Sabca. Es ist ein sogenannter Oktokopter: eine Drohne mit acht Propellern. Sie erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 20 Metern pro Sekunde oder 72 Kilometern pro Stunde und für den Transport von bis zu 5 Kilogramm Last ausgelegt. Das Gewicht der Last bestimmt die Reichweite.

Fallen mehrere Systeme gleichzeitig und bei Bedarf aus, kann ein Bediener die Drohne manuell fernsteuern. Darüber hinaus ist die Drohne mit einem Fallschirm ausgestattet, um unter allen Umständen eine weiche Landung zu gewährleisten.