CONFERENCE DAYS 2023: Designwerk - warum der H2-Truck keine Chance hat

Markus Erdmann (Produktmanager E-Lkw) von Designwerk verglich im Conference-Days-Event die Zukunftschancen von E-, Wasserstoff- und Diesel-Lkw.

Beim Wirkungsgrad in der Well-to-Wheel-Betrachtung ist der E-Truck dem Brennstoffzellenfahrzeug deutlich überlegen. (Screenshot: Bünnagel)
Beim Wirkungsgrad in der Well-to-Wheel-Betrachtung ist der E-Truck dem Brennstoffzellenfahrzeug deutlich überlegen. (Screenshot: Bünnagel)
Johannes Reichel
(erschienen bei Transport von Claus Bünnagel)

Wenige Lkw-Bauer weltweit können heute von sich behaupten, schon reichhaltige Erfahrungen mit schweren E-Trucks im 40-t-Bereich für den Fernverkehr gesammelt zu haben. Einer der wenigen ist die Designwerk Technologies AG mit Sitz im schweizerischen Winterthur. Während der Conference Days des HUSS-VERLAGS erläuterte Markus Erdmann (Produktmanager E-Lkw), warum er dem vollelektrischen Lkw den Vorzug gegenüber dem Brennstoffzellenpendant gibt und welche Hürden es für ihn noch zu meistern gilt. „Warum batterieelektrischen Fahrzeugen die Zukunft gehört – Erfahrungen aus 5 Mio. elektrischen Kilometern“ hieß sein mit vielen Daten und Fakten unterlegter Online-Beitrag.

Es tut sich etwas!

Die Umstellung auf alternative Antriebsformen im Lkw-Verkehr ist dringender denn je. Denn während die Sektoren Industrie (–37 %), Energiewirtschaft, Wohnen (je –25 %) und Landwirtschaft (–20 %) ihre CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2018 deutlich senken konnten, stiegen sie im europäischen Transportsektor im selben Zeitraum um 29 % an. Damit sind Nutzfahrzeuge mittlerweile für 7,4 % des Ausstoßes in der EU verantwortlich – ein nicht unerheblicher Wert. Die EU hat das Problem mittlerweile erkannt und versucht gegenzusteuern. Die Flottenemissionsziele für Neufahrzeuge wurden gerade erst im Februar verschärft (–45 % bis 2030, –65 % bis 2035). Die Strafen für Überschreitung sind drakonisch und betragen 4.250 €/g CO2 und Fahrzeug – die OEM sind also in der Pflicht.

Viele wollen bereits bis 2030 umfassende E-Lkw-Modellpaletten ins Portfolio aufnehmen. „Die EU macht hier einen guten Job“, kommentierte Erdmann. „Zudem hat das Entwicklungstempo der Fahrzeughersteller Möglichkeiten geschaffen, die man vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hat.“ Zunächst seien sie mit Kommunalfahrzeugen wie beispielsweise Müllsammlern mit begrenzten Reichweitenanforderungen auf den Markt gekommen. Mittlerweile jedoch würden auch die Fernverkehrsmodelle und sogar Spezialfahrzeuge wie Muldenkipper für den Schwerlasteinsatz in Steinbrüchen oder Minen elektrifiziert.

Die Well-to-Wheel-Betrachtung

Könnten aber Wasserstoff-Lkw doch die bessere Lösung für solche Anwendungen sein? Das erhoffen sich viele Fahrzeughersteller und Kunden. Dem stehen aber laut Erdmann viele Nachteile dieser Antriebsform gegenüber. So betrage der Wirkungsgrad beim Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellenfahrzeugen in der Well-to-Wheel-Betrachtung, also von der Quelle bis zum Rad, nur 17,8 %. 30 % der eingesetzten, möglichst aus erneuerbarer Erzeugung stammenden Primärenergie gehe bei der Elektrolyse verloren, 21 % bei Kompression, 5 % bei Transport und Befüllung und schließlich 26 % bei der Rückverstromung in der Brennstoffzelle für den Antrieb des E-Motors aus der HV-Batterie. Im Vergleich dazu das vollelektrische Fahrzeug: Hier liegt der Gesamtwirkungsgrad bei 76,9 %; Verlustträger sind im Wesentlichen der Stromtransport über Leitungen (5 %), der Ladevorgang (9,5 %) und der Verbrauch im elektrischen System (8,5 %) von Batterie bis E-Motor – z.B. fürs Kühlen oder Heizen der Akkupakete.

Payload: E-Lkw überraschender Weise vor dem Wasserstoff-Truck

Das ist aber längst nicht alles. So benötigen die Tanks bei gasförmig gespeichertem Wasserstoff enorm viel Platz. Das bedingt, dass sie vor allem hinter dem Fahrerhaus platziert werden müssen, so dass zum einen der Trailer verkürzt werden müsste, um die zulässige Gesamtlänge in der EU nicht zu überschreiten, und zum anderen die Last auf der Antriebsachse steigt. Beides bedingt, dass ein Brennstoffzellen-Lkw am Ende womöglich weniger Nutzlast transportieren kann als ein vollelektrischer Truck, dem die EU ein um 2 t erhöhtes Gesamtgewicht zuspricht, was das Batteriegewicht von 4,3 t bei einem 763-kWh-Stromer, wie ihn Designwerk im Portfolio hat, wenigstens teilweise gegenüber Diesel und H2-Truck ausgleicht.

Das Ergebnis des Payload-Vergleichs ist eine ebenso überraschende Erkenntnis wie die jüngsten Forschungsergebnisse des International Council on Clean Transportation (ICCT), nach der Brennstoffzellenfahrtzeuge mit 350- und sogar 700-bar-Tanks an Bord keine höhere Reichweite aufweisen als ihre E-Pendants. Auch eine weitere Erhöhung des Drucklevels biete keine realistischen Verbesserungen, denn bei 1.400 bar betrage der Zuwachs speicherbaren Wasserstoffs nur noch ca. 50 %, also keine Verdoppelung, wie man annehmen könnte.

Chance für Flüssigwasserstoff?

Eine Chance gibt Erdmann im Systemvergleich höchstens Brennstoffzellen-Trucks mit Kryotanks und darin gespeichertem flüssigen Wasserstoff, wie sie Daimler in Zukunft verwenden möchte. Aber die Technik sei längst noch nicht fit für die Marktreife, so der Designwerk-Fachmann. Zudem benötige die Verflüssigung des Wasserstoffs rund 30 % der eingesetzten Primärenergie, was den Wirkungsgrad des Gesamtsystems weiter schmälere.

Wasserstoffverbrenner: Kaum eine Option

Noch weniger eine Alternative stelle der Wasserstoffverbrenner dar. Zwar sei er günstiger in der Herstellung und erfordere eine geringere H2-Qualität als bei der Verwendung von Wasserstoff in der Brennstoffzelle, besäße aber eine geringe Effizienz und damit Reichweite auch aufgrund fehlender Rekuperation. Zudem benötigte er einen hubraumstarken Motor, dem in Zukunft der Platz unter der Kabine fehle, da die EU die Fahrerhäuser aus Sicherheitserwägungen – Vorgaben zur direkten Sicht – künftig absenken möchte. Im Betrieb sei der Verbrennermotor darüber hinaus auf kleine Beigaben von Diesel angewiesen, so dass sein lokaler CO2-Ausstoß nicht Null wie beim E-Lkw betrage. Zwar habe die EU gerade den Vorschlag gemacht, seine erlaubten Emissionen von zuvor auf 1 g CO2/vkm (entspricht 0,1 % der Emissionen eines Diesel-Lkw) auf 5 g CO2/tkm (10 %), was somit der Erhöhung um den Faktor 100 bedeutet. Eine Alternative biete er aber dennoch weiterhin nicht.

Nachladen: 490 km Reichweite in 30 Minuten

Viel mehr spreche dagegen für den vollelektrischen Lkw. Nahezu alle ab 2023 in Serie gehende Modelle wiesen bereits eine Tagesreichweite von 400 km auf, was nahezu 50 % aller derzeit mit Diesel-Trucks zu leistenden Einsätze abdecke. Bis 2030 steige die Reichweite auf 600 km, was 90 % aller Anwendungen entspräche. Dem Markt für Wasserstoff-Lkw bliebe also realistisch nur der Bereich von 600 bis 1.000 km Tagesradius und somit 10 % des Transportmarkts – ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der E-Lkw natürlich in der 45-minütigen Pause des Fahrers nach 4,5 Stunden Einsatzzeit mit Energie versorgen könne.

Designwerk hat gerade den ersten Prototypen aufgebaut, der 490 km Reichweite in 30 Minuten bei einer Laderate von realistischen 1,2 C nachladen könne und danach genug Einsatzradius für den zweiten Turn aufweise. Er soll noch 2023 zur Erprobung auf die Straße. Die Ladegeschwindigkeit betrage dabei im Schnitt enorme 1,2 MW bei der Aufladung von 10 auf 80 % SoC (Ladezustand) – kein Problem mit dem künftigen Ladestandard MCS, der Ladeleistungen bis 3,75 MW erlaube. Mehr als 900 km Einsatzreichweite seien mit einem High Cab Semi 6x2T von Designwerk mit 1.000 kWh Batteriekapazität pro Tag möglich.

Laufleistungen von über 150.000 km

Gegenüber dem derzeit noch dominierenden Diesel schnitte ein vollelektrisches Pendant somit kaum schlechter in seinen Einsatzleistungen ab. Bei einem Verbrauch von rund 132 kWh/100 km könne ein schwerer E-Lkw problemlos Laufleistungen von über 150.000 km im Jahr erreichen. Gänzlich überlegen sei er dem Diesel-Truck bei der Umweltbilanz. Zwar benötige die Herstellung des Antriebssystems (79.000 kg CO2) – vor allem in Form der Batterie (76.000 CO2) – beim Stromer deutlich mehr Energie als beim Verbrenner (7.000 kg CO2). Aber diesen Malus könne er angesichts des Strommixes der Schweiz bereits nach 0,98 Jahren aufholen, im europäischen Mix nach 1,4 Jahren – denn enorme 97 % seiner Emissionen erzeuge der Diesel-Lkw im Einsatz. Während der Diesel 83.200 kg, also rund 83 t CO2im Jahr emittiere, seien es bei im Eidgenossenstaat eingesetzten vollelektrischen Lkw lediglich 16.195 kg und auf EU-Ebene 38.460 kg.

Sekundärverluste beim Diesel

Noch nicht einbezogen in dieser Rechnung sind die Verluste des Diesels von der Quelle bis zum Tank, die das ICCT jüngst mit 29,6 % beziffert – also insgesamt rund 3,42 kg CO2 pro l Diesel statt eigentlich energetischen 2,64 kg. Somit liegen die Emission pro Verbrenner im Schnitt also tatsächlich bei knapp 108 t CO2 im Jahr. Zudem hat er Umweltnachteile bei Wartung und Service. Und schließlich könne der E-Lkw seine Bilanz durch einen langjährigen Second-Life-Einsatz der Batterien etwa für Pufferanwendungen an Nfz-Ladestationen – um Lastspitzen zu vermeiden – und späteres Recycling der wertvollen Akkurohstoffe verbessern. Denn Lastspitzen stellten ein erheblich größeres Problem als die für die E-Lkw benötigte jährliche Strommenge dar. Sollten alle Trucks in Europa einmal vollelektrisch fahren, würde letztere lediglich um rund 15 % ansteigen – zusätzlich zum Plus für E-Pkw von ca. 20 %. Das sei sicherlich machbar, so Erdmann.

Die Investitionen in die europäische Ladeinfrastruktur würden in etwa 15 Mrd. Euro betragen. Zum Vergleich: Die Aufwendungen für eine H2-Tankinfrastruktur würden 25 Mrd. Euro ausmachen, für ein Oberleitungsnetz mit alleine in Deutschland mindestens 1.200 km Leitungslänge rund 35 Mrd. Euro europaweit – schon alleine deshalb stelle der Oberleitungs-Lkw keine Option dar.

Klares Fazit von Markus Erdmann nach der einstündigen Online-Veranstaltung: Alleine dem E-Lkw gehört die Zukunft im straßengebundenen Transportsystem – auch im Fernverkehr.

Hier können Sie das Conference-Days-Event mit Markus Erdmann von Designwerk noch einmal im kompletten Mitschnitt sehen: https://conference-days.de.