Daimler: Zwischen gestern und morgen

Der neue Konzernchef Ola Källenius muss bei der ersten Jahrespressekonferenz maue Zahlen vorlegen und will durch Digitalisierung und Elektrifizierung sowie mit Kooperationen aus der Krise fahren. Nur die Trucks und Mobilitätsdienste verdienen ordentlich, die Vans schwächeln.

Sustainable Luxury: Daimler-Konzern-Chef Ola Källenius (m.) will den Widerspruch auflösen und nachhaltigen Luxus als neues Leitbild des Unternehmens installieren, etwa in Gestalt des Vision EQS. Derzeit verkauft man aber eher noch viele Verbrenner-SUV vom Schlage eines GLA (links) aufwärts. Der kommt Ende des Jahres elektrisch. | Foto: Daimler
Sustainable Luxury: Daimler-Konzern-Chef Ola Källenius (m.) will den Widerspruch auflösen und nachhaltigen Luxus als neues Leitbild des Unternehmens installieren, etwa in Gestalt des Vision EQS. Derzeit verkauft man aber eher noch viele Verbrenner-SUV vom Schlage eines GLA (links) aufwärts. Der kommt Ende des Jahres elektrisch. | Foto: Daimler
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Der Daimler-Konzern hat im vergangenen Jahr trotz hohem Absatz deutlich weniger verdient und für die Sparte Pkw und Vans fast keinen Gewinn verzeichnet. Nur dank des Beitrags der Lkw-Sparte und der Finanzdienstleistungen fuhr der Konzern noch auf eine Umsatzrendite von 2,5 Prozent, der Gewinn in absoluten Zahlen sank von 7,6 auf 2,7 Milliarden Euro, bei einem Gesamtumsatz von 173 Milliarden Euro und 2,39 Millionen verkauften Fahrzeugen. Vor allem die Transporter schwächelten aufgrund des Flops mit dem Pick-up X-Klasse, den Rückstellungen für die Diesel-Problematik, Rückrufe bei Airbags sowie die hohen Investitionen in die Elektromobilität. Sie fuhren nur bei 284 Mio. Euro Gewinn nur eine Rendite von 1,9 Prozent ein, bei einem Absatzwachstum von 4 Prozent und einem Umsatzwachstum von 9 Prozent.

Die Truck-Sparte verzeichnete zwar einen Absatzrückgang von 6 Prozent vor allem in Europa und Asien, erzielte dabei aber ein Umsatzwachstum von 5 Prozent und kam bei einem Rückgang von 1,1 Prozent noch auf eine Rendite von 6,1 Prozent. Immerhin konnte die Mobilitätssparte Daimler Mobility mit "Your now" ihren Umsatz dank Vertragszuwachs auf 74,4 Mrd. Euro steigern und verzeichnete durch die Zusammenlegung mit den Diensten der BMW Group einen positiven Effekt im Ergebnis, das bei 1,82 Mrd. Euro lag, unterm Strich eine bereinigte Rendite von 13,1 Prozent.

Der neue Konzernchef Ola Källenius räumte aber ein, man habe ein "Kostenproblem" und verwies auf bereits ergriffene Kostensenkungsmaßnahmen und Arbeitsplatzabbau in fünfstelliger Höhe. Zur Begründung führte der Daimler-Chef an, man habe unter "Sondereinflüssen" wie den Kosten für die Aufarbeitung des Dieselaffäre, den teuren Investitionen in neue Technologien, Rückrufaktionen wie bei Airbags sowie den Anlauf der Produktion von Elektrofahrzeugen an. Er gab aber zu:

"Während unsere Ergebnisse im Jahr 2019 die weiterhin starke Nachfrage nach unseren attraktiven Produkten widerspiegeln, können wir mit dem Gewinn nicht zufrieden sein. Das sind nicht die Ergebnisse, die wir für die Zukunft sehen wollen. Das reicht nicht".

Grenzwertig: Volumenmodelle mit E-Antrieb lassen auf sich warten

Källenius will das Ruder mit einer konsequenten Digitalisierung und der Ausrichtung auf die CO2-neutrale Mobilität herumreissen. "Damit schöpfen wir das volle Potenzial in unseren Produkten und unseren Prozessen aus", glaubt der CEO. Man habe daher die Investitionen in neue Technologien "substanziell erhöht" und wolle die "technologische Führungsposition auszuspielen und gleichzeitig unsere Profitabilität deutlich verbessern", meinte der Konzernlenker weiter. Im laufenden Jahr soll jedes zehnte Fahrzeug einen irgendwie gearteten elektrischen Antrieb haben, bisher gibt es aber kein volumenrelevantes Elektro-Modell des Herstellers. Das könnte mit dem EQA anstehen, der allerdings erst im Herbst vorgestellt wird, und das erste vollelektrische SUV-Kompaktmodell darstellt. Die Van-Sparte erweitert ihr Produktportfolio um den vollelektrischen EQV. Dazu sollen diverse Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid-Antrieb und 48-Volt-Technologie kommen. Insgesamt will die Marke Mercedes-Benz den Anteil von Plug-in-Hybriden und vollelektrischen Fahrzeugen am Gesamtabsatz 2020 vervierfachen. Damit einher gehe die weitere Steigerung der eigenen Batterieproduktion. Man werde künftig Batterien für Elektrofahrzeuge in neun Fabriken an sieben Standorten auf drei Kontinenten fertigen.

Noch verdient man mit großformatigen SUV-Verbrennern

Während das eher Zukunftsmusik ist, sind gegenwärtige Umsatztreiber dagegen großformatige und meist konventionell angetriebene SUV-Modelle, von denen Källenius sagt, man könne "das Marktgeschehen nicht hundertprozentig kontrollieren". Die Schlagseite auf schwere Verbrenner könnte aber dafür sorgen, dass der Konzern die bald verbindlichen Flottengrenzwerte verfehlt und Strafzahlungen in Milliardenhöhe gewärtigen müsste. Källenius hält eine Erreichung der Grenzwerte für möglich, könne es "aber nicht garantieren". 

Um voranzukommen, sollen auch die bestehenden Kooperationen ausgebaut werden, etwa die Zusammenarbeit mit Großaktionär Geely bei Smart respektive Volvo, mit Renault bei den Transportern sowie der Teileeinkauf mit BMW. Man sei hier offen für weitergehende Zusammenarbeit, wolle aber nichts kommunizieren, was noch nicht zu einem Ergebnis geführt habe, so Källenius. In jedem Fall selbst entwickeln will man allerdings ein eigenständiges Autobetriebssystem.

LOGISTRA-Kommentar?

Ziemlich unumwunden gab Ola Källenius zu, dass es um den "guten Stern auf allen Straßen", um den Erfinder des Automobils nicht gut bestellt ist in Zeiten, in denen es darum geht, eben dieses Automobil neu zu erfinden. Zu lange hat man sich nach der Devise "never change a running system" von den exzellenten Absätzen von hochglänzenden Verbrenner-Modellen blenden lassen, die Vorgänger Dieter Zetsche regelmäßig lässig präsentieren konnte. Dabei hätte man eher nach der Devise der schwäbischen Hausfrau "Spare in der Zeit, denn dann hast Du in der Not" agieren sollen - und rechtzeitig Reserven für die gewaltigen Investitionen in die Automatisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung zurücklegen sollen. Stattdessen ist man in Zeiten einer ungnädigen Börse fast schon zwingend angewiesen auf Kooperationen - und sogar auf das Geld der Investoren aus China. Und wenn ein Tech-Riesel wie Google/Alphabet es wollte, könnte er Daimler mal eben so aus der Porto-Kasse übernehmen. Tesla wird mittlerweile doppelt so hoch bewertet.

Was für ein schmerzhafter Fall, vor dem bekanntermaßen der Hochmut kommt. Dabei hätte Daimler auf vielen Feldern alle Trümpfe in der Hand gehabt: Brennstoffzelle, Elektromobilität, Batteriefertigung, den Vorteil gegenüber den Premium-Wettbewerbern BMW und Audi, Technologien vom Pkw bis zum Lkw spielen zu können, überall war Daimler eigentlich mal früh dran - und hat dann zukunftsvergessen den Faden verloren, den man jetzt mühsam wieder aufnehmen muss. Wie man einen visionären Kleinwagen wie den Smart, der von seinem Erfinder Nicolas Hayek selbstverständlich "elektrisch" gedacht war, dermaßen verdaddeln kann, dass man jetzt nur noch mit Geelys Hilfe weiterfährt, ist schon eine seltene Management-Fehlleistung. Ebenso das jüngste Abenteuer mit dem Pick-up X-Klasse, das der sonst so erfolgsverwöhnten Van-Sparte in Tateinheit mit dem Diesel-Dilemma die Bilanz völlig verhagelte. Und dass man sich in einem nach wie vor hohen Absatz und Umsatz sonnt, weil die Leute wie verrückt SUV kaufen, ist aus umwelttechnischer Sicht ein Pyrrhus-Sieg: Er kommt als Bummerang zurück, wenn die CO2-Grenzwerte greifen.

Der "gute Stern" hat deutlich an Strahlkraft verloren. Jetzt gilt es, mit klugen, wirklich nachhaltigen Automobilen das "Rad neu zu erfinden" und die alten Zöpfe schnell abzuschneiden. Sie müssen nicht zwingend gleich "Luxury" sein, den sich keiner leisten kann, aber "sustainable".