Deutsches Zentrum für Mobilität: Leuchttürme in München

Wahlkampfwirksam eröffnet CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer sein mit 500 Millionen Euro gefördertes Mobilitätszentrum, das jedoch unklare Aufgaben und Organisation hat. Beim Auftakt stellt CSU-Chef Söder auch noch Radhochwege in Aussicht.

Schöne neue Mobilitätswelt: Unten Stau, oben Flugtaxi - und eine Hochbahn fährt darüber hinweg - so stellt sich das BMVI die Mobilität der Zukunft vor. | Foto: Screenshot
Schöne neue Mobilitätswelt: Unten Stau, oben Flugtaxi - und eine Hochbahn fährt darüber hinweg - so stellt sich das BMVI die Mobilität der Zukunft vor. | Foto: Screenshot
Redaktion (allg.)
(erschienen bei VISION mobility von Johannes Reichel)

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat im Beisein von CSU-Chef und bayerischem Ministerpräsidenten Markus Söder das sogenannte "Deutsche Zentrum für Mobilität  der Zukunft (DZM) in München offiziell eröffnet. Mit dem mit 500 Millionen Euro aus Bundesmitteln geförderten DZM solle ein "international herausragendes Zentrum der Mobilitätforschung entstehen", kommentierte der Minister. Ziel sei es, "Antworten auf die Frage zu finden, wie sich Menschen und Waren in Zukunft vor dem Hintergrund der globalen Trends der Dekarbonisierung, Digitalisierung und des demografischen Wandels fortbewegen".

Man bündle damit Kompetenzen und fördere den Austausch von Wissenschaft und Industrie, "anwendungsnah, zukunftsgerichtet, nutzerorientiert, international auf Spitzenniveau und weltweit sichtbar: Mobilität made in Germany", wie Scheuer weiter schwärmte. Deutschland müsse bleiben, was es immer war: Mobililtätsland Nummer 1, postulierte der Minister. "Es laufen jede Menge hochspannender Mobilitätsprojekte in Deutschland", so Scheuer weiter. Es gehe um Straßenbahnen, die Pakete transportierten, Züge und Schiffe, die autonom fahren, Flugzeuge, die klimaneutral fliegen, skizziert der CSU-Politiker weiter. Im Einführungstrailer waren zudem zahlreiche Flugtaxis zu sehen. 

Nebulös: Unklare Funktion und Organisation

Wie genau die Arbeit des DZM aussehen soll, blieb allerdings auch beim Auftakt unklar. Ein Gründungsbeirat um den ehemaligen TU-Präsidenten Wolfgang Hermann soll das Projekt initial forcieren. Hermann sprach von einem Ort der Vernetzung für Vordenker aus ganz Deutschland. Das Zentrum soll mehrere Lehrstühle und einen Praxiscampus bündeln. Bisher sind allerdings nur 20 Vollzeitstellen genehmigt, wie das BMVI gegenüber dem Grünen-Verkehrspolitiker Sven-Christian Kindler auf Bundestagsanfrage hin mitteilte. Nach fünf Jahren soll die Zentrale in München zu voller Personalstärke von 93 Mitarbeitern anwachsen. Unklar ist aber weiterhin die Rechtsform sowie der Standort. Kindler kritisiert denn auch die nebulösen Pläne und spricht von einem "teuren CSU-Wahlkreisgeschenk". Bis heute liege kein konkretes Konzept für das DZM vor. Kindler wirft Scheuer indirekt den verantwortungslosen Umgang mit Steuergeldern vor, wie auch die Versäumnisse rund um die Pkw-Maut gezeigt hätten.

Erneuerbare Kraftstoffe im Fokus

Zum Auftakt des DZM fand der Branchendialog „Erneuerbare Kraftstoffe“ statt, der sich dem Ausbau der Produktion von strombasierten Kraftstoffen und fortschrittlichen Biokraftstoffen in Deutschland und um bestehende technische, ökonomisch und regulatorische Herausforderungen beim Markthochlauf widmete. Zum Erreichen der Klimaziele würden insbesondere erneuerbare Kraftstoffe für den Schiffs- und Flugverkehr sowie den Straßengüterverkehr benötigt, meint das BMVI.

Radhochwege: Söder will Pilotprojekte in München unterstützen

Bei der Veranstaltung von Markus Söder erwähnt wurden auch Pläne für überirdische Radhochwege, die vom Land finanziert werden sollen. "Vielleicht kann man auch ein, zwei aufgeständerte Radwege in München bauen. So könnten Radler ohne Konflikte mit Autos vorankommen", erklärte Söder laut Süddeutscher Zeitung. Man sei zu jeder "innovativen Schandtat" bereit und auch bei der Finanzierung wolle man helfen. Eine Idee, die Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD sofort aufgriff und über sein Mobilitätsreferat Vorschläge erarbeiten lassen will. Die CSU agiert in München derzeit aus der Opposition heraus gegen eine allzu rasche Umsetzung des Münchener Radentscheids, der einen deutlichen Ausbau der Radwege sowie einhergehend Abbau von Parkplätzen und Fahrspuren vorsieht.

LOGISTRA-Kommentar:

Wenn ich nicht mehr weiter weiß, bilde ich einen Arbeitskreis - oder wahlweise ein "Deutsches Zentrum für Mobilität der Zukunft". Geht's eigentlich auch mal eine Nummer kleiner respektive konkreter beim wohl eher scheidenden Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Sein gigantomanisches 500-Millionen-Euro-Projekt in München hat jedenfalls das starke "Gschmäckle" eines Wahlkampfgeschenks für die bayerische Heimat, dessen Sinn sich nicht wirklich erschließt.

Einen Mangel an wissenschaftlicher Forschung und wissenschaftlicher Expertise zum Thema hat Deutschland wahrlich nicht. Aber einen Mangel an Politikern, die für die rechtzeitige Durch- und Umsetzung all der gesammelten Erkenntnisse sorgen.

Denn zum einen forschen und entwickeln ja nicht nur die Industrie, für die das zugleich ein Ringen um Wettbewerbsvorteile ist, sondern auch zahlreiche wissenschaftliche Institute und universitäre Einrichtungen bereits an der Mobilität der Zukunft, sodass es eine örtliche Bündelung nicht wirklich braucht. Zum anderen sorgen zahlreiche Venture Capital-Firmen und Start-up-Inkubatoren, teils Industrie- oder auch Crowd-Funding-gefördert, dafür, dass Ideen nicht nur ausgebrütet, sondern auch marktreif gemacht werden. Man wird den Verdacht nicht los, dass Andi Scheuer zu viel James Bond geschaut hat und ihm etwas vorschwebt, wie das MI6-Technologie-Labor des legendären General Q. So geht es jedenfalls in dem Werbevideo zu, in dem Flugtaxis klar die dominierende Spezies bilden.