Diesel-Fahrverbote: Darmstadt wartet noch, Berlin muss prüfen

Während Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den geplanten Diesel-Gipfel in Brüssel absagt, legen die Gerichte weiter nach und machen auch für gewerbliche Diesel-Fahrer die Zeiten noch unsicherer. Darmstadt, Wiesbaden und auch Berlin könnten folgen.

Bald Sperrgebiet für Diesel? Das Land Berlin muss auch Fahrverbote auf dem Avus in Charlottenburg prüfen. | Foto: Pixabay
Bald Sperrgebiet für Diesel? Das Land Berlin muss auch Fahrverbote auf dem Avus in Charlottenburg prüfen. | Foto: Pixabay
Johannes Reichel

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ein für nächste Woche geplantes Gipfeltreffen von 13 Spitzenpolitikern aus EU-Ländern zum Thema "Diesel" abgesagt. Er verwies auf die Sitzungswoche im Bundestag und den Besuch des stellvertretenden chinesischen Ministerpräsidenten. Die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska erklärte laut Handelsblatt, die Absage sei enttäuschend. Scheuer lasse eine Gelegenheit verstreichen, sich mit anderen Ländern auszutauschen und eine gemeinsame Linie im Hinblick auf die Einführung neuer Antriebstechnologien zu sondieren. Deutschland habe auf den Dieselskandal „von den EU-Staaten am entschiedensten reagiert“, befand sie. Ohne Deutschland als größte Autonation sei ein Treffen aber sinnlos, so die Kommissarin weiter. Scheuer verwies in einem Twitter-Video-Statement darauf, dass er nichts von einem Diesel-Gipfel aus EU-Ebene wisse und eine Einladung zum Gespräch über den Diesel schon vor Monaten abgelehnt habe aus besagten terminlichen Gründen.  

In Berlin müssen Diesel-Fahrverbote geprüft werden

Derweil wird es auch in der Bundeshauptstadt Berlin kritisch für Diesel-Fahrer: In dem Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Berlin (VG 10 K 207.16) für „Saubere Luft“ in der Hauptstadt müssen laut Urteilsbegründung der Entscheidung Diesel-Fahrverbote auf allen Straßen geprüft werden, auf denen der Grenzwert überschritten wird. Das gilt damit auch auf einem Teil der Stadtautobahn A100 in Charlottenburg. Auch für weitere Straßenabschnitte ist bis Ende März 2019 ein Diesel-Fahrverbot zu prüfen. Zudem müssen partielle Verbotszonen sondiert werden, wenn Ausweichverkehre bei streckenbezogenen Fahrverboten von Diesel-Pkw nicht anders beherrschbar sind. Das Gericht bewertete im Übrigen die beabsichtigte Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) in seinem schriftlichen Urteil eindeutig als rechtswidrig.

Premiere: In Darmstadt will man sich außergerichtlich einigen

Eine weitere drohende Entscheidung in Sachen Diesel-Fahrverbote ist aufgeschoben worden: Vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden einigten sich Vertreter des Landes Hessen sowie die Kläger von der Deutschen Umwelthilfe und em Verkehrsclub Deutschland (VCD) darauf, im Bezug auf ein Fahrverbot in Darmstadt eine außergerichtliche Einigung zu suchen zu wollen. Gibt es diese nicht, will das Gericht eine Entscheidung am 19. Dezember fällen, und damit unmittelbar, bevor in über Diesel-Fahrverbote für Wiesbaden entschieden werden soll. Ein sogenannter „Green City Plan“, den die hessische Landesregierung als Kompromiss vorgelegt hatte, war für die Stadt zu umständlich und dem Kläger zu langwierig. „Wenn sich die Autoindustrie an die Vorgaben hält und ehrliche Autos baut, werden die Messwerte vorraussichtlich in fünf Jahren ohnehin eingehalten“, erklärte der Vorsitzende Richter Rolf Hartmann laut HR. Erstmals wird versucht, sich außergerichtlich zu einigen, das die Kläger von DUH und VCD begrüßten.

Bayern: Staatsregierung verweigert Vollzug des Urteils weiter

Bizzarre Formen nimmt die Debatte in Bayern an, wo für die Stadt München Fahrverbote längst gerichtlich angeordnet worden waren. Hier droht den Verantwortlichen der Staatsregierung inklusive Ministerpräsident Markus Söder mittlerweile Beugehaft, die vor dem Europäischen Gerichtshof geprüft werden soll. Der Verwaltungsgerichtshof München hat jetzt nochmals festgestellt, dass die Pflicht zur Einführung von Diesel-Fahrverboten feststehe und die Rechtsmittel ausgeschöpft seien. Die Haltung der Landesregierung zeige ein für den Fortbestand des Rechtsstaats bedrohliches Rechts- und Politikverständnis, so die Richter. Sie warfen dem CSU-Politiker evidente Amtspflichtverletzung und gezielte Missachtung des Gerichts vor. Auch habe sich die Luftqualität entgegen der Aussagen der Staatsregierung in den letzten Jahren nicht grundlegend verbessert, teils im Gegenteil.