Elektromobilität: Scherm und BMW nehmen 40-Tonnen-Sattelzug in Betrieb

Erster Einsatz eines vollelektrischen Schwer-Lkw im Straßenbetrieb. Terberg-Schlepper übernimmt Pendelverkehr zwischen Logistikzentrum und BMW-Werk.

Johannes Reichel

Automobillogister Scherm Gruppe und die BMW Group München haben den bundesweit ersten vollelektrischen 40-Tonner mit Straßenzulassung in Betrieb genommen. Im Beisein der Bayerischen Staatsministerin für Wirtschaft Ilse Aigner absolvierte der Terberg-Schlepper seine erste Tour, die über drei Kilometer vom Sitz der Scherm Logistik im Münchner Norden durch den Stadtverkehr bis zum Stammwerk der BMW AG nahe dem Olympiagelände reicht. In Zukunft soll das Fahrzeug auf dieser Route in zwei Schichten täglich 50 Kilometer zurücklegen, was acht Touren entspricht. Wie seine Diesel-getriebenen Pendants befördert das Fahrzeug im "Just-in-Sequence"-Verfahren Automobilteile wie Stoßdämpfer, Federn oder Lenkgetriebe. Die Tagesfahrleistung sei sogar ohne Zwischenladen der 112 kW/h fassenden Akkus am Fahrgestell der Zugmaschine möglich, wie Kurt J. F. Scherm, Geschäftsführer der SCHERM Gruppe unterstrich.

„Als Anbieter von Transportlösungen ist es uns wichtig, auch nachhaltige Transporte anzubieten. Der Elektro-Lkw ist der erste Schritt in Richtung CO2-reduzierte Transportlogistik. Zudem ist der innovative Lkw mit 100 % Ökostrom beladen", sagte der Logistiker beim Stapellauf des Fahrzeugs am 6. Juli. Man habe lange gesucht und zwischenzeitlich sogar eine Eigenentwicklung in Betracht gezogen, erzählt Scherm aus der Genese des Projekts, das man nun gemeinsam mit dem niederländischen Hersteller von Terminal-Traktoren Terberg realisiert hat. Der Hersteller hatte schon zur IAA 2012 eine Elektro-Version seines normalerweise dieselgetriebenen Schleppers vorgestellt und diese in der Zwischenzeit zur Serienreife entwickelt. Scherm ist nun einer der ersten Kunden, die dieses Fahrzeug in Betrieb nehmen. Beide Seiten, BMW wie Scherm, seien einander bei der Umsetzung des Projekts sehr entgegengekommen, betonte ein BMW-Sprecher.

In der Anschaffung liegt der vollelektrische Sattelschlepper etwa zweieinhalb mal so teuer wie ein konventionelles Pendant, schilderte Markus Müller, Vertriebs-Manager bei Terberg. Eine Amortisation falle daher noch schwer, sei aber möglich. Er wies etwa auf die deutlich geringeren Wartungskosten hin, die über 30 Prozent unter denen eines Diesel-Schleppers zu taxieren seien: So gut wie keine Motorwartung, keine Schmierstoffe, so gut wie kein Bremsverschleiß. Zudem lägen die Energiekosten des mit einer effizienten Rekuperation ausgestatteten Lkw natürlich um ein vielfaches niedriger. Der vollelektrische Schlepper spare im Vergleich zu einem Diesel-getriebenen Lkw 11,8 Tonnen CO2 jährlich ein, rechnet BMW vor. [pagebreak]

Auch für die BMW Group war es ein Prestige-Projekt, das sich laut Werksleiter Hermann Bohrer einfügt in den Kontext der Komplettmodernisierung des im dicht besiedelten Münchner Stadtgebiet liegenden Stammwerks.„Mit unserem Elektro- Lkw setzen wir ein weiteres starkes Zeichen für nachhaltige, urbane Mobilität. Wir leisten einen Beitrag dazu, die Emissionen in der Stadt zu reduzieren und sind stolz darauf, als erster Automobilhersteller in Europa, einen elektrischen Lkw dieser Größe auf öffentlichen Straßen einzusetzen.“ Somit leiste der innovative Lkw einen weiteren wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Produktion. Jürgen Maidl, Leiter Logistik der BMW Group, betonte die Potenziale des Elektro- Lkw. „Mit diesem Projekt gewinnen wir sehr wertvolle Erkenntnisse, was in punkto City-Logistik mittels Elektro-Lkws künftig möglich ist. Die BMW Group beschreitet zusammen mit unserem Partner SCHERM Gruppe erneut mutig neue Wege und leistet Pionierarbeit.“

Die Scherm Gruppe, die eigens für den Schlepper auf ihrem Gelände eine mit Ökostrom betriebene Ladesäule eingerichtet hat, will nun erst einmal über ein Jahr Erkenntnisse sammeln und klären, ob das Fahrzeug auf die "Versorgungssicherheit" gewährleisten könne, die man für die Erfüllung des Kundenanspruchs benötige, skizzierte Kurt. J. F. Scherm.

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner betonte, sie sehe in dem Projekt "einen Leuchtturm, dem hoffentlich noch viele weitere Leuchttürme folgen werden". Solche Projekte seien aber auch für die Firmen eine Chance, der Konkurrenz eine Nasenlänge voraus zu sein. Die bayerische Staatsregierung fördere die Elektromobilität auf verschiedenen Kanälen, vor allem in der Forschung, aber auch im Rahmen der "Schaufenster Elektromobilität" des Bundes.

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