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Erster Fahrbericht Hyundai H350: Präzise geschnürtes Paket

Der koreanische Hersteller hat sich den Wettbewerb genau angeschaut - und auf dieser Basis einen auf Anhieb komfortablen und qualitativ hochwertigen Transporter auf die Räder gestellt - zu konkurrenzfähigem Preis.

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Johannes Reichel

Nicht das billigste, sondern ein hochwertiges Angebot machen, mit dieser Ansage waren die Hyundai-Verantwortlichen für den neuen Transporter H350 an den Start gegangen. Die ersten offiziellen Proberunden mit dem komplett neu entwickelten und von Hyundai-Partner Karsan in der Türkei produzierten 3,5-Tonnen-Transporter bestätigen diese Aussage. Wo man auch hinlangt im H350, Schaltknauf, Fensterheber, Lenkrad, Taster - es fühlt sich wertig und solide an, und sieht nebenbei auch noch stilsicher aus. Die koreanischen Akribiker haben ihre Arbeit gründlich gemacht. (Bildergalerie unter logistra.de)

Das fängt an beim problemlosen Einstieg in den geräumigen Innenraum, der vor gut nutzbaren Ablagen nur so strotzt. Offen, geschlossen, ausziehbar, Dosenhalter wie Flaschenhalter. Details wie die gummierten Oberflächen in den offenen Fächern zeugen von viel Praxissinn, wo bei anderen Herstellern die Utensilien in jeder Kurve auf Wanderschaft gehen. Größere Unterlagen kann man in der Dachgalerie platzieren. Klar, dass wie bei vielen Wettbewerbern auch unter der Beifahrersitzbank ein Staufach verborgen ist und in der Rücklehne eine klappbare Ablage.

Die Übersicht nach vorne und vor allem zur Seite ist gut, die Fensterflächen sind hier großzügig dimensioniert und erweitern den Sichtwinkel. Die Rückspiegel schauen zwar etwas grobschlächtig aus, erlauben aber einen tadellosen Blick zurück. Unterhalb des Radios sorgt eine Leiste samt rutschfestem Fach mit USB/Aux- und 12-Volt-Anschluss für zeitgemäße Konnektivität. Das mittlere Radio mit monochromem Display ist narrensicher bedienbar. Wahlweise gibt es ein Gerät mit 8“-Touchscreen, das dann auch das Bild für die optionale Rückfahrkamera überträgt. [pagebreak]

Die sendet ansonsten nach dem Vorbild des Ford Transit ein kleines Bild auf den Schirm des Innenspiegels, ein nützliches Feature (380 Euro). Optional gibt es das nett gemachte 4,2“-TFT-Display im Zentralinstrument (490 Euro). Das liefert unter anderem auch die schicke optische Darstellung des zuverlässig und zudem mit akustischem Signal bei Überfahren der Fahrbahnmarkierung warnenden Spurassistenten (390 Euro). Angenehm: Man kommt auch von der Beifahrerseite leicht auf den Fahrerplatz, die Gasse zwischen Beifahrersitzbank (ab Ausstattung Profi Serie) ist breit und der Boden steigt kaum merklich an. Nebenbei hat auch der zweite Beifahrer genug Platz vor den Knien.

Das schön griffige Multifunktionslenkrad ist vierfach verstellbar (Ausstatttung Profi), die Bedienung auf Anhieb plausibel. Ergonomisch top sind die haptisch angenehmen und soliden Wippen für die Betätigung von Lautstärke und Tempomat (Serie bei Profi). Selten hat man im Übrigen einen so umkompliziert einstellbaren Tempomat in einem Transporter erlebt. Die in hellgrau und dunkel variierten Kunststoffe wirken darüber hinaus sehr solide zusammengefügt und sind sehr ansehnlich genarbt. Einziger Ausrutscher sind die robusten, aber eher synthetischen Charme versprühenden Bezüge der ohnehin ziemlich unkonturierten und dünn gepolsterten Sitze sowie die billig anmutenden Türhebel aus speckig glänzendem Silberplastik.

Die Türen lassen sich von außen mit dicken Griffen leicht öffnen und fallen satt ins Schloss. Gleiches gilt für die rappelfrei und flüssig schließende (wahlweise verglaste) Schiebetür und die Heckportale. Selbige gibt’s in der Langversion auch mit 270 Grad Öffnungswinkel (360 Euro), dennoch besteht hier Kollisionsgefahr mit der Schiebetür, sodass sich der Fahrer entscheiden muss. Apropos: Eine Schiebeportal links haben sich die Hyundai-Ingenieure gespart. Wer also die als Rekord in der Klasse der 13-Kubikkastenwagen reklamierten fünf Paletten tatsächlich im geräumigen und per griffiger Stufe am Heck (130 Euro) gut zugänglichen Inneren unterbringen will, muss tüchtig mit dem Stapler durch die mit 1,28 Meter üppig breite Seitenöffnung schieben.

Doch die Botschaft ist klar: Hier gibt’s viel Stellfläche auf relativ wenig Außenfläche (bei L3 6,19 Meter Außenlänge und 3,78 Meter Ladelänge), wobei ein (frontgetriebener) Fiat Ducato 3,70 Meter Ladelänge unter sechs Metern realisiert. Allzu schwer sollten der Ballast auf den Standardladungsträgern auch nicht sein, denn die hohe Solidität und Karosseriequalität sowie der Heckantrieb schlagen sich in einem nicht gerade diätischen Leergewicht von mindestens 2240 Kilo in der Langversion nieder. Wobei sich der Hyundai damit auf Klassenniveau bewegt, weil der Trend ohnehin ungut Richtung Übergewicht geht. [pagebreak]

Die Liste der Optionen zeigt sich - typisch für die Marke - sehr übersichtlich. Nebenantrieb, kürzere Hinterachse, verstärkte Geräuschdämmung (!), wahlweise ein Schwingsitz (480 Euro, mit Armlehnen und Lordosenstütze), das war’s dann auch schon weitgehend. Für den Laderaum gibt’s ein Cargo-Paket mit Holzboden und Seitenverkleidung sowie Ablage über der Fahrerkabine, wahlweise kann man hochwertigeren Bott-Laderaumschutz, zusätzlich samt aufwändigerer Ladungssicherung ordern. Auch ein Bott-Service-Ausbau mit Regalen ist ab Werk verfügbar.

Hier will Hyundai ohnehin noch nachlegen mit Branchenmodellen im Einrechnungsgeschäft: Neben Pritsche und Kipper ist auch eine Kühlversion angedacht. Auch einen Koffer für das neben Kasten und Kombi-Bus ebenfalls erhältliche Fahrgestell könnte es geben. Viele der Optionen sind im Übrigen der höhenwertigen, um 1500 Euro teureren „Profi“-Version vorbehalten, für die es auch die - um es vorwegzunehmen - in Anbetracht des kräftigen Basisaggregats unnötige 170-PS-Version des 2,5-Liter-Motors (422 Nm Drehmoment!) gibt.Apropos „Wert“: So nennt sich das Paket, in dessen nicht ganz billigen Rahmen (3400 Euro) sich auch Klima, das teure Navi, Lichtsensor sowie die schicken LED-Tagfahrleuchten verbergen.
 

Wer einfach nur einen schlichten und ordentlich ausstaffierten Kastenwagen für den Transport sucht, ist mit dem „Eco“ schon gut bedient. Der hält auch preislich das Maß, das man von der Marke dann doch erwartet und wahrt etwa zum Sprinter deutlich, aber auch zum neuen Ford Transit noch gut Abstand, liegt aber etwa auf dem Listenniveau eines weitgehend vorkonfigurierten VW Crafter "Eco Profi" mit 100-kW-Euro-5-Motor und mittlerem Radstand oder eines 13-Kubik-Ducato. Für 30.900 Euro netto erhält man generell ein generell sehr komfortables und kräftig motorisiertes Werkzeug. Der Motor hat mit seinen 150 PS und üppigen 343 Nm Drehmoment (ab 1500/min) keinerlei Mühe, den allerdings unbeladenen Testwagen zu beschleunigen.

Nach klaglosem Antritt mit unbeladen leichten Traktionsproblemen atmet der VGT-geladene 2,5-Liter-Common-Rail-Diesel im dritten Gang so richtig durch und bringt den H350, untermalt vom aus dem H1 gewohnten dezenten Trommeln zügig auf Tempo. Schnell gewöhnt man sich die Schaltfolge 1/3/5 an. Die trotz zweier Ausgleichswellen ausgeprägte Brummfrequenz knapp unterhalb von 1100/min hat man dank guter Elastizität rasch überwunden. Die lang ausgelegte sechste Stufe - bei 120 km/h liegen knapp 2000/min an - ist dann ein Fall für die Autobahn, wo man entspannt und akustisch kaum behelligt dahinschnürt. Immer steht genug Power zur Verfügung, etwa um mal eine Lücke zuzufahren oder ein Überholmanöver zu absolvieren. Gefühlt liegt der 150-PS-CRDI auf dem Niveau der Topmaschinen der Konkurrenz. [pagebreak]

Das niedrige Drehzahlniveau kann der H350 allerdings ebenso gut gebrauchen wie das serienmäßige und schnell sowie unauffällig agierende Start-Stopp-System, um seinen Verbrauch etwas zu optimieren. Der bildet vielleicht die Achillesferse des H350: Der angejahrte, großvolumige Vierzylinder, auch im Kompakt-Transporter H1 im Einsatz, hat zwar Kraft wie ein Bär, offenbar aber auch entsprechenden Durst. Immerhin macht Hyundai hier mit nicht gerade berückenden 8,1 l/100 km eine ehrliche Ansage, der wir bei einer ersten wie gewohnt bewusst ökonomisch absolvierten 100-km-Stadt-Überland-Runde zumindest laut Bordcomputer mit 8,3 l/100 km nahe kamen. Immerhin, tiefenentspannt, wie das Aggregat wirkt, dürfte es mit langer Haltbarkeit entschädigen, wozu auch die Kettensteuerung der Nockenwellen beiträgt. Außerdem hat der Motor genug Reserven, um die Anhängelast von großzügigen drei Tonnen zu bewältigen, dann aber besser mit der kürzeren Übersetzung.

Neben dem Motor - im Testwagen offenbar von der zusätzlichen Geräuschdämmung gefiltert - haben die Koreaner vor allem die Abroll- und Windgeräusche bestens gebändigt. Auch an Spiegeln oder in den Türdichtungen zirpt nichts. Der H350 ist ein sehr leises Fahrzeug, auch Querfugen oder Schlaglöcher bei höherem Tempo bringen weder die Karosserie aus der Contenance noch verschallen sie sich nennenswert in der Kabine. Die Federung filtert ebenso effektiv und vermittelt das Gefühl von „schwerer Qualität“ und gediegenem Komfort.

Auch das Handling fügt sich in dieses Bild: die Lenkung versucht gar nicht erst, besonders agil zu wirken, das Lenkgefühl ist einfach nur „organisch“ und der Gattung angemessen. Klar, ein Ford Transit oder Fiat Ducato fahren sich zackiger, bei letzterem geht das aber deutlich zu Lasten des Komforts. Auf sportive Anwandlungen reagiert der H350 stoisch, auch zackig gefahrene Kurven bringen ihn nicht aus der Ruhe. Beladen sollen mit 1,50 Meter Spannweite extrem lange Blattfedern helfen, den H350 auf Niveau zu halten. Der Geradeauslauf ist dank nicht zu langem Überhang und breiter Spur ebenfalls tadellos. Der nicht zu lange, nicht zu kurze Radstand von 3,67 Meter bei der Langversion hält auch den Wendekreis erfreulich kompakt:12,9 Meter sind ein Top-Wert. Bei der kürzeren Version (5,51 m Länge) sind es sogar nur 10,5 Meter. [pagebreak]

Ruhe bewahrt das Fahrzeug auch beim Bremsen: Die mit „fetten“ Pedalen und genug Abstand auch mit Sicherheitsschuhen tadellos "tretbaren", vorn und hinten innenbelüfteten Bremsen fassen weder nervös noch schluffig, sondern mit genau richtigem Bremsgefühl zu, bei strammerem Tritt mit vertrauensbildender Entschlossenheit. An Steigungen hilft im Übrigen eine serienmäßige Anfahrhilfe aus den Startblöcken.

Bleibt unterm Strich der möglicherweise eher maue Verbrauch als größtes Defizit: Dem Vernehmen nach steht allerdings mit dem Update auf Euro 6 zum Oktober 2016 ein moderneres und sparsameres Aggregat in den Startlöchern, das vielleicht auch ein längeres Serviceintervall als die mittlerweile nurmehr durchschnittlichen 30.000 km ermöglicht. Es könnte sich um den jüngst vorgestellten 2,0-Liter-Euro-6-CRDI aus Hyundais SUV Santa Fe/Tuscon handeln (150 PS/383 Nm). Dann würde aus einem auf Anhieb gut gelungenen 3,5-Tonnen-Transporter ein sehr gutes Fahrzeug.

Insgesamt hat Hyundai mit dem dazu passend eher konventionell designten H350 das das Rad nicht neu erfunden, aber doch die Vorzüge verschiedener Wettbewerber überzeugend in einem Modell vereint. Und mit einer Dreijahres-Garantie setzt die Marke noch einen oben drauf. Ohne Kilometerbegrenzung wohlgemerkt, so viel Zutrauen haben die bescheiden auftretenden und doch äußerst selbstbewussten Koreaner in ihr neues Produkt dann schon. Das geht für den Anfang bei 40 Händlern in den Vertrieb, bevorzugt auf leichte Nutzfahrzeuge geschulte Flottenspezialisten in Ballungsgebieten.

2015 will man noch 5000 Exemplare losschlagen, 2016 bereits einen Marktanteil von 2,5 Prozent erobern. Bis 2017 will der aufstrebende Hersteller dann über 100 LCV-Betriebe aufgebaut haben - und dann mal sehen, ob man das Hyundai-Kuchenstück an der mit knapp 100.000 Einheiten höchst attraktiven 3,5-Tonner-Torte in Deutschland nicht noch vergrößern kann.

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