Expertenrat zum Klimaschutzprogramm: Der Verkehr reißt eine Lücke
Der Expertenrat für Klimafragen hat jüngst seine Stellungnahme zum Klimaschutzprogramm 2023 veröffentlicht, gleichzeitig das Umweltbundesamt den zugrunde liegenden Projektionsbericht der Bundesregierung. Zwei Drittel der verbleibende Emissionslücke gehe demnach auf das Konto des Verkehrssektors, den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verantwortet. Aus Sicht des federführenden Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck (Grüne) erkenne der Expertenrat damit durchaus an, dass mit den vorgelegten Maßnahmen ein signifikanter Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird, unter Verweis auf bestehende Unsicherheiten und weitere nötige Anstrengungen.
Kritischer urteilt das mit der Projektion vom UBA beauftragte Öko-Institut: Bis zum Jahr 2045 werde das Ziel der Treibhausgasneutralität in beiden Szenarien vollständig verfehlt. Mit den aktuell beschlossenen Maßnahmen verbleiben noch 212 Millionen Tonnen Treibhausgase in der Atmosphäre und selbst mit weiteren geplanten, bislang noch nicht beschlossenen, Maßnahmen wären es noch 157 Millionen Tonnen Treibhausgase.
„Die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung hinterlassen hat, wird um bis zu etwa 80 Prozent geschlossen. Das ist ein großer Fortschritt, weil wir viele entscheidende Weichen gestellt haben – vom Ausbau der Erneuerbaren bis zum Klima- und Transformationsfonds und der gezielten Förderung der Dekarbonisierung der Industrie. Aber natürlich ist noch viel zu tun und die Umsetzung ist entscheidend. Daran zu arbeiten, ist eine Aufgabe für die gesamte Regierung", appellierte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck.
Vor allem der Verkehrssektor patzt
Der Beitrag zur Verringerung der Klimaschutzlücke variiere dabei stark von Sektor zu Sektor, so das Ministerium weiter. Mit der Erarbeitung des Klimaschutzprogramms 2023 habe die Bundesregierung viele Maßnahmen, wie den schnelleren Erneuerbaren- Ausbau, das Deutschlandticket und das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK), bereits umgesetzt. Weitere Maßnahmen, wie das GEG, die Klimaschutzverträge für die Transformation der Industrie oder die CO2-orientierte LKW-Maut, habe man auf den Weg gebracht.
Die verbleibende Klimaschutz-Lücke ist laut Projektionsbericht 2023 zu etwa zwei Dritteln auf den Verkehrssektor zurückzuführen. Der restliche nicht-Verkehrssektor-Anteil der Lücke ist in etwa gleichen Teilen dem Gebäude- und dem Industriesektor zuzuordnen. Die Lücke im Gebäudesektor wird laut ERK insbesondere durch die im parlamentarischen Verfahren zum GEG diskutierten längeren Übergangsfristen zur Erfüllung der 65 Prozent Erneuerbare Energien Pflicht für neue Heizungen etwas größer als im Projektionsbericht 2023 angenommen. Es komme jetzt darauf an, das im Gebäudesektor auf den Weg gebrachte Instrumentarium ambitioniert umzusetzen.
„Weiterhin trägt die Energiewirtschaft am stärksten zu den Emissionsreduktionen bei. Darüber hinaus wirken beispielsweise auch klimafreundliche Herstellungsverfahren und Energieeffizienzmaßnahmen in der Industrie oder die CO2-Bepreisung und Emissionsstandards im Verkehr. Sektorübergreifend sorgen der EU-Emissionshandel und die Lastenteilungsrichtlinie für sinkende Emissionen“, erläutert Dr. Hannah Förster, Co-Projektleiterin und Expertin für Klimaprojektionen am Öko-Institut.
T&E-Kritik: Hohe Kosten drohen bei Verzug
Die europäische Umweltdachorganisation Transport & Environment kritisierte, das Verkehrsministerium habe viel Zeit mit öffentlichkeitswirksamen Diskussionen um die Nischenlösung E-Fuels verschwendet. Echte Maßnahmen zur deutlichen Senkung von Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor seien auf der Strecke geblieben. Insgesamt würden in Deutschland bis 2030 so ca. 200 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen, als im Klimaschutzgesetz vorgesehen. Allein durch die kumulative Lücke bei der Erfüllung der Ziele der Lastenteilungsverordnung (ESR) werden voraussichtlich bis zum Ende des Jahrzehnts Zahlungen in Höhe von mehr als 350 Millionen Euro fällig, prognostiziert die Organisation.
"Eine Szenariorechnung, die gezeigt hat, welches Ambitionsniveau für eine Erreichung der Klimaziele notwendig gewesen wäre, lag der Bundesregierung schon seit Beginn der Legislaturperiode vor. Sie enthält die Abschaffung von fossilen Subventionen wie der steuerlichen Begünstigung von Kerosin und Diesel. Eigentlich braucht es einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel, um die Elektrifizierung des Verkehrs und eine Reduktion des Verkehrsaufkommens politisch voranzutreiben", forderte Benedikt Heyl, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei T&E Deutschland.
Das bestätigt auch die Analyse des Öko-Instituts für die einzelnen Sektoren:
- Verkehr: Im Verkehr werden die Ziele des Klimaschutzgesetzes bis 2030 jährlich verfehlt und es baut sich im MMS eine Emissionsminderungslücke in der Höhe von 210 Mio. t CO2e auf. Werden zusätzliche Maßnahmen im MWMS umgesetzt, kann sich diese Lücke auf 187 Mio. t CO2e verringern. Ein Grund für die mangelnde Klimaschutzleistung im Verkehr ist der geringe Bestand an batterieelektrischen Pkw, der mit nur 8,2 Millionen Fahrzeugen die Zielmarke von 15 Millionen im Jahr 2030 nicht erreicht.
- Energiewirtschaft: In der Energiewirtschaft geschieht der Großteil der Emissionsreduktionen bereits bis zum Jahr 2030 und verlangsamt sich danach. So sinken die Emissionen bis 2030 im MMS auf 80 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2e), im MWMS auf 78 Mio. t CO2e. Das entspricht einer Übererfüllung bis 2030 von 38 Mio. t CO2e im MMS und von 37 Mio. t CO2e im MWMS.
- Industrie: In der Industrie sinken die Emissionen zwischen 2022 und 2030 im MMS auf 127 Mio. t CO2e und im MWMS auf 120 Mio. t CO2e. Damit entsteht eine Lücke von 83 bzw. 51 Mio. t CO2e. Die wirkmächtigsten Klimaschutzinstrumente sind die Programme zur Förderung klimafreundlicher Herstellungsverfahren, der EU-Emissionshandel und das Maßnahmenbündel zur Steigerung der Energieeffizienz.
- Gebäude: 2030 werden im MMS 78 Mio. t CO2e und im MWMS 68 Mio. t CO2e emittiert – es bleibt eine Lücke von 96 Mio. t CO2e bzw. 34 Mio. t CO2e im Vergleich zu den Zielvorgaben. Wichtigster Hebel für zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebereich ist eine ambitionierte Umsetzung der Beschlüsse des Koalitionsvertrags, insbesondere das Ziel, dass neueingebaute Heizungen zu 65 Prozent erneuerbare Energien – in Form von Wärmepumpen, Fernwärme und Biomasse – nutzen.
Die Lücke schließt sich - zumindest auf dem Papier
Wesentliche Grundlage für die Wirkungsabschätzung ist der Klimaschutz-Projektionsbericht 2023 der Bundesregierung. Während der vorherige Klimaschutz-Projektionsbericht aus dem Jahr 2021 noch eine kumulierte Überschreitung der im Bundes-Klimaschutzgesetz bis 2030 festgeschriebenen Jahreshöchstmengen von mehr als 1100 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase auswies, wird diese Klimaschutzlücke gemäß aktueller Projektion je nach Szenario auf rund 200-330 Millionen Tonnen reduziert, skizziert das Ministerium.
Instrumentenmix grundsätzlich geeignet
Ähnliches gilt für den Industriesektor: Hier kommt der Projektionsbericht zum Schluss, dass der von der Bundesregierung gewählte Instrumentenmix grundsätzlich geeignet ist, die 2030-Ziele zu erreichen. Es sei daher für die Einhaltung der Ziele im Industriesektor besonders wichtig, dass die Förderprogramme zur Dekarbonisierung sowie die Klimaschutzverträge zeitnah an Fahrt aufnehmen und die erforderlichen Investitionen seitens der Industrie getätigt werden.
Der Expertenrat wurde auf Grundlage des Bundes-Klimaschutzgesetzes eingerichtet. Er überprüft gemäß aktuell geltender Rechtslage die Treibhausgasemissionsdaten im Hinblick auf die Einhaltung der Jahresemissionsmengen der Sektoren, die im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegt sind. Darüber hinaus prüft er die Treibhausgasminderungswirkung von Klimaschutzmaßnahmen in Sofortprogrammen und Klimaschutzprogrammen der Bundesregierung und veröffentlicht alle zwei Jahre ein umfassendes Gutachten zu bisherigen Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen.
Gabelstapler , Newsletter Lagerlogistik/Intralogistik , Lagertechnik , Lager und Hallen bzw. Ausstattung , Citylogistik , Ladungssicherung , Antriebsarten, Kraftstoffe und Emissionen , Kommissionierung , Lieferwagen und Transporter , Paletten , Versand, Umschlag und Lieferung , Fuhrpark- und Flottenmanagement , LogiMAT , E-Commerce , Lkw , KEP-Dienste , Automatisierung , Logistik- bzw. Transport-Dienstleistungen , Lastenräder (Cargobikes, Radkutschen etc.) , Intralogistik - Lagerlogistik , Industrie 4.0 , Anhänger und Aufbauten , Elektromobilität , Flurförderzeuge (Sonst.)