Fahrbericht Fiat Ducato 2019: Mehr Assistenz, Leistung und Alternativen

Mit der Modellpflege des Erfolgs-Transporters halten zeitgemäße Assistenzsysteme ebenso Einzug wie ein sauberer Diesel nach Euro 6dTemp. Außerdem gesellt sich zum CNG-Modell mit dem E-Ducato 2020 eine weitere Alternative. Vor allem am Boom im KEP-Segment will man mit dem Modell teilhaben.

Optisch fast unverändert: Nur am Titan-farbenem Grill und schwarz umrandeten Scheinwerfern kann man den 2019er-Ducato erkennen. | Foto: Fiat Professional
Optisch fast unverändert: Nur am Titan-farbenem Grill und schwarz umrandeten Scheinwerfern kann man den 2019er-Ducato erkennen. | Foto: Fiat Professional
Johannes Reichel

Man hat es ja schon fast vergessen im ganzen Hype um die Elektromobilität, wie sich ein richtiger „Diesel-Motor“ anfühlt: Denn das war und bleibt auch in jüngster Abgaseinstufung Euro 6 d Temp, der von Industriemaschinen abgeleitete F1A-Motor mit 2,3 Liter Hubraum, der jetzt nach der „One-Mission-One-Engine“-Strategie des Herstellers die komplette Ducato-Palette motorisiert. Die höhere Sauberkeit in Sachen NOx und Rußpartikel wird erreicht mithilfe einer SCR-Abgasreinigung, gekoppelt an einen 20-Liter-AdBlue-Tank und diverser motorischer Maßnahmen wie neuen, elektronisch geregelten VTG-Ladern, verstärkten Kurbelwelle und -gehäuse, speziellen Kolben oder der gekühlten Hochdruck-Abgasrückführung. Noch die Kniffe aus dem "guten alten Maschinenbau" eben, der bei Nutzfahrzeugen wohl noch eine Weile gebraucht wird. Und von sich hören lässt.

Auch in der Basis-Version rumort also nun unter der Stummelhaube der kernige, wenig geschmeidige Selbstzünder, in der Grundausprägung 120 PS und satte 320 Nm stark, ein Zuwachs gegenüber dem kultivierteren Pkw-abgeleiteten, kultivierteren Basismotor mit 2,0 Liter Hubraum von 10 Prozent. Eigentlich stellt der Basis-Motor aber damit die Existenz zumindest der Power-Varianten mit 160 und 180 PS in Frage: Für 3,5 Tonnen genügt das Leistungsspektrum der Grundeinstellung allemal. Der auch über das ganze Drehzahlband rustikalen Geräuschkulisse steht nach einem kleinen Anfahrloch eine überlegene Leistungsentfaltung gegenüber, vor allem die Elastizität aus niedrigen Drehzahlen beeindruckt schon bei der Basismaschine, die das volle Drehmoment schon bei 1400/min bereitstellt. So schnürt man problemlos im fünften Gang eine langgezogene Steigung aus dem Turiner Tal hinauf, muss selten zum eher knorrig und lang geführten Schaltknauf greifen.

Neue 9-Gang-Automatik macht einen guten Job

Die Unterstützung des neuen 9-Gang-Automatikgetriebes AT9, das gemeinsam mit ZF für den Ducato adaptiert wurde, bleibt dem Fahrer in der Basisversion allerdings versagt. Sie ist nur für die 140-PS-Version sowie der für Transporteure tendenziell übermotorisierten 160 und 180-PS-„Powerversionen“, die speziell angepasst wurden erhältlich. Die Topmaschine erlaubt mit der AT9 satte 450 Nm Drehmoment, beim Handschalter würde der Frontantrieb hier deutlich an seine Grenzen stoßen - mit entsprechendem Reifenverschleiss ist so oder so zu rechnen.

Die Box, eine der wesentlichen Neuerungen im optisch kaum veränderten 2019er-Modelljahr, soll nicht viel teurer sein als das wenig überzeugende aktuelle Räderwerk (1.990 Euro). Sie erledigt bis auf ein etwas raubauziges Schaltverhalten nach dem Anfahren, wo der zweite Gang etwas lange auf sich warten lässt, einen guten Job. Sie stuft meist schnell, passend und ruckfrei durch, sodass sich manuelle Eingriffe per Schaltknauf meist erübrigen. Auch beim Anfahren am Berg kommt man problemlos und gleichmäßig aus den Puschen. Bergab hält das System bei Lupfen des Gaspedals brav die Gänge und hilft so die üppige Motorbremskraft des Selbstzünders zu nutzen. Das nicht sonderlich reaktiv ausgelegte Gaspedal reagiert auch nicht zu nervös auf Leistungsanforderungen, die Automatik bleibt dem gewählten Gang ganz im Sinne des hohen Drehmoments lange treu.

Ob die Automatik tatsächlich zur Verbrauchsreduktion beiträgt, wie die Fiat-Ingenieure versprechen, muss der erste Test erweisen. In jedem Fall erleichtert sie die Arbeit. Und entrümpelt den ohnehin schon engen Fußraum im Ducato um das Kupplungspedal. Ob man die drei Fahrmodi Standard/Eco/Power wirklich braucht oder ein geschulter Fahrer das nicht ohnehin mit dem Gasfuß regelt, sei dahingestellt. Standardmäßig an Bord ist ein sogenanntes Eco-Pack mit Start-Stopp-System, „smarter“ Lichtmaschine und elektronisch geregelter Kraftstoffpumpe Im Stadtbetrieb soll das Fahrzeug in der Summe zehn Prozent weniger Sprit verbrauchen. Noch sparsamer und vor allem emissionsärmer soll übrigens der Ducato Natural Power mit dem vom Diesel abgeleiteten 3,0-Liter-CNG-Aggregat sein, der weiter als erschwingliche und verfügbare Alternative im Programm bleibt und ab 2020 vom einem vollelektrischen E-Ducato Gesellschaft bekommt ( siehe separater Bericht).

Nicht in Front, aber ausreichend: Fahrerassistenz

Apropos Stadtbetrieb: Hier könnte einem das komplettierte Aufgebot an Fahrerassistenzsystemen hilfreich sein. Ein aktiver Notbremsassistent ist jetzt ebenso erhältlich wie der Querverkehrswarner, der nötigenfalls ebenfalls eine Bremsung einleitet. Vor Fahrzeugen im toten Winkel warnt ein schlichtes Diodendreieck in den Spiegeln, die für sich schon kaum tote Winkel lassen. Etwas nervig und nicht ganz „state of the art“ ist der Spurassistent, der mit lautstarkem „Buzzer-artigem“ Brummen sowie optisch im Zentraldisplay auf ein Abweichen aufmerksam macht. Für den aktiven Lenkeingriff fehlt dem Ducato aber weiterhin die elektromechanische Lenkung. Dafür scannt die Kamera auch Verkehrsschilder und gibt das erlaubte Tempo im Display an. Leider hat der Hersteller einen Abstandstempomaten nicht implementiert, auf den der gerne auch als Langstreckenexpress eingesetzte Ducato also verzichten muss. So fährt der Ducato zwar auf zeitgemäßes Assistenzniveau, setzt aber nirgends neue Maßstäbe. Auch die Ausführung der Systeme wirkt weniger geschliffen und elegant als etwa bei VW, Daimler oder Ford.

Abhängig vom wenig innovativen FCA-Konzernbaukasten

Ebenso wenig auf dem allerneuesten Stand ist man in Sachen Konnektivität: Das Multimediasystem aus dem FCA-Baukasten wirkt fast schon rührend klein im Verhältnis zu einem MBUX im Sprinter oder den jüngsten Ford-Systemen. Sonderlich gut bedienbar ist das mit TomTom-Navigation ausgestattete Gerät auch nicht. Immerhin kann man per Kabel jetzt einige Smartphone-Apps per Apple Carplay oder Android Auto spiegeln. Und der Hersteller will über die Tochter Mopar sowie den Partner Targa Telematik diverse telematische Dienste wie die Lokalisierung im Falle eines Diebstahls inklusive Motorstartverhinderung oder auch Support im Falle eines Unfalls ermöglichen.

KEP-König Ducato: Fiat erwartet weiteres Wachstum durch E-Commerce

Mit diesem Update soll der Ducato, der nach wie vor mit exzellenter Raumausnutzung glänzt, die zweite Lebenszyklushälfte durchschreiten. Fiat-Professional-Chef Stephane Gigou reklamiert die Marktführerschaft in zwölf europäischen Märkten und sei auf Platz 2 in sechs weiteren Märkten, was für die Vorzüge des Ducato spreche. 2018 war für den Hersteller ohnehin ein Rekordjahr, Balsam für die sonst eher geschundene Seele des FCA-Konzerns. Außerdem prognostiziert Gigou getrieben durch den Online-Handel weiteres Wachstum speziell bei mittleren und großen Vans: Bis 2023 soll die Zahl der verkauften Einheiten von 3,3 auf 3,7 Millionen im EMEA-Raum steigen.

Und Fiat will davon tüchtig profitieren: Schon heute machen die KEP- und Lieferfahrzeuge ein Drittel der Ducato-Verkäufe aus. Und der Nachfolger des Doblo, der im Juni nur noch ein kleines Update auf Euro 6 d und mit drei „Mission-driven“ Ausstattungspaketen erhält und der für 2020 in den Startlöchern steht, soll eine halbe Nummer größer werden, um dem Trend zu Tagesschicht-tauglichen Transportern Rechnung zu tragen. Dann heißt es nicht nur „Mehr Ducato denn je“, sondern auch „Mehr Doblo denn je“.