Fahrbericht Mercedes-Benz eSprinter: Endlich mehr Effizienz und Reichweite
Im Segment der elektrischen 4,25-Tonner ist derzeit viel in Bewegung: Deshalb hat Mercedes-Benz Vans den e-Sprinter nochmal kräftig überarbeitet und damit fit gemacht für seinen letzten Sprint bis ein ganz neues Modell auf der VAN.EA-Basis neben ihm stehen wird. Kurzer Faktencheck: Es wird ihn als Fahrgestell und Kastenwagen geben, in den Radständen L2 und L3 und beim Kasten werden die Höhen H1 und H2 angeboten, der großen 113er-Akku passt aber nur unter den L3-Radstand. Die Zuladungen betragen je nach Ausstattung und Radstand 1,1 bis 1,75 Tonnen, es gibt zwei Tonnen Anhängelast, doch wenn man von den fünf Tonnen Zuggesamtgewicht das maximal zulässige Gesamtgewicht von 4,25 Tonnen abzieht, bleiben 750 Kilogramm. Trotzdem ist die Anhängekupplung wichtig bei den meisten Ausschreibungen - und sei es nur, um auf ihr Zusatzgeräte wie Streuer für den Kommunaleinsatz zu montieren.
Der neue Antrieb wanderte ins Hinterachsmodul
Das Package wurde dezent geändert: Die Leistungselektronik blieb unter der Haube, unterm Boden sitzen drei Akkus mit 56, 81 oder 113 kWh Nettokapazität und der Antrieb (wieder von ZF) wanderte ins Hinterachsmodul. Die Lithium-Eisenphosphatakkus kommen ohne Kobalt und Nickel aus, sind allerdings ganz schöne Brocken: Sie wiegen 457, 650 respektive 871 Kilogramm – und an solchen Gewichten wird sich laut Entwicklungschef Andreas Zygan vorerst leider auch nicht allzu viel ändern. Schlau ist die serienmäßige Wärmepumpe, die mit einem aktiven Thermomanagement die Effizienz merklich verbessert.
Dazu trägt auch der eingangs erwähnte Antrieb bei, wenngleich die Effizienzsteigerungen hier nicht mehr so groß ausfallen: Der neue, effizientere Motor von ZF liegt im Wirkungsgrad bei 95% plus und wurde mit Inverter und Getriebe zu einem Modul zusammengefasst. Bei der Gelegenheit spendierte man dem Hinterachsantriebsmodul gleich eine neue Gfk-Blattfeder.
Der große Akku startet zuerst in den USA, größere Auswahl gibt’s in Europa
Der Antrieb bietet in „Comfort“ 150 kW und 400 Nm, geht man auf „Eco“ bleiben 100 kW und in „max. Range“ noch 80 kW, zudem wird hier auch die Klimatisierung merklich zurückgefahren. Soweit alles so bekannt und es wird Zeit, einzusteigen und zu starten. Als Testwagen standen die 14-Kubik-Volumen bietenden Kastenwägen L3 H2 zur Verfügung, mit gut 200 kg ballastiert, sodass wir mit rund 3,5 Tonnen auf Tour gingen. Maximal können hier noch rund 1,1 Tonnen geladen werden.
Auf den ersten Fahrten konnte der günstige Verbrauch überraschen
Wir drücken den Startknopf, strömen los und stellen schnell fest: Mit Komfort hatte der Sprinter ohnehin noch nie ein Problem. Sanft wogt er über die teils schlechten kalifornischen Straßen und selbst üble Unebenheiten bügelt er fein aus. Dabei unterstützt einen das verständige MBUX und nachdem wir die fünfstufige(!) Rekuperation auf „D auto“ ziehen, nutzt er auch die Navidaten, um zu verzögern oder Hinweise zu geben, wann wir den Fuß vom Fahrpedal nehmen können. Zusammen mit den Komfortsitzen samt ausziehbarer Oberschenkelauflage und wirklich hoch einstellbaren Kopfstützen gleitet man so entspannt im dichten kalifornischen Verkehr mit.
Der Verbrauch? Entwickelt sich gut! Mit „Getrödel“, dass auf den großen innerstädtischen US-Straßen so „trödelig“ nicht ist, kamen wir einmal auf 26, bei einer extrem sparsamen Runde gar auf 22 kWh/100 km. Allerdings muss man auch sagen: Während „Max Range“ die Leistung der Klimaanlage noch einigermaßen aufrecht erhält, lassen die verbliebenen 80 kW den Sprinter an den fiesen langen Steigungen im kalifornischen Hinterland dann doch zum argen Schleicher werden und teils auf bis zu 60 km/h „einbrechen“ – was auf US-Highways und Verbindungsetappen, auf denen großenteils bis zu 80 Meilen (130 km/h) erlaubt sind, dann schon gefährlich langsam ist – aber da kein Verkehr war und wir ja ganz auf Verbrauch fuhren, ließen wir es geschehen. Und natürlich könnte man selbst ständig in der Rekuperation „rumpaddeln“, doch warum sollte man das tun, wenn der Sprinter von selbst jedes Gefälle und jede Kreuzung kennt und von allein entsprechend verzögert und so Strom zurückholt. Oder einem anzeigt, dass man den Fuß ganz entspannt vom Fahrpedal nehmen kann?
DC kann man theoretisch mit bis zu 115 kW laden, AC leider nur mit 11 kW
Überhaupt ist der Sprinter nochmal viel intelligenter geworden. Denn auch wenn er sich mit der Ladeplanung bisweilen noch etwas schwer tut und selbst bei milden kalifornischen Temperaturen am HPC-Lader bisweilen nur mit 60 statt mit möglichen 115 kW Strom zieht – kann er die Ladestationen und deren Belegung anzeigen. Im Idealfall könnte man den 56er-Akku in 28, den 81er in 32 und den 113er-Akku in 42 Minuten wieder von zehn auf 80% SoC führen, doch wie gesagt – nicht nur beim eher wackeligen US-Stromnetz sollte man da besser ein paar Minuten mehr einplanen.
B2B-Lösungen erleichtern die Abrechnungen
Und für Flotten- und Firmenkunden wurde ihm optional eine spezielle B2B-Lösung einprogrammiert: Sie bietet die Möglichkeit eines einheitlichen Fahrzeug- und Fahrermanagements sowie die Rechnungslegung für das gesamte Unternehmen. Hier helfen die Truck-Erfahrungen der Schwester Daimler Trucks, wo man das als Fleetboard kennt. In MBUX kann man Ladeeinstellungen oder Abfahrtszeiten einstellen. Man kann den Ladestand begrenzen (SoC 80% maximal tun der Akkulebensdauer gut, wenn man dann mit der Reichweite noch leben kann). Begrenzen könnte man auch den maximalen Stromverbrauch, was aber gerade in anspruchsvoller Topographie nicht unbedingt Sinn macht. Und natürlich kann man vorklimatisieren, was vor allem im Winter fein für Akku und Fahrende ist.
Und mit der „Electric Intelligence“ wird die Reichweite entsprechend der Verkehrssituation und des Routenprofils in Echtzeit errechnet, ebenso wie die bestmögliche Ladestrategie, um entweder schnellstmöglich zum Ziel zu gelangen oder bei der Ankunft noch einen gewünschten Ladezustand zu haben Hier profitiert man auch von den Pkw, will aber bei VAN.EA künftig nicht mehr abwarten, sondern selbst nach vorn preschen. Positiv aufgefallen ist auch die sekundenschnelle Neuberechnung: Einmal kurz extra falsch abgebogen und praktisch „sofort“ gibt es eine neue Route.
„Vollausstattung“ – beim Sprinter empfehlenswert
Hier raten wir auch gleich zum großen Ausstattungspaket, das neben den Komfortsitzen mit ausziehbarer Schenkelauflage und dem Lederlenkrad auch die nützliche Dachgalerie und die deutlich leuchtstärkeren LED-Scheinwerfer mitbringt, im Gegensatz zu den zahlreichen teils völlig sinnbefreiten Chichi-Optionen der Pkw alles wirklich nützliche Goodies.
Auch bei den Ladeformalitäten kann einen MB Vans unterstützen: Mercedes me Charge für Geschäftskunden ermöglicht eine Authentifizierung und das Bezahlen an „vielen“ öffentlichen Ladestationen (inklusive Ionity und Grünstrom) – und man hat nur einen Vertrag sowie eine monatliche Rechnung. Der Sprinter wird dann über Headunit und App ins System integriert und auch die RFID-Karte gibt es ab Werk. Interessant für Flotten könnte auch das Mercedes me Logbuch sein und Mercedes-Benz Van Uptime, womit man sich gegen Aufgeld gegen Ausfälle wappnen kann. Ab Werk mit dabei ist ein Integriertes Servicepaket, das die Kosten für Wartungsarbeiten gemäß Serviceheft und Herstellervorgaben für die ersten vier Services innerhalb der ersten vier Jahre bzw. bis maximal 160.000 Kilometer abdeckt. Wobei beim e-Sprinter hier eher nix anfallen sollte.
Sprinters größte Stärke: Das kompetente Servicenetz
Womit wir bei einer der größten Stärken des elektrischen Sprinter wären – dem dichten und kompetenten Servicenetz, das teils mit Daimler Trucks kombiniert ist: Und hier können wir aus wiederholter eigener Erfahrung sagen: Auch wenn den ersten Elektrosprinter vielleicht der Verkäufer verkauft, den nächsten wird der Service verkaufen, der bei Mercedes-Benz an vielen Standorten absolut kompetent arbeitet. Womit Mercedes hier schon seit Jahrzehnten Maßstäbe setzt, die mit der Elektrifizierung gar nichts zu tun haben, vor allem für B2B-Kunden aber das Zünglein an der Waage sind! Produziert wird er bilanziell CO2-neutral in Charleston, Düsseldorf und Ludwigsfelde.
Die Konkurrenz schläft nicht
Doch die Konkurrenz schläft nicht: Der aerodynamisch optimierte ganz neuentwickelte elektrische Renault Master soll mit 87 kWh-Batterie 27 Prozent weniger Energie als sein Vorgänger brauchen und bis zu 460 km Reichweite nach WLTP bieten…bei 4,0 Tonnen Gesamtgewicht sollen bis zu 1.625 kg Nutz und 2,5 t Anhängelast möglich sein. Zudem kann er auch 22 kW AC und bis zu 130 kW DC laden… das Alles soll ab „Frühjahr 2024“ verfügbar sein.
Der Sprinter sprintet hier etwas zügiger und ist auch schon eingepreist: Aktuell (Stand Februar 2024) ruft die Sternenmarke mindestens 59.990 Euro netto oder 690 Euro monatlich auf (bei 39 Euro Anzahlung, mit denen man die 690 Euro „glättet“ – genau wären es nämlich 690,81 Cent…) über 48 Monate und 80.000 Kilometer. Wer den großen 113er Akku braucht, landet allerdings bei 87.140 Euro – Qualität hat ihren Preis.
Was bedeutet das?
Trotzdem kehren wir zufrieden zurück, denn tatsächlich überzeugte uns das Gesamtpaket aus digitaler Intelligenz, sinnvoller Ausstattung, Komfort und niedrigen realen(!) Verbräuchen. Womit der mittlerweile gut angejahrte Rohbau des Sprinter, der in seinen Grundzügen als „Wagen 906“ respektive jetzt „907“ und „910“ seit 2006 auf dem Markt ist, nochmal einen soliden (Schluss-)Sprint hingelegt hat.
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