Fahrbericht Renault Trucks E-Tech Master: Neuer Meister der E-Vans
Auch die Lkw-Marke Renault Trucks will mit dem neuen Master E-Tech kräftig Strom geben: Neben dem ebenfalls komplett erneuerten Trafic E-Tech und sogar E-Cargobikes am untersten Ende füllt vor allem der vielseitige 3,5- bis 5-Tonner die Lücke zu den ebenfalls komplett elektrischen Trucks der D- und T-Reihe. Viel breiter aufgestellt präsentiert sich der Nachfolger des reichweitenschwachen Vorgängers. Er übertrifft dessen Akkukapazität sogar in der kleinen Version mit 40 kWh Lithium-Ionen-Speicher und setzt in der gefahrenen Variante mit formatfüllendem und ultraflach unterflur verbautem 87-kWh-Akku eine neue Bestmarke in Sachen Reichweite. 170 bis 350 Kilometer soll man mit dem ausgewachsenen E-Transporter stromern können, für viele Anwender speziell im Lieferbereich ist das eine komplette Wochenschicht.
Das entspräche einem sehr moderaten Verbrauch von 21 kWh/100 km, den es im Sommer zu überprüfen gälte. Im Winter zeigte der Bordcomputer im Vorserienmodell Werte jenseits der 30-kWh-Marke an, das ist aber kein verlässlicher Wert. Die N2-Version oberhalb von 3,5 Tonnen soll dann sogar 410 Kilometer schaffen, klar, bei reduziertem Tempo. Apropos: Das lässt sich auch im N1-Transporter modulieren, indem man die Eco-Taste aktiviert. Dann wird der deutlich munterere Vortrieb durch die 300 Nm starke E-Maschine (96 oder 105 kW Leistung) bei 90 km/h sanft eingebremst. Wer es eiliger hat, muss dann die Taste lösen und surrt recht bei recht flottem Antritt bis 120 km/h schnell durch die Lande. Wahlweise flankiert von bis zu 20 Fahrerassistenzsystemen bis hin zum Abstandstempomaten sowie aktiven Spurassistenten, die im Testfahrzeug noch nicht verbaut waren. Zugleich ist der Motor angenehm leise und behelligt das Fahrerohr kaum. Im Vorserienmodell noch nicht hinterlegt war offenbar die Rekuperation, die sich einstufig per "B-Modus" am Lenkstockhebel aktivieren lässt, was ebenso Strom sparen hilft wie ein optimiertes Thermomanagement.
Reif für die Mittelstrecke: 130 kW Schnelllader
Ist der Akku leer, lässt sich mit einer 130-kW-Gleichstrom-Schnellladung lässt sich am Ladeslot recht gut zugänglich und doch remplergeschützt vorne rechts im Kotflügel in 30 Minuten Energie für 229 Kilometer Reichweite nachfüllen. An einer 22-kW-Wechselstrom-Ladestation lässt sich die Batterie in knapp vier Stunden von zehn auf 100 Prozent aufladen. Der batterieelektrische Master ist darüber hinaus Vehicle-to-Load (V2L)- und Vehicle-to-Grid (V2G)-tauglich. Sprich, das Aufladen von Elektrogeräten über eine Steckdose im Cockpit oder im Laderaum ist möglich. Ebenso lassen sich via Adapter Elektrowerkzeuge, Computer und andere Geräte mit der Ladesteckdose verbinden. Für Aufbauer wichtig: Verbraucher wie Kühlaggregate, zusätzliche Heizungs- oder Klimasysteme oder automatische Heckklappen können direkt über die Batterie mit Strom versorgt werden.
Ansonsten fährt sich der Master sehr angenehm, mit gutem Komfort, für die Gattung ausreichend agilem Handling, das vor allem leichtgängig durch die Stadt manövrieren lässt. Der zuvor enorm große Wendekreis wurde dank kürzerem Radstand und neuer Lenkung trotz Frontantrieb um 1,5 Meter verkleinert. Die großformatigen Spiegel bieten eine gute Übersicht, wie auch die erhöhte Sitzposition aus dem Cockpit. Im Zweifel helfen Kameras an Front und Heck, nicht den Durchblick zu verlieren. Dank Wählhebel am Lenkrad fällt die Schaltkonsole weg und der Durchstieg dadurch viel leichter.
Die meisten Bedarfe deckt der Stromer ab
Für schwerere und weitere Bedarfe soll es künftig zudem einen Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb geben. Doch die meisten Anwendungen der Master-Kunden, über 90 Prozent, das bestätigt auch ein Flottenverantwortlicher vor Ort, ließen sich mit dem batterieelektrischen Van absolvieren. Wenn nun noch die lokale Ladeinfrastruktur aus dem Quark käme, nicht nur in München, wo wir den E-Van im Umfeld der Motorworld fahren konnten, stockt der Ausbau massiv. Insbesondere für Gewerbekunden wäre eine ortsnahe Lademöglichkeit aber gerade für den Einstieg wichtig, wenn man noch keine eigene Ladeinfrastruktur zur Verfügung hat. Gut, ansonsten genügt es natürlich bei der Reichweite, einmal in der Woche an den Schnelllader in der Vorstadt oder an der Autobahn zu rollen.
Vielseitig wie der Diesel
Jedenfalls bietet der E-Tech-Master jetzt ein überzeugendes Paket, das dem Diesel nicht nachsteht, in drei Längen und zwei Dachhöhen (Kastenwagen 11-22 m³) sowie selbstverständlich auch als elektrisches Fahrgestell: Die Kabine ist natürlich ebenso geräumig, zudem praktischer und wertiger als zuvor wie beim Selbstzünder, das 10-Zoll-Infotainment mit knackscharfem Screen und Googles Android Automotive-Anbindung, Over the Air-Updates und Telematik-Konnektivität auf dem Stand der Dinge. Der Laderaum erweist sich trotz so gut es bei einem Kastenwagen eben geht aerodynamisch gestalteter Silhouette ebenso praxisnah gestaltet und deutlich solider verarbeitet als im Vorgänger, außerdem über eine breitere, viel robuster laufende Schiebetür noch besser zugänglich und wahlweise mit cleverem Regalsystem ausgerüstet.
Renault Trucks reklamiert für sich, vor allem bei Aus- und Aufbauten sowie beim Service gewerbliche Ansprüche besser erfüllen zu können. Bis zu 1,6 Tonnen Nutzlast (dank Ausnahmeregelung bis 4,0 Tonnen Gesamtgewicht) und 2,5 Tonnen Anhängelast stehen zur Verfügung. So fährt der Master E-Tech jedenfalls einstweilen auf Augenhöhe mit dem Ford E-Transit, bisher das Maß der Dinge bei den großen E-Vans. Mal sehen, wie Mercedes mit dem neuen eSprinter reagiert. Konkurrenz belebt auch das Stromgeschäft. Ach ja, und ein attraktiver Preis. Nicht zuletzt den versprechen die elektro-überzeugten Renault-Trucks-Verantwortlichen.
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