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Fahrbericht TYN-e TX7: Quadratisch, praktisch, elektrisch - erschwinglich!

Mit dem ab 20.000 Euro günstigen E-Van, der auch als potente Pritsche mit 1,2 Tonnen Nutzlast kommt, will das Waiblinger Start-up aus Verlags- und Zulieferbranche beweisen, wie man fernöstliche Kostenvorteile mit schwäbischem Engineering kreuzt. Die erste Tour ist vielversprechend.

Schmalhans ist Lademeister: Der TYN-e kommt problemlos durch die Gassen der Tiny-House-Mustersiedlung in Waiblingen. | Foto: J. Reichel
Schmalhans ist Lademeister: Der TYN-e kommt problemlos durch die Gassen der Tiny-House-Mustersiedlung in Waiblingen. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Es ist ein Dilemma: Würde man den Elektro-Van TYN-e in Wabilingen produzieren, er käme glatt um das Doppelte teurer: Statt 20.000 Euro Netto-Startpreis hätte man mit 40.000 Euro rechnen müssen. Zu viel, für die Mission, die sich die Macher vorgenommen haben: Einen erschwinglichen, robusten, flexiblen und belastbaren Elektrovan für Gewerbe, Logistik, Kommunen, sprich ein Van für alle Fälle. Einer, der den Diesel obsolet macht und nicht nur Fracht, sondern die Transformation befördert und die Antriebswende beschleunigt.

Ohne China wird das im Moment nichts, ist sich TYN-e-Geschäftsführer Markus Graf ganz sicher. Man fühlt sich fast an die Solarbranche erinnert. Und so erkennt man in Waiblingen, pragmatisch-schwäbisch, die Realitäten an, wie sie sind und nutzt die gewaltigen Kosten-, Skalen- und Produktionsvorteile des chinesischen Produktionspartners und eigentlichen Herstellers Shandong Horche, um sie mit schwäbischem Engineering- sowie Marketing- und Vertriebs-Know-How zu kreuzen.

Zahlreiche Verbesserungen flossen seit nunmehr fünf Jahren in die Weiterentwicklung und europäische N1-Homologation des kleinen Elektrotransporters ein, die nun sogar in die Gründung eines Joint Ventures mit den Chinesen mündet. Die legen die kontinuierliche Modellpflege und –weiterentwicklung damit in die kundigen Hände der Waiblinger, hinter denen wiederum der bekannte Autozulieferer Albert Weber sowie das Verlagshaus Villinger und dessen ShareXMobility steckt.

Nur der Startpunkt einer Entwicklung

Der aktuelle Stand des kleinen E-Transporters soll nur der Startpunkt sein. der jetzt, nachdem ein ziemlich ärgerlicher Rechtsstreit wegen Plagiatsverdacht gegen einen dreisten Wettbewerber durch Insolvenz vom Tisch ist, endgültig an den Start rollt. Wer von einem schwäbischen Transporterhersteller spricht, wird künftig zwei meinen können: Den Großen mit dem Stern – und den Kleinen mit den Kulleraugen. Klar, Design und Marketing ist wichtig, und so investierte man auch in die Gestaltung des City-Lasters viel Zeit und Hirnschmalz, sodass eine freundliche und zeitlose Optik entstand – und mit dem Markennamen TYN-e auch eine sinnfällige Wortschöpfung in Anlehnung an „elektrisch“ ebenso wie an das englische „tiny“, für "winzig". Nur das dies eben kein „tiny house“, sondern ein „tiny van“ sein soll.
 

Radikal reduziert

Dessen Geheimnis besteht in der ziemlich radikalen Reduzierung. Maxime war: Lasst alles weg, was man nicht zwingend braucht. Anders wäre der Preis nicht zu erzielen. Drei Versionen stehen vorerst zur Wahl: Vom ultrakompakten TX1-e über den mittig platzierten TX2-e, den es dann auch schon als 1,8-Tonner-Fahrgestell-Pritsche und 4,3-Kubik-Koffer mit 730 bis 800 Kilo Nutzlast und 17-kWh-Akku für 140 Kilometer Reichweite gibt, ab 27.990 respektive 25.990 Euro. Bis hin zum Topmodell TX7-e, das mit 4,40 Meter Länge aber gerade einmal so „kurz“ ist wie ein VW Caddy.

Nur, dass er mit 1,57 Meter durch wirklich jede noch so schmale Hofeinfahrt oder City-Gasse passt. Die von uns gefahrene, schwerste Version, der TX7-e, kommt mit längerem Radstand und größerem Akku sowie verstärktem Fahrwerk, als Pritsche (Pritsche: 2505 x 1490 x 360) oder mit Kofferaufbau (Box: 2505 x 1490 x 1608, 5,7 m³), packt auf 2,50 Meter Ladelänge glatt drei Paletten weg und bietet bis zu 1,2 Tonnen Nutzlast, bei 2,1 Tonnen Gesamtgewicht und brauchbaren Achslastreserven von 625 Kilogramm vorn und 1.375 Kilo hinten.

Ein elektrisches Kofferfahrzeug mit 1,2 Tonnen Leergewicht

Inklusive Koffer kommt das Fahrzeug auf gerade einmal 1.245 Kilogramm Leergewicht, die Pritsche bringt 1.125 Kilo auf die Waage. Für ein vollelektrisches Fahrzeug ist das ziemlich sensationell. Noch leichter steht die Basisversion der Reihe da: 849 Kilo stehen zu Buche, bei 1.450 Gesamtgewicht. Nicht übel für einen Kastenwagen mit 2,6-Kubik-Laderaum, der über die mit simplen und etwas groben Scharnieren angeschlagenen, dafür weiten Klapptüren seitlich und am Heck ganz gut zugänglich ist, sofern man nicht in einer engen Parklücke oder vor einer Hauswand steht.  

Ein kleiner Akku spart Gewicht und Ressourcen

Basis dafür bildet ein Downsizing-Konzept, das mit einem unter dem Fahrgestell platzierten 28,8 kWh-Akku (16,6 kWh bei der Basis) in einem 320-Volt-System, ein recht umweltfreundlicher Lithium-Eisenphosphat-Speicher ohne seltene Erden, auskommt. Die Energie soll für bis zu 200 Kilometer genügen, was wir nach dem ersten Test über knapp 50 Kilometer bestätigen können: Die Anzeige im schlichten Digitalinstrument zählt verlässlich runter, freilich ohne die Klimaanlage bemüht zu haben – oder den elektrischen Zuheizer, der per Knopf aktivierbar ist. Weiterer Vorteil des kleinen Speichers: Am Haushaltslader bei 3,3 kW ist er binnen 10 Stunden wieder voll, der TYN-e lässt sich überall einfach aufladen. Wahlweise auch mit 11 kW in DC, dann in einer Stunde.  

Performance: Der E-Motor treibt flott an

Kein Verzicht bedeutet das bei der Performance: Dank des heckseitig vor dem Hinterachsdifferenzial platzierten Synchronmotors mit 30 kW im Eco- und gar 60 kW im „Sport“-Modus (max. 200 Nm) geht es flott bis sehr flott aus den Blöcken und man lässt jeden Diesel-Van weit hinter sich. Die Basisvariante bescheidet sich hier mit 15 respektive 30 kW (113 Nm), was für urbane Einsätze völlig ausreichend ist. Traktionsprobleme kennt der Pritschen-Transporter auch im unbeladenen Zustand nicht wirklich, nötigenfalls greift eine Schlupfregelung ein und pfeift den forschen Antrieb zurück. Zudem läuft der Horche-eigene Motor ziemlich leise und ohne das sonst für die Leichtelektroklasse typische, durchdringende Geheul.

Wodurch noch mehr auffällt, dass der TYN-e für ein Fahrzeug dieser Gattung ebenfalls recht leise fährt: Selbst bei Topspeed so knapp über 80 km/h kann man sich problemlos unterhalten, die Wind- und Abrollgeräusche halten sich im vertretbaren Rahmen. Die Rekuperation könnte etwas strammer sein, die ABS-Betriebsbremse aus vorn Scheibe, hinten Trommel wird so jedenfalls nicht arbeitslos und packt nötigenfalls kräftig zu in den vorn 13- und hinten 14-Zoll-Rädern.

Solide Verarbeitung, sichere Straßenlage

Zudem knistert und knackst nichts in den Armaturen oder am Chassis, die Konstruktion wirkt recht steif und strahlt keine „Billigheimer“-Aura aus, auch wenn das Interieur sehr preisbewusst gemacht ist und im Design klar auf „form follows function“ setzt, höflich formuliert. Die in der Höhe fixen Sitze sind ok für Kurzstrecken, könnten mehr Seitenhalt, Komfort und Längsverstellung bieten, der Fußraum wird links arg beengt durch den Radkasten, bei ansonsten ordentlichen Raumangebot. Der Komfort ist mit Mehrfachblattfedern und Starrachse hinten und McPherson-Konstrukt vorn erst recht im Leerzustand eher rustikal und nach Art des Ur-Mini von Austin, aber ehrlich und die Straßenlage dafür sicher und verlässlich. Das leicht versetzt stehende Lenkrad ist nicht verstellbar und der Fokus liegt auf Leichtgängigkeit, weniger auf Präzision.

Ziemlich komplette Ausstattung

Eine normale, sprich mechanische Handbremse tut es ebenso wie ein gemeinsames, mittiges Modul für die Fensterheber. Klar, dass die Übersicht in dem „schwäbisch-chinesischen Schmalhans“ exzellent ist, trotz ziemlich kleiner Spiegel, der Wendekreis geht für den langen Radstand auch in Ordnung, ist mit zwölf Meter dann aber nicht mehr so ultrakompakt wie beim nur 3,49 Meter kurzen und gar 1,46 Meter schlanken und 1,68 Meter hohen Basis-Modell mit neun Meter Radius. Standardmäßig ist vieles an Bord, es gibt Klimaanlage und Heizung, einen Touchscreen oder eine Rückfahrkamera, eine Funkfernbedienung, LED-Leuchten, USB-Anschlüsse sowie 12-Volt-Stecker. Ansonsten gilt in Anlehnung an Fords T-Modell laut Markus Graf die Devise: Sie können jede Farbe haben, solange es weiß ist. So poppig in Pastelltürkis geht’s nur für die Vorführer zu.

Natürlich ist der Preis letztlich entscheidend

Das alles kommt zu einem Preis ab 29.990 Euro für die Pritsche und 32.990 Euro für die Box. Und soll neben der ordentlichne Qualität und hohen Effizienz das letztlich schlagende Argument für den Kauf sein. Oder eben für das unkomplizierte Abo von 6 bis 24 Monaten, das man auch anbietet, inklusive Wartung. Auch eine passende Vollkasko-Versicherung für 490 Euro jährlich hat man mittlerweile gefunden.

Und klar, ein Netzwerk an Händlern und Servicewerkstätten gehört dazu (ebenso der Showroom in Waiblingen sowie bald in Barcelona) und ist im Aufbau befindlich, das Interesse von Mehrmarkenhändlern sei groß, die die Verantwortlichen. Doch so wie der Preis die Vertriebsabteilung glücklich macht, dürfte die Einfachheit und Robustheit des Konstrukts die Kollegen der Werkstatt nebenan arbeitslos machen. Umsatz darf man auch nicht zu viel erhoffen: Die Ersatzteile sind einfach zu günstig, wie Markus Graf schmunzelnd meint. Viel Service sollte an dem Fahrzeug nicht anfallen, verspricht er. Und dann hätte der TYN-e einen Teil seiner Mission erfüllt.

Das Beste aus Ost und West will man vereinen

Umweltfreundlich soll er sowieso sein, nicht nur dank des geringen Ressourceneinsatzes bei hoher Recyclingfähigkeit, sondern vor allem auch dank einer brandneuen, fast vollautomatisierten und energieeffizienten Produktion in Fernost. Das Beste aus Ost und West hätten die schwäbischen Cleverle damit vereint. Die sagen ganz deutlich: Klar wollen wir die Welt retten. Aber auch unsere Unternehmen klug in die Zukunft führen. Von „Flucht nach vorn“ will man nicht sprechen, eher von strategischen Weichenstellungen, nun da sowohl das Druckereigeschäft wie auch das Zulieferbusiness wie man es kannte, Auslaufmodelle sind.

Ökonomie und Ökologie sollen sich also künftig in Waiblingen unter dem Dach der ehemaligen Druckerei vereinen, auf solider Basis, mit einer kontinuierlichen, Graf meint „gesunden“ Wachstumskurve, ohne den Zwang, finanziell oft mörderische Großaufträge annehmen zu müssen. Und mit dem stolzen Label „Schwäbisch engineered“ auf der chinesischen Blechhaut. Transformation könnte nicht anschaulicher sein.

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