Ford forciert Aufbaulösungen für Vans

Mit engerer Anbindung der Auf- und Ausbauhersteller sowie "Einrechnungsgeschäften" will der Hersteller bei den Transportern weiter zulegen, mittelfristig auch durch Vereinheitlichung mit den VW-Modellen. Mit einem Online-Tool unterstützt man Converter bei der WLTP-Zertifizierung.

Auf das spezielle Wohl versteht sich das QVM bei Ford am Entwicklungsstandort in Dunton, das stark gewachsen ist und immer mehr Sonderlösungen anbietet. | Foto: J. Reichel
Auf das spezielle Wohl versteht sich das QVM bei Ford am Entwicklungsstandort in Dunton, das stark gewachsen ist und immer mehr Sonderlösungen anbietet. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Der Transporterhersteller Ford will sein Nutzfahrzeuggeschäft weiter ausbauen und hat dafür eine neue Plattform für Auf- und Ausbauhersteller geschaffen. Das sogenannte Qualified Vehicle Modifier-Programm (QVM) ist in drei Jahren seit dem Start von 45 auf 140 beteiligte Partner angewachsen. Um 50 Prozent habe zudem das Geschäft mit den "Special Vehicles" zugelegt, berichtet Simon Robinson, Leiter der Sparte, die am Entwicklungsstandort im britischen Dunton lokalisiert ist.

"Die Zeiten des ,Ein-Fahrzeug-passt-für-Alles' sind endgültig vorbei", so seine Analyse.

Und der SV-Anteil soll mittelfristig sogar noch mehr werden: Im Zuge der Kooperation mit Volkswagen will man gegenüber den Aufbauern die Marktmacht von über zwei bedeutende Marken einheitlicher Plattformen ausspielen. Die nächsten Generationen der 1- und 2-Tonner-Vans im 3- und 3,5-Tonnen-Segment werden bei Ford entwickelt, bestätigte Robinson erneut. 

Bei den Pick-ups hat man ohnehin mit dem Ranger die Pole Position, die ausgebaut werden soll: Mit einem Single-Cab-Fahrgestell, höherer Nutzlast und Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen mittels speziellem Fahrwerks- und Federkit sowie diversen Auf- und Ausbauten peilt man auch hier immer mehr auf gewerbliche Anwender. Mit Erfolg: Fast ein Drittel vom Markt hat sich der "Förster" in den EU-20-Ländern als Revier erschlossen.

Schlüsselfaktor One-Stop-Shopping

Im ersten Zuge soll das QVM soll mit Partnerfirmen hochwertige Spezial- und Branchenlösungen umsetzen und beeinhaltet auch die Option von One-Stop-Shopping-Modellen (OSS), sprich Fahrzeugen im Einrechnungs-Geschäft. Die Bandbreite an Lösungen reicht dabei von Regal- und Kühlausbauten oder Kippern bis hin zu Pferdeboxen oder Krankenbeförderung. Die OSS-Partner liefern dabei populäre Umbaulösungen direkt aus den sogenannten Ford Transit-Centern, um den Kunden den bestmöglichen Komfort und Handling zu bieten.

Fast 50 Prozent der Transit-Modelle erhalten mittlerweile irgendeine Form der Umrüstung oder Spezialisierung erfahren und Aufbauer können aus 450 Kernvarianten wählen, um sicherzugehen, dass sie die ideale Kombination aus Antrieb, Aufbauart, Größe, Nutzlast und Fahrgestellversion für ihre Anwendung haben", begründet der Hersteller das forcierte Engagement.
 

Feinarbeit: Intern entwickelt man zahlreiche Detaillösungen

Intern entwickelt Robinsons Abteilung aber auch eigeninitiativ clevere kleine Lösungen, die aus der Praxis angeregt werden: Etwa eine von den britischen Postal Services angemahnte LED-Leuchte oben am Heckportal, damit die Zusteller die Adressen lesen können. Mittlerweile ist die 250 Lux starke Leuchte 80.000 Mal verbaut worden und ist auch im Nachrüstgeschäft erhältlich. Raffiniert auch kleinere Features wie ein vorkonfigurierter Plug-and-Play-Anschluss für den Kraftstofftank, mit dem sich etwa Standheizungen nachträglich leichter anschließen lassen oder eine aktiv reflektierende Heckportalbeklebung für Servicefahrzeuge.

Schlichtes Touchpad für Direktsteuerung

Praxisgerecht ist auch eine Plug-and-Play-Lösung für die Anhängekupplung samt Elektrik und Integration in das ESP oder Überladeanzeige mit Display, das man oberhalb der Windschutzscheibe verbaut hat. Ein Highlight der Entwickler ist auch ein Touchpad, mit dem sich die diversen Zusatzfunktionen direkt steuern und individuell konfigurieren lassen, etwa Dach- oder Innenleuchten. Hier kombiniert man auch eine Fernsteuerung per Handy-App. Das sei preiswerter als die Integration in das HD-Multimediasystem und für viele Anwender völlig ausreichend.

Auch Versionen wie der "Jumbo"-Großraumkastenwagen oder der Doka-Kastenwagen sind hier entstanden. Auch sind diverse LaSi-Systeme, Regal- und KEP-Ausbauten ab Werk erhältlich, teils länderspezifisch wie das Express Delivery Van Pack für den Transit oder der "Postal Van", die speziell auf den deutschen Markt peilen. Alle Features sind aufgeschlüsselt im stetig wachsenden Ford CV Conversions Catalogue.

Weitere Neuheiten: Schwerer Fronttriebler und Triebkopf

Die gründlich überarbeitete Basis des Ford Transit sei speziell im Hinblick auf die Aufbauten weiter verbessert worden. So bringe etwa die Verwendung einer Blattfeder aus Compositmaterial 15 Kilo mehr Nutzlast für das Fahrgestell. Ergänzt wurde etwa auch ein Interface Connector für die problemlose Anbindung der Aufbau- an die Fahrzeugelektrik. Zudem führt der Hersteller zum neuen Modelljahr eine Frontantriebsvariante für schwerere Anwendungen ein. Darüber hinaus gibt es einen "Heavy-Duty-Antriebsstrang", der für großformatigere Aufbauten wie Wohnmobile, Pferdeboxen oder Ambulanzfahrzeuge geeignet sein soll.

Das robuste Fronttriebler-Modell mit 2,8 Tonnen Leergewicht von 2,8 Tonnen wird kombiniert mit 130 und 160 PS-Versionen des 2,0-Liter-Diesel-Motors, Sechs-Gang-Handschaltung oder Automatik. Außerdem wartet die Triebkopfvariante des FWD mit einer niedrigen Ladehöhe auf, die größere Aufbauten ermöglicht, etwa im KEP-Bereich. Das Gesamtgewichtsspektrum wird erweitert von 3,5 bis 4,5 Tonnen. Außerdem gibt es eine neue L5-Option mit 4.255 mm Radstand. Für den Heckantrieb hat Ford darüber hinaus eine Zehn-Gang-Automaitk angekündigt, die es ab Frühjahr geben soll und die insbesondere durch hohe Effizienz und Schaltgeschwindigkeit speziell im urbanen Bereich geeignet sein soll.

Hilfe bei der Homologation: WLTP-Berechnungstool für Aufbauer

Unterstützung für die Aufbauer leistet man auch mit einem Zertifizierungstool für die WLTP-Homologation. Damit könnten Aufbauhersteller online die Maße und Daten ihrer Fahrzeuge eingeben und präzise CO2-Werte ermitteln, etwa auf Basis des Fahrzeuggewichts und der Stirnfläche und ersparen sich damit teure eigene Messungen. Abschließend könne man mit einem Konformitätszertifikat die Zulassung der regionalen Behörden erhalten. Seit Launch des Tools im vergangenen September seien bereits 6.000 Zertifikate ausgestellt worden, berichtet Robinson stolz.  

Zudem hat der Hersteller ein Special-Vehicle-Team gegründet, das die Aufbauherstersteller mit 100 Ingenieuren bei der Erstellung ihrer Anforderungen unterstützen soll. Dazu zählt auch der Bau von Prototypen und Teilen, die zügig mit Hilfe von 3-D-Drucktechnologie realisiert werden könnten. Das Team erstellt auch ein sogenannten Body and Equipment Mounting Manual (BEMM), das den Aufbauern als Richtlinie bei der Konstruktion dienen soll. Hier arbeitet man auch praxisnah mit Youtube-Videos und einem interaktiven PDF-Kataloge.

Acht-Wochen-Sprint: Online-Tool für Handling von Spezialaufträgen

Im hauseigenen Innovation Lab in Dunton hat man außerdem in einem "Acht-Wochen-Sprint eine leicht nutzbare Converter-Plattform entwickelt, die das Handling zwischen Kunden, Händler, Aufbauern und Werksentwicklern erleichtern soll, inklusive der Integration von 3D-Simulationen der firmeneigenen Spezialfahrzeuge. Das Tool soll noch in diesem Jahr gelauncht werden und soll zum Start bereits 10.000 Konfigurationen enthalten.  

Speziell für die zunehmende Nachfrage nach elektrifizierten Fahrzeugen haben die Ford-Ingenieure in Dunton ein sogenannten "ePower"-Pack für den Transit Custom Plug-in-Hybrid entwickelt. Damit sollen Nutzer Hochvolt-Equipment wie Werkzeuge oder Leuchten vor Ort betreiben können.

Konnektivität: Ab 2020 ist das Modem standardmäßig an Bord

Einen weiteren Schwerpunkt will man auch beim Thema Konnektivität setzen: Ab 2020 werden alle Ford Transit Custom und Transit standardmäßig mit Modem ausgerüstet. Über die Ford Pass Connect-Plattform will man immer mehr Apps erschließen und im Touch-and-Feel des Herstellers ins das Sync-3-Multimediasystem integrieren. Für die PHEV-Modelle spannend wird die angekündigte Funktionalität mit Geofences zu arbeiten und so in sensiblen Zonen automatisch auf Elektro-Antrieb umzustellen oder bei einer bevorstehenden Einfahrt rechtzeitig über den Range-Extender elektrische Kilometer "zu bunkern". Der Kunde könne hier aber auch eigene Geofences setzen, innerhalb derer der Fahrer elektrisch unterwegs sein soll, wie eine Entwicklerin erläutert.  

Mit all diesen Bemühungen glauben Robinson und die Ford-Nutzfahrzeugentwickler den Marktanteil weiter steigern zu können, nachdem die Sparte 2019 bereits um knapp 8 Prozent zugelegt hat, in einem freilich wachsenden Gesamtmarkt. Robinson ist überzeugt: "In Zukunft werden wir immer mehr gewerbliche Fahrzeuge sehen, der Privatfahrzeuganteil geht zurück". Und die meisten davon werden "speziell" sein.