Fraunhofer-UMSICHT-Studie: Mehrweg schlägt Einweg

Das Fraunhofer UMSICHT und das Fraunhofer IML untersuchten drei kunststoffbasierte Mehrwegalternativen im Vergleich zu Einwegpendants - und kommen zu klaren Schlüssen.

Mehrweg-Kunststofflösungen sind Einweganwendungen in vielen Punkten überlegen - das geht aus einer aktuellen Studie des Fraunhofer UMSICHT und der Fraunhofer IML hervor. (Symbolbild: Aleksandr Matveev/ AdobeStock)
Mehrweg-Kunststofflösungen sind Einweganwendungen in vielen Punkten überlegen - das geht aus einer aktuellen Studie des Fraunhofer UMSICHT und der Fraunhofer IML hervor. (Symbolbild: Aleksandr Matveev/ AdobeStock)
Johannes Reichel
(erschienen bei LOGISTIK HEUTE von Sandra Lehmann)

Damit Plastikabfall reduziert wird und eine Kreislaufwirtschaft funktionieren kann, sind Mehrwegsysteme essenziell. Forschende des Fraunhofer UMSICHT und des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, die im Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE zusammenarbeiten, haben für die Stiftung Initiative Mehrweg (SIM) drei kunststoffbasierte Mehrwegsysteme mit ihren Einwegalternativen verglichen. Dazu analysierten die Forschenden die drei Mehrwegsysteme Obst- und Gemüsesteigen (bereits im Handel etabliert), Pflanzentrays (in Vorbereitung für einen großflächigen Einsatz) und Coffee-to-go-Becher (Einführungsphase).

Politische Rahmenbedingungen fehlen

Das geht aus einer aktuellen Pressemitteilung beider Forschungsinstitute hervor. Das Ergebnis: Mehrweg ist Einweg in 14 der 17 untersuchten Kategorien überlegen und bietet großes Potenzial zum Gelingen einer Kreislaufwirtschaft. Was fehlt, so die Wissenschaftler, sind klare politische Rahmenbedingungen und die Umsetzung der bestehenden Abfallhierarchie, die Mehrweg eigentlich priorisiert.

„Green Deal und Taxonomie-Verordnung der EU geben die richtige Richtung für ein nachhaltiges Wirtschaften vor. Aus unserer Sicht gibt es aber folgendes Problem: Die im europäischen Abfallrecht seit Jahrzehnten geregelte Abfallhierarchie definiert eine Rangfolge bei Erzeugung und Umgang mit Kunststoffabfällen. Darin ist das Recycling der Mehrfachnutzung nachgelagert. Die Umsetzung dieser Abfallhierarchie findet bislang aber kaum statt.“, erklärt Jürgen Bertling vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Projektleiter der Studie.

Mehrweg bedeute für Unternehmen zwar zunächst einen höheren Kapitaleinsatz durch den Aufbau von Logistik und Rückfuhrsystemen, Lagerflächen und Reinigungstechnik. Langfristig erweisen sich Mehrwegsysteme jedoch als preiswerter und ressourcenschonender, sie stärken das regionale Wirtschaften und tragen zu einer erhöhten technologischen Souveränität bei. „Entscheidend für die Vorteilhaftigkeit eines Mehrwegsystems sind dabei vor allem die Umlaufzahl und die Distributionsstruktur: Je höher die Umlaufzahl und je niedriger die Transportdistanzen, desto besser schneidet Mehrweg gegenüber Einweg ab. Hier sind also dezentrale Poollösungen elementar“, erläutert Kerstin Dobers vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Mitautorin der Studie. Im Vergleich mit anderen Verpackungsmaterialien wie Papier oder Holz weise Kunststoff eine Vielzahl vorteilhafter Eigenschaften auf – leicht, haltbar, chemisch inert – und bleibe damit für zahlreiche Anwendungen, gerade bei Mehrwegsystemen, das Material der Wahl.

Dieser Bericht wendet sich den Forschern zufolge gleichermaßen an Politik, Verbände, Hersteller von Kunststoffverpackungen sowie Anbieter von Mehrweg-Poollösungen. Das Autorenteam empfiehlt schlussfolgernd zwei zentrale Maßnahmen: Zum einen sollten Wege zur konsequenten Umsetzung der Abfallhierarchie aufgezeigt und gefördert werden. Einwegsysteme sollen erst dann zum Tragen kommen, wenn die Möglichkeiten der Mehrfachnutzung ausgeschöpft sind.

„Dieses Ergebnis der Studie steht im Gegensatz zur heutigen Realität am Verpackungsmarkt. Es muss neue politische Rahmenbedingungen geben, die das Umgehen dieser Reihenfolge sanktionieren. Gleichzeitig sollten Anreizsysteme für Unternehmen geschaffen werden, um vermehrt Mehrweglösungen für Kunststoffe zu etablieren“, sagt Bertling.

Er fordert zudem eine Überprüfung der Abfallhierarchie durch ein Expertengremium und nachfolgend ihre strikte Umsetzung in der Praxis. Sinnvoll sei außerdem, weniger auf die Recyclingquoten zu schauen, sondern anspruchsvolle Rezyklatanteile in der Produktion vorzugeben. Laut Kerstin Dobers ist die zweite zentrale Maßnahme, die vorhandenen Optimierungspotenziale für Mehrweglösungen auszuschöpfen, damit ihre Vorteile weiter ausgebaut und mögliche Defizite beseitigt werden:

„Sicherlich sind auch bei den Mehrweglösungen noch zahlreiche Innovationen möglich, gerade im Online-Handel oder in der Take-away-Branche. Gute Lösungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Verpackungen modular sind und ihr Volumen reduzierbar ist. Hier sind Rahmenbedingungen für nationale und internationale Standardisierungen gefragt, um die ökologischen Potenziale der Mehrwegsysteme auszuschöpfen.“

Darüber hinaus müssten Umweltkennzeichen (Label) zur Kennzeichnung von Mehrweg und Einweg eindeutig sein. Hier seien vor allem Verbände gefragt, so die beiden Forschungsinstitute.