Gastbeitrag Pava: Mit leichter E-Mobilität lässt sich schwer Geld verdienen - doch das Potenzial ist groß
Micromobilitäts-Angebote mit zwei Rädern wie elektrische Kickscooter oder E-Bikes sind aus unseren Städten schon seit einigen Jahren nicht mehr wegzudenken. Allerdings kann damit in der Regel nur eine Person fahren und sie haben Nachteile, was den Wetterschutz oder den Gepäcktransport anbelangt. 40 Prozent weniger CO₂-Emissionen Hier schlägt die Stunde von sogenannten Microcars oder LEVs (Light Electric Vehicles), das sind Fahrzeuge mit drei oder vier Rädern, die in der Regel Platz für zwei Passagiere nebst Gepäck und Schutz vor Wind und Wetter bieten. Zudem können Microcars dabei helfen, die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrssektors deutlich zu reduzieren. Laut einer DLR-Studie im Auftrag des Interessenverbands für elektrische Leichtfahrzeuge LEVA-EU könnten in Deutschland die Hälfte aller derzeit mit dem Auto gefahrenen Kilometer mit LEVs zurückgelegt werden. Das würde die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu Fahrten mit konventionell angetriebenen Pkw um über 40 Prozent senken. Pro Jahr könnten so 57 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen eingespart werden, bilanzieren die Studienautoren. Außerdem benötigen die Kleinstautos viel weniger Platz und damit Parkraum in den Städten.
Auch im Ressourcenbedarf viel sparsamer
Aber nicht nur im laufenden Betrieb lassen sich die Emissionen durch Microcars deutlich reduzieren. Auch bei der Herstellung der Fahrzeuge werden viel weniger schädliche Emissionen verursacht. Denn die Kleinstfahrzeuge benötigen deutlich weniger Rohmaterial und kommen aufgrund des geringen Gewichts mit viel kleineren Batterien aus. Laut DLR-Studienautorin Simone Ehrenberger entstehen bei der Produktion von Microcars nur rund ein Drittel der Treibhausgase wie bei einem Mittelklasse-Elektroauto. Mit LEVs lässt sich schwer Geld verdienen Kein Wunder, dass aufgrund dieser Vorzüge mittlerweile etliche Hersteller das Segment für sich entdeckt haben. Darunter finden sich große Konzerne wie die Mercedes Benz-Group, die PSA Group oder Honda ebenso wie etwa die Marktneulinge Microlino oder Estrima.
Smart-Dilemma: Mit Leichten ist schwer Geld verdienen
Doch so sinnvoll die Kleinstfahrzeuge für den Klimaschutz sind, so schwertun sich die Hersteller, damit Geld zu verdienen. LEVs sind ein extrem preissensitives Segment, in dem es bislang keinem europäischen Unternehmen gelungen ist, profitabel zu sein. Eines der prominentesten Beispiele dafür liefert die Mercedes Benz-Group mit dem Smart. Der erste Smart kam bereits 1994 als innovatives Citycar auf den Markt. Doch bis heute, 30 Jahre nach Einführung des ersten Modells und viele Strategiewechsel später, ist es den Sindelfingern nicht gelungen, die Marke profitabel zu machen. Um die Marke Smart ins Zeitalter der E-Mobilität zu überführen und damit endlich den Break-even zu schaffen, hat der Konzern zusammen mit dem chinesischen E-Auto-Hersteller Geely 2020 ein 50:50 Joint Venture ins Leben gerufen. Beide Partner haben jeweils 350 Millionen Euro in das gemeinsame Unternehmen eingebracht, dessen Hauptsitz in der 10-Millionen-Einwohner-Metropole Ningbo, südlich von Peking liegt. Vielleicht gelingt es dem Sindelfinger Konzern durch diesen Schachzug, mit Smart endlich in die Profitabilität zu fahren.
Magische Marke: 5.000 Euro Herstellungskosten
Zu erwähnen ist auch noch, dass sich die Marke Smart strategisch von der Idee des Microcars/LEVs immer mehr entfernt und vom Ursprungskonzept von damals heute kaum noch etwas übrig ist. Break-even erst bei weniger als 5.000 Euro Herstellungskosten Um mit einem zweisitzigen LEV Geld verdienen zu können, müssen die Herstellungskosten nach unserer Einschätzung unter 5.000 Euro liegen. Einer der weltweit größten Anbieter im Microcar-Segment ist derzeit der chinesische Hersteller Wuling Motors. Doch selbst bei Wuling, die große Stückzahlen produzieren, ist nicht transparent, ob das Unternehmen mit seinen Microcars nachhaltig profitabel ist.
Noch schwieriger ist es für europäische Hersteller, elektrische LEVs profitabel zu produzieren. Denn chinesische Anbieter können wenigstens die komplette Wertschöpfungskette im eigenen Land abbilden - von den Rohstoffen, wie Graphit für die Elektroden, bis hin zum fertigen Produkt. Speziell im Bereich der Rohstoffe hat Europa einen Riesennachteil. Für Batterien benötigt man neben Graphit auch Lithium, Kobalt, Nickel oder Mangan. All diese Materialien gibt es in Europa nicht und sie müssen teuer importiert werden.
Fazit: Großes Potenzial, wenn die Kosten runterkommen
Microcars oder LEVs haben großes Potenzial, die Emissionen des Verkehrssektors zu reduzieren und zum Klimaschutz beizutragen. Das gilt nicht nur für den laufenden Betrieb, sondern auch für deren Produktion, die wesentlich ressourcenschonender ist. Allerdings wird der Erfolg dieser relativ neuen Fahrzeugklasse auch davon abhängen, ob es den Herstellern gelingt, sie kostengünstig zu produzieren. Nach unseren Analysen schafft es bislang kein Anbieter, die Herstellungskosten auf unter 5.000 Euro pro Fahrzeug zu drücken. Aber genau das wäre nötig, um mit dem Verkauf auch Geld zu verdienen.
Zur Person:
Tobias Seige ist Partner bei Pava Partners, einer der führenden M&A- und Debt-Advisory-Beratungen für technologiegetriebene und dynamisch wachsende Unternehmen. Der Diplomingenieur (ETH Zürich) ist seit 20 Jahren bei Pava Partners und hat viele Start-ups und Unternehmen aus dem Tech-Bereich bei nationalen und internationalen M&A-Transaktionen und Wachstumsfinanzierungen begleitet. Davor war er unter anderem 12 Jahre Mitglied der Geschäftsleitung der VDO AG, einem der weltweit größten Automobilzulieferer.
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