Hypermotion Think Tank "Leichter liefern": Es tut sich was in der Stadt

Bei der Talk-Reihe in Frankfurt sieht ein Vertreter von UPS größere Offenheit bei Kommunen, auch für Mikrodepot-Lastenradkonzepte. Andererseits bleibt viel zu tun in Sachen Stellflächen und Prozessbeschleunigung.

Cargobikes voraus: Wie es sich leichter liefern ließe, das erörterte der Think Tank zum Thema auf der Hypermotion. | Foto: C. Huss
Cargobikes voraus: Wie es sich leichter liefern ließe, das erörterte der Think Tank zum Thema auf der Hypermotion. | Foto: C. Huss
Johannes Reichel

Es tut sich was in Sachen nachhaltiger und neuer Zustellformen in der urbanen Logistik. Das ist auch nötig in Anbetracht der Klimaschutzvorgaben, Einfahrrestriktionen und zugleich wachsenden Sendungsmengen. Und doch sind die Prozesse noch zu langsam, zu wenig standardisiert, zu kleinteilig. Vor allem mangelt es an Stellflächen für Mikrodepots. Das ist das Fazit des VISIONmobility Think Tanks "Leichter liefern auf der letzten Meile", der im Rahmen der Mobilitätsplattform Hypermotion in Frankfurt neue Lösungen unter Moderation von VM-Redakteur Johannes Reichel erörterte. Stellvertretend für alle Referenten brachte Michael Borner, LCV-Spezialist von Renault Deutschland auf den Punkt:

"Wir brauchen dringend andere Fahrzeuge. Sie müssen kleiner, vernetzter, flexibler, elektrisch angetrieben und irgendwann vielleicht auch autonom agierend sein", skizzierte der OEM-Vertreter.

Er sieht in Anbetracht von jährlichen Steigerungsraten im E-Commerce von 15 Prozent einen entsprechend hohen Bedarf an Fahrzeugen und sieht auch durch den Faktor Demographie kein Ende des Lieferbooms. "Besonders ältere Leute wollen sich die Sachen liefern lassen", so seine Analyse.

Renault ist dabei einer der Pioniere in Sachen elektrisch angetriebener Lieferwagen, den Twizy Cargo, Kangoo Z.E. und Master Z.E. soll im nächsten Jahr sogar noch ein Zoe Cargo ergänzen. Reichweite und Ladeinfrastruktur sieht Borner in dieser Anwendung übrigens nicht als Problem an: "Hier werden maximal 100 Kilometer täglich gefahren und über Nacht kann im Depot geladen werden", so seine Analyse.

Vision: Elektrisch, vernetzt, teilautonom

Borner schätzt, dass von den vielen Ansätzen, die im Moment fahrzeugseitig experimentiert werden, sich am Ende einige wenige herauskristallisieren werden. Aus Renault-Sicht könnte es ein System sein, wie der E.Z. Pro, ein teilautonomer, vollelektrisch angetriebener Fahrzeugverbund aus Leader- und "Bot"-Fahrzeugen, die gemeinsam aus den Depots in der Vorstadt ausrücken und von einem "Concierge" koordiniert werden. Besonders wichtig: "Sie lassen sich auch als Hub nutzen und sind hochflexibel".

Dreh- und Angelpunkt Mikrodepot

Überhaupt dreht sich in der Lieferlogistik alles um das Thema Hub, sprich Mikrodepots oder Zwischenlager. Selbige hat der Paketdienstleister UPS bei seinem 2012 in Hamburg gestarteten, mittlerweile auf zahlreiche Städte ausgedehntes Konzept aus Cargobikes und Mikrodepots zum Dreh- und Angelpunkt gemacht. Und sie spielen auch eine zentrale Rolle bei der neuen Lieferlösung von Rytle, die eine modifizierte Lkw-Wechselbrücke als Ausgangspunkt für die Belieferung mit E-Cargobikes nutzt.

"Mit diesem Prinzip realisieren wir eine Effizienzsteigerung von bis zu 50 Prozent gegenüber der herkömmlichen Zustellung mit Großraumtransportern",

resümiert Dr. Kristian Schopka vom Start-Up-Unternehmen, das zu der nach dem Box-in-a-Box-Prinzip konzipierten Hardware auch eine passende Telematiksoftware sowie Liefer-App ergänzt. Er hofft auf das "Pac-Man"-Prinzip: "Mit unserem Ansatz wollen wir die Luftverschmutzung quasi auffressen und die Städte mit Cargobikes fluten". Auch für leichte Elektrofahrzeuge und E-Cargo-Scooter sieht er dabei übrigens noch große Potenziale.Aber bis es soweit ist, muss noch viel passieren. Zum einen müssten Unternehmen ihre Logistikprozesse anpassen an die neuen Lieferformen. Vor allem aber müsste die Politik den Potenzialen der Lastenrad-Belieferung mehr Aufmerksamkeit widmen. "Auch die Städte müssen sich öffnen, wir brauchen dringend mehr Stellflächen und raschere Prozesse".

Zähe Prozesse: 18 Monate vom Start bis zur Umsetzung

In letzterem Punkt pflichtet auch Klaus Stodick, City-Logistik-Spezialist bei UPS, dem Rytle-Mann Schopka bei. In Frankfurt etwa, wo neben Hamburg und München in größerer Dimension mit Cargobike-Mikrodepot-Konzept, unter anderem mit Bikes von Rytle, gearbeitet wird, habe es 18 Monate von den ersten Gesprächen bis zur Umsetzung gedauert. "Da hat man mit sieben verschiedenen Referaten zu tun, das bremst enorm". Er sieht aber auch eine deutliche Lernkurve bei den Kommunen, die unter dem steigenden Handlungsdruck im Zeichen von Klimaschutz und Luftreinhaltung, proaktiv auf den US-Paketlogistiker zukämen.

Auch die mittlerweile initiierte massive Förderung solcher Projekte durch den Bund wirke sich positiv aus. Unter anderem Städte wie Stuttgart und Aachen hätten den Posten von Logistikbeauftragten geschaffen, die koordinierend tätig seien. "Wir brauchen hier feste Prozesse und skalierbare Abläufe, auch wenn die Konzepte je nach Stadt angepasst werden müssen", konstatierte Stodick.

Knappe Ressource: Stellflächen sind und bleiben rar

Der größte limitierende Faktor aus seiner Sicht ist ohnehin der verfübgare Raum, knappe Ressource in boomenden urbanen Zonen. Hier sieht er gewisse Entlastungspotenziale durch die Reduzierung klassischer Verkaufsflächen, die frei würden, aber eben auch für die Nutzung gezielt erschlossen werden müssten. Er zeigte sich hier auch offen für die kooperative Nutzung solcher Areale mit konkurrierenden Diensten, wie es etwa in Berlin Prenzlauer Berg derzeit erprobt wird. 

Fahrzeugseitig ist Stodick übrigens etwas anderer Ansicht als Renault-Mann Borner: Elektrisch, ja, ganz klar. Hier ist UPS einer der Pioniere, auch mit den "upgecycelten" und mit EFA-S umgerüsteten Zustellfahrzeugen von Mercedes-Benz. "Wir können und wollen auf unsere 7,5-Tonner nur schwer verzichten. Dafür sind die Paketmengen einfach zu groß. Außerdem schaffen wir mit einem Fahrzeug die Menge von mehreren kleinen Vans weg", beschreibt er. Auch schwere Trucks sind für UPS in den City-Logistikprojekten im Einsatz, aber eben nur zwei Mal täglich, wenn sie die Wechselbrücken aus dem Depot bringen und an den Mikrodepotstellplätzen absetzen.

Spürbare Entlastung: Von zehn Transportern bleiben drei übrig

In Summe reduziert sich das Aufkommen an Lieferfahrzeugen dennoch massiv, wie Stodick anhand einer Graphik darstellt: In München waren in der citynahen Zone vorher zehn 3,5-Tonner-Lieferfahrzeuge unterwegs, jetzt sind es noch deren drei - die Feinverteilung übernehmen 14 Cargobikes. Nebeneffekt: Man braucht viel weniger qualifizierte Fahrer, die ohnehin schwer zu finden sind. Was zu beweisen war: So lässt sich tatsächlich leichter liefern.