IAA 2019: VDA-Präsident Mattes gibt Amt ab
Bernhard Mattes werde "das Amt des VDA-Präsidenten zum Jahresende 2019 niederlegen, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden", hieß es in der VDA-Mitteilung. Über Mattes Gründe für den Rücktritt lässt sich nur spekulieren, ganz überraschend kommt es jedoch nicht, denn: Industrie und Politik werden aktuell tatsächlich von geradezu disruptiven Veränderungen geprägt, die wiederum zu teils gegensätzlichen Entwicklungen führen. Der einstige Vorstandsvorsitzende der Ford-Werke wurde erst im März 2018 VDA-Präsident und übernahm das Amt von seinem Vorgänger Matthias Wissmann. Der Verband gilt als einer der einflussreichsten Lobbyverbände in Deutschland, die Autobranche mit mehr als 800.000 direkt Beschäftigten weiterhin als Schlüsselindustrie.
Doch hinter den Kulissen kriselte es und Mattes kam von zwei Seiten unter Druck: Einerseits muss die Autoindustrie alternative Antriebe und Digitalisierung stemmen und bracht dafür viel Zeit und noch mehr Geld. Um erstere zu gewinnen, trat schon Wissmann gegenüber der Politik auf die Bremse, zumal die strenger werdenden EU-Umweltvorgaben den Druck weiter erhöhten und vor allem Länder ohne Autoindustrie an der Steuer und Zufahrtsschraube drehten. Erschwerend kommt hinzu, dass der CO2-Ausstoß wegen der Zunahme der SUV seit Monaten wieder steigt, was das Erreichen der Abgasziele weiter erschwert. Entsprechend hatte sich Mattes auf der IAA gegen eine weitere Verschärfung der bereits geltenden Klimaziele gewandt und mahnte die Politik, auch ihren Beitrag zu leisten: Während die Industrie Technologien zur Verfügung stelle, halte die notwendige Infrastruktur für alternative Antriebe nicht mit.
Mattes baut seine Vorträge gern in Bildern auf – und das versuchen wir hier auch einmal: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der direkt aus der Politik ins Präsidentenamt wechselte und in Berlin bestens vernetzt war, kam Mattes aus der Industrie - und aus Köln. Und war bei Ford als dezenter, aber zielstrebiger Jongleur zwischen den Interessen von Ford Europa und den Vorgaben aus Dearborn bekannt. Sowohl in Köln als auch in den USA herrscht trotz teils großer kultureller Unterschiede eine gewisse Grundlässigkeit vor – auch wenn es überm Atlantik manchmal heftige Stürme gab: Doch die lag Mattes und so konnte er Ford auch gut durch schwerste Böen steuern.
Vorwurf: "Defizite in der politischen Unterstützung"
In der Politik zählen jedoch andere Werte und der Verbandspräsident des VDA muss manchmal ein extrem starkes Scharnier aus verschiedensten Interessen sein, das Autoindustrie und Politik trotzdem verbindet. Und da hat erst der „Spiegel“ unter Berufung auf einen hochrangigen Automanager berichtet, dass es „Defizite in der politischen Unterstützung“ für die Industrie gab. Zumal sich der Wind auch noch um 180 Grad gedreht hat und Teile der Industrie seit dieser IAA die Schlagzahl Richtung CO2-Vermeidung massiv erhöht haben und deshalb von der Politik keine direkte Drosselung des Tempos mehr fordert, sondern im Gegenteil: Einen massiven Ausbau der Infrastruktur. Doch hier war Mattes nie die laute Stimme, die bestimmt auf den Tisch haute oder das laut quietschende, aber starke und nötige Scharnier zwischen beiden Lagern. Noch auf dieser IAA zitierte er am Webasto-Stand den Boxkommentator Michael Buffer, der den Ausspruch prägte: „Let’s get ready to rumble!“, was soviel heißt wie: „Gebt Vollgas!“ oder „Lasst den Kampf beginnen!“
Trotzdem: Wer Mattes genauer kannte oder beobachtet hat, konnte den Unterschied zwischen seinem letzten Jahr bei Ford und dem letzten Jahr als Präsident des VDA wahrnehmen - wenn auch nur dezent zwischen den Zeilen. Und es lag schon die Frage auf der Zunge, welcher Job für ihn wohl schwieriger sei - Ford-Chef in Deutschland oder VDA-Präsident – Vermittlungsgeschick und Fingerspitzengefühl ist in beiden Fällen gefragt. Mit der Bekanntgabe seines Rücktritts zum Jahresende hat Bernhard Mattes die Frage beantwortet.
LOGISTRA-Kommentar:
Am Eröffnungstag der IAA den Rücktritt als VDA-Präsident bekanntzugeben, das ist eine der großen Stories dieser IAA, die tatsächlich spannender werden dürfte als die meisten Automobilausstellungen zuvor. Was der holprige Start der Messe aber auch beweist: Der disruptive Wandel in Gesellschaft und Industrie ist in vollem Gange und wird nicht nur von der Presse herbeigeschrieben. Und es braucht jetzt extrem starke und gleichzeitig besonnene Lenker, um ihn zu meistern. Wie es auch gehen könnte, bewiesen auf der Me-Konferenz, die auch auf der IAA stattfindet, Daimler-CEO Ola Källenius in der Diskussion mit Bündnis-90-Grünen-Chef Habeck.
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