Komponenten: Continental digitalisiert den Reifen

Der Reifenhersteller zieht eine positive Bilanz unter ein schwieriges Jahr und wappnet sich für die schnellen Veränderungen durch die Digitalisierung. Spezielle Bereifungen für Elektro-Lkw perspektivisch im Blick.
Mehr als schwarz und rund: Auch Reifen werden von der Digitalisierung erfasst. Zudem werden auch Elektro-Lkw, hier ein Pilotprojekt bei BMW und Scherm, künftig Spezialpneus benötigen. | Foto: BMW
Mehr als schwarz und rund: Auch Reifen werden von der Digitalisierung erfasst. Zudem werden auch Elektro-Lkw, hier ein Pilotprojekt bei BMW und Scherm, künftig Spezialpneus benötigen. | Foto: BMW
Johannes Reichel

In einem schwierigen Umfeld aus steigenden Naturkautschukpreisen und verstärkter Konkurrenz aus Mittel- und Osteuropa hat der Reifenhersteller Continental ein positives Resumée für das zu Ende gehende Jahr gezogen. Aufgrund der stark erhöhten Rohstoffpreise habe man die Verkaufspreise der Pneus ebenfalls anpassen müssen, um das Ergebnis nicht zu sehr zu belasten, erklärte Henning Mühlenstedt, der neue Leiter für Vertrieb und Marketing Bus- und Lkw-Reifen-Ersatzgeschäft D-A-CH bei einem Pressegespräch in Hannover. Zudem sei das zweite Halbjahr von einem Rückgang der Nachfrage geprägt gewesen, die der verstärkten Eindeckung der Kunden im ersten Halbjahr sowie der geringeren Auslastung der heimischen Flotten aufgrund des Fahrermangels zuzuschreiben seien.

Darüber hinaus spüre man bei regionalen Flottenkunden und Reifenhändlern, dass das weiterhin hohe Güterverkehrsvolumen mehr und mehr von Wettbewerbern aus dem osteuropäischen Ausland übernommen werde. Im Runderneuerungsmarkt habe auch die Wiederaufnahme in die bundesweite Förderung die Verluste gegenüber den aus China importierten Produkten nicht wett machen können, zumal der Fördertopf bereits im September ausgeschöpft gewesen sei, so der Reifen-Manager weiter in seiner Analyse. Für das kommende Jahr sieht er Unsicherheitsfaktoren In Deutschland durch die verzögerte Regierungsbildung im Hinblick auf etwaige De-Minimis-Förderung sowie in Europa mit Bezug auf etwaige Strafzölle für Nfz-Reifenimporte aus China. Dennoch sah Mühlenstedt für 2017 insgesamt seitens der Endverbraucher und Flotten weiterhin eine große und starke Nachfrage nach den Produkten und Dienstleistungen.

Veränderungen von enormer Geschwindigkeit

Zuversichtlich stimmte ihn auch die Einführung des Reifendruck-Kontroll-Systems "ContiPressureCheck" und des sogenannten "intelligenten" Reifens "i-Tire". "Das waren unsere ersten, wichtigen Schritte in Richtung Digitalisierung von Nutzfahrzeugreifen und dem Reifenmanagement insgesamt", skizzierte Mühlenstedt. Für die Kunden bedeute das ein Wechsel von manueller und routinemäßiger Reifenpflege, hin zum automatisch überwachten Reifen mit gezielter, integrierter Reifenwartung. "Hierdurch entsteht die digitale Vernetzung von Fahrzeug, Rad, Reifen und Flotte", analysierte er. Aus Sicht von Mühlenstedt vollziehen sich gegenwärtig grundlegende Veränderungen "mit enormer Geschwindigkeit, die Industrie und Markt nachhaltig prägen werden", wie der Manager voraussagt. So entstünden Logistik- und Transportkonzepte, die sich neben einer lückenlosen Echtzeit-Verfolgbarkeit, vor allem durch Geschwindigkeit definierten.

Umweltauflagen entscheiden, wer im Markt bleibt

"Umweltauflagen und –verträglichkeit werden verstärkt darüber mitentscheiden, wer im Markt bleibt und wer nicht. Vollautonome-Elektro-Lkws werden bald nicht nur in einem Science Fiction Film vorkommen – sie werden Realität", prognostizierte der Reifenfachmann. Die Digitalisierung werde wie bei fast allen anderen Fahrzeugkomponenten auch vor dem Reifen nicht Halt machen. Dieser liefere zukünftig Daten, die es erlaubten, den Betrieb einer Flotte effizienter, kosteneffektiver und nachhaltiger zu gestalten. "Der Wunsch nach uneingeschränkter Mobilität rückt in die Nähe der Realität", glaubt Mühlenstedt. Aus Sicht von Industrie 4.0 werde die vorausschauende, vernetzte Wartung ergänzt. Mühlenstedt sieht Predictive Services als eine der Schlüsselinnovationen der sogenannten Industrie 4.0 und Logistik 4.0.


Elektro-Nutzfahrzeugreifen:Unklare Prioritäten

Im Hinblick auf die aufkommende Elektromobilität verfolge man selbstverständlich, wie der Markt sich entwickle und welche Spezialbereifungen es unter Umständen bräuchte. So sei man außer bei der Deutsche-Post-Tochter StreetScooter und diversen E-Stadtbusprojekten etwa auch an den Pilotprojekten des Automobillogistikers Scherm bei BMW in München mit der besonders energieeffizienten Rundumbereifung Conti EcoPlus sowie am Auflieger Conti Hybrid beteiligt, bei dem man wichtige Erkenntnisse in der Praxis sammle. Allerdings sei zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, welche Prioritäten in den Fuhrparks gesetzt würden, etwa zwischen Effizienz, Laufleistung oder Tragfähigkeit. Im Bezug auf letztere sei die Tendenz, dass aufgrund der zusätzlichen Gewichte durch Batterien die Tragfähigkeit von 19,5 Tonnen künftig stets voll genutzt würden. Ansonsten stecke der Markt für Elektro-Lkw-Reifen, die es schon aufgrund der grundlegend verschiedenen Antriebscharakteristik und Drehmomentverläufe brauchen werde, noch in den Anfängen.