Logistik im Wandel: Den digitalen Speditionen die Stirn bieten

Die Autorin Kathrin Janshen, Consultant Digital Supply Chain des Logistik-IT-Spezialisten leogistics GmbH, erklärt, wie Logistikdienstleister durch Digitalisierung ihre Effizienz erhöhen und den Kundenservice verbessern können.

Etliche Verlader setzen bereits auf digitale Lösungen und wollen ihre Transportdienstleister in ihre Prozesse integrieren. | Bild: Leogistics GmbH
Etliche Verlader setzen bereits auf digitale Lösungen und wollen ihre Transportdienstleister in ihre Prozesse integrieren. | Bild: Leogistics GmbH
Tobias Schweikl

Der Transportbeauftragungsmarkt befindet sich in einem stetigen Wandel. Das hängt mit sich ändernden gesetzlichen Vorgaben, Innovationen und steigenden Kundenbedürfnissen zusammen. Vor allem aber sind seit einigen Jahren verstärkt neue Player auf dem Markt erschienen: Digitale Speditionen, die den Fokus darauf legen, Prozesse zwischen Supply-Chain-Akteuren digital zu vernetzen und zu automatisieren, um zum Beispiel mit Sendungsverfolgungen mehr Transparenz zu schaffen. Was bedeutet das für klassische Speditionen? Und wie können sie mit dem Markt Schritt halten?

Allein in Deutschland werden jährlich mehr als drei Milliarden Tonnen Güter per Lkw transportiert und dabei mehr als 30 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Der Transportmarkt ist heiß umkämpft. Auf der einen Seite stehen traditionelle Speditionshäuser, die teils seit Jahrzehnten etabliert sind und zum Großteil mit eigenen Lkw-Flotten Frachtaufträge für Verlader abwickeln. Auf der anderen Seite drängen seit einigen Jahren digitale Speditionen in den Markt. Diese treten als Vermittler zwischen Angebot, also Transportdienstleistern, und Nachfrage, den Verladern, auf. Dabei bieten sie neben der reinen Transportvermittlung häufig weitere Mehrwerte wie Ausschreibungen, Tracking & Tracing sowie Kosteneinsparungspotenziale (beispielsweise durch eine verbesserte Transportplanung). Letzteres trägt zur Reduktion der Umweltbelastung durch den Straßengüterverkehr bei.

Der moderne Transportbeauftragungsmarkt stellt hohe Anforderungen

Klassische Speditionen stehen somit vor großen Herausforderungen: Nicht nur, dass der Markt, in dem die Margen klassischerweise ohnehin nicht besonders hoch sind, immer enger wird – auch die Kunden haben immer größere Ansprüche. So ist es für Endkonsument:innen beispielsweise längst Standard, fast bis auf die Stunde genau per E-Mail oder App informiert zu werden, wann ein Paket zugestellt wird. Kein Wunder also, dass dies auch im B2B-Bereich mehr und mehr gewünscht wird.

Je nach Unternehmensgröße fallen bei einer Spedition teils bis zu hunderttausend Zustellungen pro Jahr an – wenig überraschend, dass es oftmals schwerfällt, den Überblick zu behalten. Wo ist die Sendung gerade? Ist der Lkw pünktlich? Wurde die Ware beim Kunden abgeliefert? Gab es Zustellprobleme? Insbesondere, wenn Transporte im kombinierten Verkehr durch mehrere verschiedene Transportmittel wie Lkw oder Bahn abgewickelt werden und vielleicht auch noch Ländergrenzen überschreiten, stehen dem Auftraggeber die Antworten auf all diese in der Regel nicht zur Verfügung. Der Transportprozess via Spedition ist häufig noch eine Blackbox.

Ein weiteres Problem: In eng getakteten Lieferketten führt es unweigerlich zu kostspieligen Domino-Effekten auf dem Werksgelände, im Lager, in der Produktion oder im Retail-Bereich auch in der Filiale vor Ort, sobald ein Transport unpünktlich ist.

Mithilfe von digitalen Technologien Zukunftssicherheit schaffen

Um die gestiegenen Anforderungen des Marktes und der Kunden auch in Zukunft erfüllen zu können, scheint eine Öffnung gegenüber digitalen Technologien für Speditionen unausweichlich. Doch darin liegt eine große Chance, ihr Geschäftsmodell anzupassen und neue Services anzubieten. Denn wer sich darauf einlässt, kann nicht nur die Effizienz seines Geschäfts steigern, sondern vor allem seinen Kunden einen besseren Service bieten – und sich damit besser für die Zukunft aufstellen. Viele investieren bereits in digitale Lösungen wie beispielsweise die „myleo / dsc“ von Leogistics, um in puncto Flexibilität, Transparenz oder etwa Preispolitik gegenüber ihren digitalen Marktbegleitern aufzuholen.

Durch die Bereitstellung von Telematikdaten aller Lkw über eine digitale Plattform – auch von Subunternehmern –, und die Vernetzung mit ihren Auftraggebern können Speditionen ihre Leistungen um viele digitale Angebote ergänzen.

Tracking & Tracing in Kombination mit automatisierten Benachrichtigungen halten über jeden Schritt auf dem Transportweg auf dem Laufenden. Auf Wunsch ist es möglich, dem Auftraggeber oder auch Stammkunden Zugriff auf die relevanten Transportinformationen zu geben. So können diese sich bei Bedarf über den aktuellen Status informieren – ganz ähnlich, wie Endkonsumenten es heute schon bei Paketzustellungen gewohnt sind. So weiß der Auftraggeber jederzeit, wo sich seine Ware befindet. Aus der technischen Anbindung ergibt sich mehr Transparenz für den Kunden, was einem höheren Service-Level der Spedition gleichkommt – und somit auch höherer Kundenzufriedenheit.

Manche Plattformen sind sogar mit intelligenten Algorithmen angereichert, die aus Mustern lernen und daraufhin Prozesse optimieren können. Diese Technologie kann etwa dabei helfen, teure Leerkilometer zu vermeiden und damit sogar direkt Kosten zu senken. Die gewonnenen und geteilten Informationen wie digitale Abliefernachweise oder Qualitätsreportings können so zu Wettbewerbsvorteilen führen – sowohl für die Speditionen selbst, aber auch für ihre Kunden. Und das alles zu geringen Kosten. Denn moderne Web-Plattformen brauchen längst keine langen Implementierungszeiten mehr. Eine spezielle IT-Architektur und damit verbundene Wartungskosten entfallen ebenfalls.

Netzwerkkollaboration erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Speditionen und Kunden

Viele Verlader setzen heute schon auf digitale Lösungen, beispielsweise im Bereich Transport-, Yard- oder Zeitfenstermanagement. Einige wünschen sich sogar bereits, ihre Transportdienstleister in ihre Prozesse zu integrieren und an ihre Systeme anzubinden. Das sorgt für abgestimmtere Prozesse, höhere Termintreue, mehr Transparenz entlang der Lieferkette und ggf. auch kürzere Wartezeiten an den Ladestellen – was auf Seiten der Speditionen wiederum zu geringeren Standgeldern führt. Wer als Spedition also bereit ist, diese Entwicklung mitzugehen und beispielsweise Schnittstellen zur Verfügung stellt, profitiert am Ende sogar selbst.

Ein Beispiel: Die Nordzucker AG; einer der größten deutschen Zuckerhersteller, hat ein Szenario realisiert, bei dem die Auslagerung aus einem Hochregallager automatisch beginnt, sobald ein Lkw nur noch 30 Minuten vom Werk entfernt ist und somit pünktlich innerhalb seines gebuchten Zeitfensters eintreffen wird. Wartezeiten für die Lkw-Fahrer:innen gehören damit der Vergangenheit an. Digitale Technologien können somit einerseits die Zusammenarbeit unter den Partnern verbessern und gleichzeitig Abläufe auf dem Werksgelände spürbar optimieren.

Best of both Worlds: Transportexpertise trifft innovative digitale Kundenservices

Die Kombination aus alter und neuer Welt wird letztlich langfristig zum Erfolg führen. Das Speditionsgeschäft im hochvolatilen Transportmarkt lässt sich sicherlich nicht zu 100 Prozent automatisieren: Persönliche Kontakte, über viele Jahre gewachsenes gegenseitiges Vertrauen und Spezialwissen sind im komplexen Transportgeschäft nicht zu unterschätzen. Doch mit neuen, digitalen Tools können Speditionen ihre Kunden noch stärker als bislang in den Fokus stellen und durch neue Angebote wie bspw. Tracking & Tracing in Form von Echtzeitinformationen liefern. Und am Ende bedeuten mehr Transparenz, Zuverlässigkeit und höhere Kundenzufriedenheit im engen Transportmarkt handfeste Wettbewerbsvorteile.

 

Die Autorin

Kathrin Janshen ist Consultant Digital Supply Chain des Logistik-IT-Spezialisten Leogistics GmbH aus Hamburg.