Logistik-Talkrunde: „Wer Mensch und Maschine nicht zusammendenkt, hat die Zukunft der Logistik nicht verstanden“
Nach der Premiere des Talkformats „Thesen am Tresen – der STILL Logistik-Talk“ auf dem Deutschen Logistik-Kongess im Vorjahr in Berlin gastierte die Gesprächsrunde in diesem Jahr mit zwei Sequenzen auf der Main Stage des Logistics Summit in Hamburg. Logistikexperten diskutierten mit den Journalisten Thilo Jörgl und Anita Würmser zugespitzte Thesen zu den Themen Automatisierung und Zirkularität in einem Speed-Talk von jeweils 25 Minuten.
„Viele der insgesamt rund 1.700 Teilnehmenden gaben uns ein sehr positives Feedback – sowohl zu den aktuellen Inhalten als auch zum kurzweiligen Format“, so Frank Müller, Senior Vice President Brand Management Still EMEA.
Die Trends in der Intralogistik seien laut Still selten eindeutiger: Nahezu alle Unternehmen würden in den nächsten zwölf Monaten in den Bereichen Automatisierung und Nachhaltigkeit investieren. Entsprechende Technologien seien verfügbar und würden schrittweise günstiger. Damit sinke die Einstiegsschwelle, gleichzeitig erhöhen Fachkräftemangel und steigende Löhne den Automatisierungsdruck.
Vor diesem Hintergrund stellte Marten Bosselmann, Vorsitzender des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) in dem Still-Talk die These auf:
„Wer es nicht schafft, Mensch und Maschine bei der Automatisierung zusammenzudenken, hat die Zukunft der Logistik nicht verstanden“, so Bosselmann.
Fehlende Arbeitskräfte und steigende Personalkosten machten seiner Ansicht nach die Automatisierung auch von Paketzentren unumgänglich. Dabei gehe es darum, Personal nicht zu entlassen, sondern zu entlasten. Es müsse den Unternehmen gelingen, „Mensch und Maschine zu Kollegen zu machen“, so Bosselmann.
Müller zufolge finde in vielen Managerköpfen gerade ein Umdenken statt. Das sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass Automatisierung erschwinglicher werde. In bestehenden Anlagen seien Automatisierungsvorhaben künftig in kurzer Zeit und ohne große Veränderungen möglich.
„Brownfield wird zum Trend“, prognostizierte Müller.
In diesem Zusammenhang verkündete der Manager auf der Bühne eine neue Kooperation mit idealworks, einem Münchener Spezialisten für autonome mobile Roboter (AMR). STILL ist ab sofort Vertriebs- und Servicepartner auf internationaler Ebene für die autonomen Geräte, die Lasten bis 1.000 Kilogramm selbstständig transportieren können.
Projekte mit AMRs, die flexibel und leicht skalierbar sind, rechnen sich nach Aussage von Florian Menold, Geschäftsführer Frankreich bei der Pfenning Logistics Group zeitnah. Anders sehe es bei größeren Vorhaben aus. Angesichts immer kürzer werdender Vertragslaufzeiten mit Kunden seien sie für Kontraktlogistiker eine Herausforderung. Großprojekte rechneten sich oft erst nach fünf Jahren, so der Logistikmanager. Damit Kontraktlogistiker neue Kunden mit unterschiedlichen Waren einfach ins Logistiknetz integrieren können, wünscht er sich mehr Flexibilität.
„Die Automatisierung ist heute noch nicht flexibel genug“, lautet Menolds These.
Umdenken müssen Intralogistiker – und ihre Kunden – offenbar auch beim Thema Zirkularität. Das zumindest behauptete der Wissenschaftler Christoph Küffner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im zweiten Talk.
„Klimaschutz beginnt heute – ein Weiter-So gibt es nicht“, unterstrich Küffner.
Der Forscher prognostizierte, dass in der Logistik in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen nach dem durchgängigen Kreislaufwirtschaftsprinzip Cradle-to-Cradle handeln würden.
In diesem Zusammenhang berichtete Karl Knipfelberg, Vice President Counterbalance & Energy bei Kion ITS EMEA, dass bei Still hier bereits ein Umdenken stattgefunden habe. Der zukünftige Gabelstapler RXE würde bereits zirkulär gedacht. Einer Konzeptstudie zufolge seien dadurch Kohlendioxid-Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich möglich.
„Nachhaltigkeitsmaßnahmen stabilisieren nur das Bestehende. Unternehmen müssen einen effektiven, funktionierenden Materialkreislauf einführen“, lautete Knipfelbergs These.
Zirkularität müsse jedoch immer ganzheitlich gedacht werden – vom Produktdesign über die Lieferkette, die Produktion und den Kundeneinsatz bis hin zur Wiederverwendung.
Eine Philosophie, die auch im Nutzfahrzeugbereich Einzug hält, wie Dr. Frank Albers, Geschäftsführer Vertrieb & Marketing beim Fahrzeugwerk Bernard Krone, bestätigte. Bereits beim Trailer-Design werde von der Nutzung bis zur Entsorgung gedacht. Wesentliche Hebel sind dabei Gewicht, Aerodynamik sowie die Wiederverwendung von eingesetzten Materialien nach dem ersten Leben eines Trailers, das im Schnitt acht Jahre dauert. Vor Kurzem habe man auch eine elektrische Achse vorgestellt.
Das zweite Leben spielt im Rahmen der Kreislaufbetrachtung auch bei der Entwicklung von Flurförderzeugen eine immer wichtigere Rolle. Bei Still arbeite man beispielsweise an Konzepten für die Wiederverwendung von Lithium-Ionen-Batterien oder an Strategien für die Nutzung von Brennstoffzellen im zweiten Geräteleben. Still errichtet in Hamburg eine eigene Brennstoffzellenfertigung. Gestartet wird mit der Produktion für 24-Volt-Geräte.
Der größte Hebel in Sachen Energieeinsparung sei aber oft die Nutzung der Fahrzeuge. Deshalb unterstützen sowohl Krone als auch Still ihre Kunden dabei, im Alltag Energie zu sparen. Reifendruckkontrollsysteme im Trailer oder smartes Energiemanagement, um teure Stromspitzen beim Laden der Akkus zu vermeiden, sind nur zwei von vielen Services, die künftig der Kundschaft den Weg in die Nachhaltigkeit leichter machen sollen.
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