LOGISTRA City-Check Grünfuchs Göttingen: Total ausgefuchste Stadtlogistik

Next-Level City-Logistik: Nachhaltiger, schneller, stadtfreundlicher – das haben sich die Gründer von Grünfuchs auf die Fahnen geschrieben. Sie sind eigentlich „alte Hasen“ im Business, setzen auf E-Cargobikes, Mikrodepots, raffinierte Sortertechnik und clevere Software im digitalisierten Prozess. Nach Start in Göttingen will man skalieren.

Grünfüchse mit gut Lachen: Aus dem Pilotprojekt SLAM heraus entwickelten Felix Dossmann (Mitte), Robert Vogel (links) und Thomas Töpsch ein nachhaltiges City-Logistik-Konzept in Göttingen. Das will man aber nun rasch skalieren. | Foto: J. Reichel
Grünfüchse mit gut Lachen: Aus dem Pilotprojekt SLAM heraus entwickelten Felix Dossmann (Mitte), Robert Vogel (links) und Thomas Töpsch ein nachhaltiges City-Logistik-Konzept in Göttingen. Das will man aber nun rasch skalieren. | Foto: J. Reichel
Johannes Reichel

Die Grünfüchse sind eigentlich „alte Hasen“, zumindest in klassische „Start-up“-Raster wollen die drei  Macher des City-Logistik-Unternehmens nicht recht passen. Jede Menge Berufserfahrung bringen sie jedenfalls mit in ihr Herzensprojekt, das sich nicht weniger zum Ziel gesetzt hat, als urbane Transporte zu revolutionieren: Grüner sowieso, aber zugleich auch schneller und raumeffizienter, komfortabler und digitaler wollen sie den komplexen Lieferprozess gestalten.

Drei Ziele in dieser Reihenfolge hat man sich vorgegeben: Rentabilität, Ressourcenschonung und Wertschätzung. Robert Vogel, Co-Gründer und bei Grünfuchs für das lokale Geschäft aus mittlerweile sechs Mikrodepots bzw. Umschlagepunkten und einem Shop zuständig, kommt ebenfalls aus der Computerbranche, schlug aber dann die Brücke in die örtliche Gastro-Szene und ist passenderweise stellvertretender Vorsitzender von proCity e.V., der Interessenvertretung der Innenstadthändler/Gastronomen.

Entstanden aus einem Pilotprojekt

Gründer Felix Dossmann, der sich unkonventionell „Chief Fox“ nennt, hat schon alles Mögliche und Unmögliche gemacht in seinem Leben, unter anderem eine etablierte Telematik-Software für Logistiker entwickelt, nicht noch heute zigtausendfach im Einsatz ist. Die Firma hat er 2017 verkauft. Und dann unter anderem Spiele entwickelt. Unter dem Label „Grünfuchs“. Womit auch der Name der neuen Firma nahe lag: Statt dem abstrakten „SLAM“ empfahl eine Beraterin aus dem gleichnamigen Pilotprojekt zur City Logistik der Modellkommune Göttingen, doch gleich beim Grünfuchs zu bleiben. Das ist in der Öffentlichkeit besser zu verkaufen und macht die Firma sympathisch im Stadtbild, um aus dem Projekt ein dauerhaftes Geschäft zu entwickeln.

Auch Sortiertechnik ausgefuchst: Kooperation mit Cellumation

Thomas Töpsch kam zwar nach der Gründung hinzu, zeichnet allerdings für das wichtige Business Development verantwortlichund,war einst beim Fördertechnik-Start-up Cellumation beschäftigt, das just in Bremen seinen Sitz hatte, wo auch die Firma Rytle lokalisiert ist, der Töpsch dann wiederum bei der Weiterentwicklung des Lastenrads MovR behilflich war. Er habe von der Vision, Motivation und technischen Expertise so gut dazu gepasst, schwärmt Dossmann. Insbesondere auf der technischen Ebene soll er auch als Ideengeber fungieren und komplettiert das Fuchs-Trio.

Logistisches Begrünungsprojekt

Und die drei sind bei ihrem logistischen „Begrünungsprojekt“ schon einen wichtigen Schritt weit gekommen: Die „Geschäfte“ im Pilot-Center in Göttingen laufen schon ziemlich rund. Klar, speziell im Bereich der Cargobikes ist noch vieles im Schwange, was die diversen Entwicklungsstadien der Lastenräder im Depot signalisieren. Die Gründer arbeiten hier auch eng zusammen mit den Herstellern wie Rytle, Urban Mobility und ONO, um die sämtlich IOT-fähigen und konnektiven Bikes auf die speziellen Anforderungen, aber auch auf allgemeine Betriebsfestigkeit hin zu optimieren. Ihr Fazit: Die Räder werden zwar immer besser und auch die Option mit den Wechselboxen passt bei ihnen gut ins Konzept, besser als etwa Rampenlösungen, bei denen Robert Vogel Sicherheitsbedenken als Negativum anführt.

Lastenradeinsatz: Manchmal noch Tücken der Technik

Aber der Teufel steckt im Detail. Da ist schon mal der Akku ausgerechnet dann alle, wenn es in die Steigung raus zum Zentrallager geht. Eines der Bikes will man übrigens zeitnah mit einer Brennstoffzelle ausstatten, damit ein solcher Energiemangel nicht mehr passiert. Oder das Bike lässt sich nicht bewegen, wenn die Aufnahmegabel unten ist. Oder die geringe „Bodenfreiheit“ korrespondiert nicht mit dem teils rauen Terrain der Göttinger Altstadt. Störend findet Dossmann etwa, dass die Wechselcontainer erstens sündteuer und zweitens zwischen ONO und Rytle nicht kompatibel sind. „Hier braucht es dringend eine Standardisierung“, fordert er.

Eigentlich wäre das System nämlich praktisch. Die Boxen könnten im Zentrallager in der Vorstadt vorkommissioniert werden und dann per E-Van (StreetScooter Work & VW T6.1 ABT E-Line) oder E-Lkw (Mercedes-Benz eActros) vom Logistikpartner Krüger in die Mikrodepots verbracht werden. Von wo aus sie per Lastenrad in die Zustellgebiete verteilt werden.

Vorteil Bike: Zeit, Geld und Platz gespart

Und zwar nicht irgendwie nach dem Prinzip Chaos, sondern so präzise nach Straßenzügen sortiert und disponiert, dass der Fahrer eigentlich kein Navi mehr braucht. Mit der Firma graphmasters – Stichwort „collaborative routing“ hat man eigens ein „Cargobike-Mapping“ von Göttingen erstellt, mit lastenrad-optimierten Routen. Das alles zusammen verkürzt die Wege und Zeitaufwand enorm, erhöht die Paketmengen pro Stopp – bei vier Frachtstücken liegt der business case, 1,9 sind es bei KEP-Diensten im Schnitt - und spart Zeit und Strecke. Bei einer Stadt wie Göttingen mit 100.000 Einwohnern  kalkulieren die Grünfüchse 15.000 Pakete pro Tag, die in 116 Touren mit 3.828 Stopps und 1.624 Kilometern Fahrleistung ausgefahren werden müssten. 3,5 Stunden würde jede 30-Kilometer-Tour mit 5 Minuten pro Stopp beanspruchen. Die Anzahl der Stopps und die Zeit wollen die Füchse halbieren, die Strecke um zwei Drittel drücken.

Das 4KUHD-Prinzip: Ultraheftig digitalisieren

Wie generell der Einsatz von Lastenrädern: „Wir parken damit direkt an der Lieferadresse. Parken in zweiter Reihe oder Fußwege mit Sackkarre, das gibt es bei uns nicht“, erklärt Dossmann aus der effizienzoptimierten Praxis. Oder umgekehrt: Man schafft zwei Touren am Tag, wo früher nur eine möglich war. Ganz wichtig ist auch die Zustellquote, die Dossmann als „Schlüssel zum Geldverdienen“ bezeichnet und die man schon durch die Vorauswahl in der App durch den Kunden zu optimieren versucht („Early Bird“ oder „Late Show“).

4KUHD nennt der umtriebige Software- und Spieleerfinder (Pampomine) Dossmann dieses Prinzip. Übersetzt: Ultraheftig Digitalisieren mithilfe von KEP-Konsolidierung, Kunden für L2L gewinnen, Leerfahrten reduzieren und Papieraufkommen so gut es geht tilgen, sprich digitale Abrechnung und Abwicklung. Und klar, die essentielle Zustellquotenoptimierung ist da implizit enthalten.

Wie die Grünfüchse die City-Logistik noch nachhaltiger gestalten, lesen sie in der nächsten Ausgabe von LOGISTRA!