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LOGISTRA-City Check Liefergrün: Echter Klimaschutz statt Greenwashing

Das vor knapp zwei Jahren in Münster gegründete Start-up Liefergrün führt nicht weniger im Schilde, als die Lieferbranche „grün“ aufzumischen und wirft den großen Playern teils Greenwashing vor. Neben der Technologie und der Software ist ein weiterer Schlüsselfaktor, den Logistikpartnern den Einstieg in die E-Mobilität zu ebnen. Denn die rechnet sich schon heute.

Green Team-Work: Die Führung des Start-ups um Gründer und CEO Niklas Tauch (ganz links) wurde jüngst erweitert - und weiter professionalisiert. | Foto: Liefergrün/Janine Graubaum
Green Team-Work: Die Führung des Start-ups um Gründer und CEO Niklas Tauch (ganz links) wurde jüngst erweitert - und weiter professionalisiert. | Foto: Liefergrün/Janine Graubaum
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Johannes Reichel

Der Vorwurf wiegt natürlich schwer, den das freche Start-up aus Münster da erhebt: Die großen KEP-Dienstleister würden in Teilen nur „Greenwashing“ betreiben, was die Dekarbonisierung des Liefergeschäfts betrifft. Zumindest aber wären sie zu langsam unterwegs für die Dringlichkeit der Situation. Mit den Worten von Liefergrün-Gründer und CEO Niklas Tauch: „Es geht in die richtige Richtung. Aber viel zu langsam!“. Er sieht eine gewaltige „Greenwashing-Gap“ zwischen dem, was die großen Anbieter planen und dem, was tatsächlich auf der Straße passiert, zum Beispiel beim aktuell gehypten Thema Cargobike-Logistik.

Diese Lücke werde dann mit großflächiger PR und Marketing „geschlossen“. So kommunizierten zwar nahezu alle KEP-Dienstleister fleißig, wenn wieder ein Lastenrad in Dienst gestellt wird. Andererseits sind diese Mengen in absoluten Zahlen immer noch verschwindend gering. Auch „grüne“ Labels auf den Paketautos seien schwer angesagt. Aber „Go Green“ genüge eben nicht mehr, so Tauch weiter. Und schnöde CO₂-Kompensation sei eben nur die „zweitbeste Lösung“ in einer Situation, in der Emissionen erst gar nicht mehr entstehen dürften und müssten.

Das Paketgeschäft müsste längst grüner sein

Das Paketbusiness sollte und könnte längst viel grüner, sein, finden die Liefergrün-Gründer und sehen in dieser „Mission Green CEP“ Rückendeckung einerseits durch die Endkonsumenten, die deutlich höhere Ansprüche stellen würden und durchaus eine transparente und faire Lieferkette zu schätzen wüssten. Andererseits aber auch durch große Verlader wie Adidas oder Dyson , die sich hohe Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsziele gesetzt hätten, die keinen Aufschub mehr duldeten. Selbst die großen Onlinehändler legen immer mehr Wert auf klimafreundlichen Versand und haben konkrete sowie ambitionierte Klimaziele zu erreichen.

Liefergrün konnte so manchen „dicken Fisch“ an Land und von den KEP-Riesen rüberziehen, sprich überzeugen. Übrigens auch personalseitig, wie Tauch nicht ohne Stolz anmerkt. Um mindestens 55 Prozent könne man die CO₂-Emissionen aus dem Stand reduzieren, pro Sendung würden mit 86 zu 600 g CO₂ ordentlich Emissionen eingespart, so das Versprechen der Münsteraner Aufmischer.

In 40 Städten aktiv, Schwerpunkt Ballungsräume

In 40 Städten unterwegs, mit Schwerpunkt auf den Ballungsräumen, weil hier der Großteil an Sendungen anfällt, mehr als 17 Millionen Einwohner in Deutschland decke der grüne Lieferdienst ab. Das gibt überhaupt das Stichwort: Denn nicht zuletzt machen auch die Logistikpartner Druck. Disruptiv ist nämlich nicht nur die Klimakrise, sondern auch der Ansatz, den das erst Ende 2020 gegründete Münsteraner Start-up Liefergrün wählt: Als „Enabler“ oder Türöffner will die nach eigener Definition „Technologieplattform, die Logistik betreibt“ den sogenannten Logistikpartner der großen KEP-Dienste die Hand reichen und ihnen den Einstieg in eine emissionsfreie Flotte ermöglichen – und zwar schnell und sofort.

Die Ausreden, dass elektrisch angetriebene Lieferfahrzeuge entweder nicht verfügbar oder zu teuer seien, lässt CEO und Gründer Niklas Tauch, der früher fünf Jahre bei Henkel im Supply Chain gearbeitet hat und insofern weiß, wovon er spricht, nicht gelten. Zum einen, indem er den Subunternehmern vorrechnet, wie sich ein E-Modell dank der geringeren TCO über die Lebensdauer amortisiert – Tauch spricht von „datenbasierter Argumentation“. Mit deutlich geringeren Energiekosten trotz steigender Strompreise, weniger Wartung und weniger Ausfällen hätten elektrisch angetriebene Fahrzeuge dem Diesel längst den Rang abgelaufen.

„Das wollen wir unseren Partnern aufzeigen: Dass es anders geht“.

Wie der Einstieg in den E-Fuhrpark gelingt

So gelingt ein Einstieg in die Elektrifizierung, die schnell zu einer Skalierung von zwei auf 20 Fahrzeuge führe, wie Tauch von manchem Partner berichtet. Die durchaus vorhandenen Mehrkosten der E-Fahrzeuge will man aber auch durch Einsparungen an anderer Stelle schneller amortisieren. „Effizienzeinsparung durch Technologie“ nennt Tauch das. So unterstützt das Cleantech-Startup die Lieferpartner mit einer ausgefeilten App, die den Fahrer im Prinzip wie ein „Guide“ durch den Lieferalltag führt und viel Zeit spart.

Vorkommissionierte Sendungen

Ein weiteres Beispiel: Die Sendungen werden bereits vorkommissioniert und nach Lieferadressen sortiert an den Fahrer übergeben, der sich nicht mühsam alles selbst zusammenpicken muss. Dadurch beugt man auch dem Fahrermangel vor, weil man im Zweifel auch mit weniger qualifiziertem Personal klarkomme. Hinzu kommt eine ausgeklügelte Routenoptimierung, die Zeit und letztlich Geld spart, das dann wiederum für die Anschaffung von E-Fahrzeugen zur Verfügung steht – siehe oben. Auch ein Kommunikationstool mit dem Kunden spart viel Zeit, Kosten und im Zweifel Aufwand durch Retouren.

Flinker als die Großen

Darin sieht Tauch auch die Alleinstellung der Firma gegenüber den großen KEP-Dienstleistern, die das in dieser Form und Flexibilität noch nicht beherrschen würden, lehnt sich Tauch aus dem Fenster. Man wolle hier den „First Mover Advantage“ nutzen und gemeinsam mit finanzkräftigen Investoren die Paketbranche umkrempeln, so der selbstbewusst formulierte Anspruch. Das rechnet sich vielleicht im Moment noch nicht für die ganze „Company“, wie Tauch zugibt, was in diesem frühen Stadium aber auch noch nicht notwendig sei. Profitabel ist es, aber durchaus für die einzelne Sendung betrachtet - für Tauch ein „geht doch“-Faktor und Motivator schlechthin. Kunden seien bereit, etwa zwölf Cent mehr pro Paket zu bezahlen, wenn sie dafür eine emissionsfreie Lieferung bekämen.

Zufriedene Kunden bestellen wieder

Und er weist noch auf einen weiteren Aspekt hin: Zufriedene Kunden würden wieder ordern und bei einer Plattform bleiben, so liegen die „Wiederkaufrate“ etwa bei 25 Prozent. Das Geheimnis liegt für Tauch in einem Mix aus Technologie, sprich Software und Hardware, kombiniert mit dem „Faktor Mensch“ und den Lieferprozessen. So funktioniere etwa auch die vielzitierte Kombination von Lastenrad und Mikrodepot im Alltag nur, wenn man die richtige Technologie dafür hat. Und die reklamiert Liefergrün zu haben.

Software als Schlüssel

Ein Großteil der Energie der mittlerweile 50 festen Mitarbeitenden fließt denn auch in Software und Algorithmen, wobei natürlich auch die Hardware passen muss. Fahrzeugseitig zeigt man sich da flexibel: „Was heißt hier lange Lieferfristen, so etwas lässt sich doch planen“, kontert Tauch die Ausrede Nummer 1, warum es elektrisch noch nicht geht. Im Zweifel müsse man was das Modell betrifft eben flexibel sein. Liefergrün setzt neben den kompakten Mercedes-Benz eVito auch auf den E-Pkw Renault Zoe.

„Damit bekommen wir 300 kleine Päckchen in der Fashion-Logistik transportiert“, meint er.

Gegenüber den Autoherstellern spielt er die Marktmacht eines gebündelt für zahlreiche Lieferpartner auftretenden Players aus. Da geht es dann eben nicht um ein oder zwei, sondern ein- oder zweihundert Fahrzeuge, mit entsprechend günstigeren Konditionen, wie der Gründer skizziert. Bei den E-Cargobikes, die vor allem in reinen City-Quartieren ohnehin den Vorzug von den Transportern genießen, hat man die schweren Lastenräder von ONOMOTION (PAT) und Urban Mobility im Einsatz und ist recht zufrieden damit. Man versuche aber generell auch hier, den Fahrzeugpool zu diversifizieren, um eben nicht nur auf wenige Anbieter angewiesen zu sein und flexibel zu bleiben.

All die gebündelten Vorteile gebe man dann weiter an die Lieferpartner, die teils bisher für die „Großen“ gefahren seien und so den Einstieg in eine „grüne Lieferlogistik“ schaffen können, den sie aus eigener Kraft und bei branchenüblich mauen Margen nie stemmen könnten. Die „Mission Green CEP“ (und perspektivisch darüber hinaus!) hat gerade erst begonnen. Und Tauch und sein Team sind sicher, es ist eine: „Mission possible“.

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