LOGISTRA Profi-Test E-Works Heero: Heldenhaft im Retrofit
Am Retrofit von ausgedienten Transportern hat sich schon manche Firma die Zähne ausgebissen: Angefangen bei den frühen Pioniertaten von EFA-S mit den alten UPS-Varios, die stilbildend waren, aber auch nie in größere Stückzahlen kamen. Über das Orten-Engagement, Quantrons Daily-Retrofits in Augsburg oder das Start-up I-See, das sich an die Elektrifizierung des Opel Vivaro machte – und dann sang- und klanglos wieder von der Bildfläche verschwand.
Richtige Relevanz konnten die Bemühungen um doppelte Nachhaltigkeit nie erringen, obwohl die Idee besticht: Gebrauchte Diesel lassen sich sofort elektrifizieren, die Ressourcen der Herstellung werden geschont, was schon mal einen großen Teil des CO2-Rucksacks von den Schultern eines Fahrzeugs nimmt. Mit E-Works aus dem Münchner Norden wirbt nun ein weiterer Anbieter fürs zweite Leben bei Transportern und will in diesem Jahr mit 50 Exemplaren, 2024 mit 250 und 2025 dann mit 1.700 Fahrzeugen – dann am neuen und größeren Standort in Garching-Hochbrück statt der bisherigen Werkstatthalle in Ismaning - in die Umrüst-Kleinserie starten.
Die Nachfrage ist vorhanden
Die Kundennachfrage sei vorhanden, meint Gründer und CEO Dominik Ashkar, der zudem die Lücke sieht, die die OEMs aktuell lassen: Mercedes könne beim eSprinter nur eine einzige Version des 11-Kubik-Kastenwagens liefern, ohne Anhängeroption, so Ashkar weiter. Ford habe zwar den E-Transit im Sortiment, der aber bei der Reichweite und Anhängelast nicht mit dem Heero mithalten kann. Der aktuelle Fiat E-Ducato (preisgünstigerer Nachfolger mit 110 kWh-Akku (!) in Sicht) sei schlicht zu schwer – und zu teuer.
Und Iveco habe zwar mit dem eDaily ein modulares und flexibles Konzept, das aber wegen des Leiterrahmens von Haus aus sehr schwer und als 3,5-Tonner daher nutzlastschwach sei. Und den Dreifachakku gebe es eben nur für die Langversion, was vielen Kunden nicht behage. Zudem sei man dann schnell bei einem Preis jenseits der 100.000-Euro-Marke, wirbt Vertriebsmanager Manfred Aumüller für das eigene Konzept.
Für das man einstweilen "unterm guten Stern" noch freie Bahn hat: Mercedes-Benz, mit denen E-Works keinerlei Verbindung pflegt, wie man auf der Website Missverständnissen vorbeugt, hat seinen akku-modularen eSprinter (56/81/113 kWh) der nächsten Generation allerdings ab Jahresende angekündigt. Bevor irgenwann ab 2025 auf der sogenannten Van.EA ein komplett elektrischer Sprinter kommt. Am Neufahrzeugmarkt, versteht sich.
Großer Akku gegen Reichweitenangst
Denn genau mit einem Riesenakku mit 96 kWh-Netto-Kapazität, dessen Zellen unter anderem von LG stammen und das Gehäuse patentiert von E-Works, will man dafür sorgen, dass die Kunden ziemlich genau das mit ihrem Van machen können, was sie vorher mit dem Diesel an Aufträgen erledigt haben. 500 Kilometer Reichweite verspricht der Anbieter – und zudem eine Anhängelast von bis zu 3,5 Tonnen.
Basis bildet die Heckantriebsversion des Mercedes Sprinter, bei der der vormalige Diesel-Antriebsstrang komplett ausgebeint wird, die Kardanwelle aber erhalten bleibt und an einen AC Propulsion Elektro-Motor mit satten 180 kW (245 PS) Leistung und 350 Nm Drehmoment angedockt wird, der anstelle des bisherigen Getriebes an der Vorderachse sitzt. Die E-Maschinen des US-Spezialisten kommen sonst eher bei Lkw zum Einsatz, bieten also Reserven.
Ladeanschluss unter dem Logo
Von der Ladetechnik her kombiniert man gut positioniert hinter einer zweiflügeligen Klappe im Logo einen leistungsfähigen 22-kW-AC-Lader, der zügiges dreiphasiges Laden ermöglicht und einen 135-kW-DC-Lader, mit dem man dann in einer guten halben Stunde von 10 auf 80 Prozent wieder bei der Musik ist. Die Kunden würden die große Kapazität des Speichers zu schätzen wissen, weil sie im Zweifel eine komplette Arbeitswoche ohne Nachladen auskämen. Zudem könne man an Ort und Stelle den Van als „Powerbank“ nutzen, ein 2,3 kW-Anschluss steht wie beim Ford E-Transit jetzt schon zur Verfügung. Für nächstes Jahr ist ein 11-kW-Stecker geplant, der dann auch den Betrieb von Schweißgeräten oder stromintensiven Nebenverbrauchern ermöglicht, wie Ashkar betont.
Kleinere Batterie in Planung
Wichtige Faktoren für spezielle Kunden aus Handwerk, von Stadtwerken oder der Energiebranche, wie Aumüller weiß. Weil aber tatsächlich nicht alle Kunden einen so großen Akku brauchen ist ein etwa 70 kWh-Speicher in Planung. Der hebt dann wiederum die Nutzlastbilanz, was der E-Van aus Ismaning brauchen kann: Im Falle unseres klassischen 3,5-Tonnen-Sprinters mittlere Länge und Hochdach ließe die umbarmherzige Wage nur 715 Kilo reine Nutzlast übrig. Allerdings ist per Sonderregelung für den Hersteller eine Auflastung auf 3,85 Tonnen möglich, sodass man gut eine Tonne zuladen darf. Und dann hat man hat ja noch die üppige Anhängelast… Trotzdem: Auf 350 bis 400 Kilo taxiert der Anbieter das Mehrgewicht durch den Umbau.
Karosserie und Fahrwerk unverändert
Durch das unveränderte Gesamtgewicht bleiben Karosserie und Fahrwerk ebenfalls unverändert, die Gewichtsverteilung verändert sich laut Manfred Aumüller gar nicht man so stark und mit dem tiefen Schwerpunkt liegt der elektrifizierte Sprinter eher besser und satter auf der Straße als das etwas schaukelige Diesel-Pendant. Wobei eine gewisse Steifbeinigkeit an der „Hinterhand“ bei unserem Test auffiel.
Ansonsten fährt sich der Second-Life-Stromer sehr unkompliziert und manierlich: Startknopf gedrückt, Fahrstufe per Automatikwählhebel eingelegt, los geht die emissionsfreie Fahrt, freilich nicht geräuschfrei: Der E-Antrieb sendet alle Tonalitäten einer Elektromaschine in die Kabine, vom leisen bis zum deutlich vernehmbaren Sirren, wenn man vom Strompedal geht. Dann nackelt es auch spürbar in der akustisch ebenfalls beteiligten Kardanwelle, technisch freilich unbedenklich. Im Verhältnis zu den geschmeidigen, flüsterleisen Werksstromern von Ford, Mercedes oder Iveco ist das schon ein Klassenunterschied. In Relation zum Diesel gleichwohl immer noch leise – und komfortabel, in Relation zum Handschalter allemal.
Performant: Und ab geht die Post!
Zumal die Performance passt: Wohldosiert tritt der Heero an, auch das Rangieren gelingt zentimetergenau. Wer das Fahrpedal durchdrückt, bekommt trotz Ballastierung mit gut 600 Kilo die Wucht von 350 Nm zu spüren, nahtlos zieht der E-Van auf Tempo. Die Rekuperation ist schlicht, einstufig und immer aktiv und in der Wirkung genau in der Mitte, sprich sie erübrigt oft die Betriebsbremsung. Die Bedienung ist selbsterklärend, das Instrumentencluster liefert aber nur die nötigsten Informationen: Akku in Prozent, Reichweite, Rekuperation. Eine echte Verbrauchsanzeige vermisst man aber schon arg. Per Doppelclick auf den Lenkstockknopf lässt sich die Akkufüllung von 80 auf 100 Prozent entsperren. Ein doppeltes Drücken am Schlüssel wiederum entsperrt den Ladeanschluss. Alles nicht „oversophisticated“, aber es tut seinen robusten Dienst.
Wärmepumpe heizt mächtig auf
Den versieht übrigens auch die elektrische Heizung per Wärmepumpe, und zwar so schnell und nachdrücklich, dass wir rasch auf 17 Grad runterregeln. Auch um den Verbrauch nicht noch weiter zu treiben: Denn hier zeigt sich ein konzeptbedingter Nachteil. Der Transfer über die Kardanwelle fordert offenbar Tribut und lässt den Akkustand über unsere 155-Kilometer-Mix-Runde von 93 auf 43 Prozent sinken. Umgerechnet entspricht das im Betrieb üppigen 48 kWh, nach Ladeverlusten gar 54,5 kWh, sprich 30,1 sowie 35,1 kWh/100 km, wobei es sich um einen kühlen Herbsttag bei etwa fünf bis acht Grad handelte.
Damit liegt der Heero zwar auf dem Niveau eine eSprinter der ersten Generation. Den mussten wir aber wegen kleinerem Energiespeicher glatt noch einmal zwischenladen. Davon ist der Heero natürlich weit entfernt, sprich er kann sich den erhöhten Verbrauch dank hoher Akkukapazität „leisten“, ohne beim Fahrer auch nur den Anflug von Reichweitenangst auszulösen.
Zwei Optionen zum Kauf
Neben der reinen Umrüstung eines Bestandsfahrzeuges für 60.000 Euro, gibt es die Option des Ankaufs eines jungen Gebrauchten, der dann per Refurbishing von Interieur und Exterieur auf etwa 75.000 Euro kommt. Gut, im Resultat hat man dann einen fast neuwertigen Elektrotransporter, dem die E-Works-Leute antriebs- und akkuseitig locker acht Jahre Lebenszyklus zutrauen. Wenn man das Package nicht noch in den nächsten Sprinter „mitnimmt“, wie Ashkar selbstbewusst und schmunzelnd hinzufügt.
Fazit: Über den Lebenszyklus rechnet es sich
So soll sich das selbstbewusst gepreiste Retrofit-Paket am Ende rechnen, weil die Gesamtbetriebskosten deutlich niedriger als beim Diesel liegen. Und: E-Works kann schnell liefern, denn der Kunde kann sein Fahrzeug ja praktischerweise gleich mitbringen, samt Ausbau. Das wäre dann wirklich doppelt und dreifach nachhaltig: Ökologisch und ökonomisch. Und wahrlich „heldenhaft“ für einen Heero.
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