MAN eTruck: Das Flaggschiff nimmt elektrisch Fahrt auf
Nach der statischen Publikumspremiere auf der IAA Transportation 2022 in Hannover, nimmt der schwere Elektro-Lkw von MAN Fahrt in Richtung Serie auf. Erstmals konnten ausgewählte Unternehmer und Journalisten mit dem elektrifzierten Flaggschiff auf Tour gehen. Der eTruck ist vorbereitet für den kommenden Megawatt-Ladestandard und soll damit auch für den schweren Fernverkehr tauglich werden, deckt selbstredend aber auch von Diesel-Lkw heute erbrachten Regional- und Verteilertransportleistungen ab, wie der Hersteller betont. Verglichen mit einem Diesel-Lkw im Fernverkehr mit einem Durchschnittsverbrauch von 27 Litern, könne ein Elektro-Lkw auf 120.000 Kilometern jährlich bis zu 100 Tonnen CO2 einsparen, rechnen die Münchner vor. Ökonomisch würden Unternehmen profitieren, weil die eingesetzte Energie deutlich effizienter genutzt würde, bis zu 7000 Euro Ersparnis jährlich verspricht MAN.
"Unser neuer eTruck wird ab 2024 den Fernverkehr elektrifizieren. Auf der IAA haben wir das Orderbuch für die erste Charge des neuen eTrucks geöffnet und es gibt viele Interessenten! Unser Truck kommt genau zur richtigen Zeit. Ab Mitte des Jahrzehnts wird es wirtschaftlicher sein, batterieelektrisch zu fahren als den konventionellen Diesel. Bis 2030 soll die Hälfte unserer in der EU verkauften Fahrzeuge einen emissionsfreien Antrieb haben", kündigte Alexander Vlaskamp, Vorstandsvorsitzender von MAN Truck & Bus an.
Dafür müsse aber auch die Ladeinfrastruktur da sein, in Deutschland und in Europa. Vlaskamp spielte an auf den jüngsten Beschluss der Bundesregierung zum Masterplan Ladeinfrastruktur II, in dem erstmals auch der Aufbau der Ladeinfrastruktur für batterie-elektrischen Lkw enthalten sei. Das sei ein wichtiger, erster Schritt, doch müssen die Ziele für Ladestationen und den erforderlichen Flächen- und Energiebedarf konkreter werden, so der MAN-Chef weiter.
Bereit für Megawatt-Laden - und für den Fernverkehr
Dank hoher Ladeleistungen bei kurzen Ladezeiten seien im schweren Fernverkehr Tagesreichweiten zwischen 600 und 800 Kilometern, perspektivisch sogar bis zu 1.000 Kilometer machbar. Zusammen mit niedrigen Betriebskosten und einer Energienutzung von Tank zu Rad, die rund zweimal so effizient ist wie im Vergleich zu heutigen Verbrenner-Lkw aber auch zu Brennstoffzellen Lkw, böten die batterieelektrischen Fahrzeuge die geeignetste Technologie für künftige CO2-freie Nutzfahrzeugflotten, glaubt man bei den Münchnern. Die Konfigurationen umfassen den klassischer Sattelzug im Ferntransport von gekühlten Lebensmitteln, ein Drei-Achs-Chassis in der geräuscharmen und abgasfreien Abfallentsorgung in der Stadt oder im vollelektrischen Transport von Materialien zur Baustelle mit Chassis und Anhänger. 20 Prototypen des E-Lkw hat der Hersteller in seinem innovativen eMobility Center im Münchner Hauptwerk aufgelegt. Die geplante Mischserienfertigung mit konventionellen Trucks werde bereits unter realen Bedingungen erprobt. Bis Ende 2023 sollen alle relevanten Fachkräfte der Lkw-Produktion für die Serienproduktion von E-Lkw qualifiziert sein.
Investiert wird – neben einer Förderung durch den Freistaat Bayern – auch in das Nürnberger MAN Werk. Hier sollen ab 2025 jährlich rund 100.000 Batteriepacks in hauseigener Großserienfertigung hergestellt werden. Im neuen Truck kommt die dritte Generation der Aktionsbatterien zum Einsatz. Erkenntnisse sammelte bereits die erste Generation in der Kleinserie des MAN eTGM, der sich seit 2019 in europäischen Ländern im Praxisalltag bei Transportunternehmern über 1,5 Millionen Kilometer bewährt hat. Mit der zweiten Generation der Batterien im Stadtbus MAN Lion’s City E konnte zudem ein Reichweitenrekord im Praxiseinsatz über 550 Kilometer mit einer Batterieladung aufgestellt werden. Neben der Reichweite stehen bei der Batterieentwicklung Crashsicherheit, Haltbarkeit sowie Vibrations- und Temperaturwiderstandsfähigkeit im Vordergrund.
Beratung nach kundenspezifischem Einsatz
Darüber hinaus will man mit einer umfassenden Beratung inklusive kundenspezifischer Einsatzbedingungen, Kostenoptimierung, Routenanalyse, Flottenoptimierung vornehmen. Durch die Kooperation mit den Partnern ABB, Heliox und SBRS-Schaltbau soll die Sparte MAN Transport Solutions auch die passende Ladeinfrastruktur anbieten. Zusätzlich unterstützen digitale Tools wie der neue MAN eReadyCheck. Als Teil der Produktentwicklung engagiert man sich auch in zentralen Förderprojekten zur Ladetechnologie für schwere Elektro-Lkw. Eines davon ist „HoLa" (Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr), das die Auslegung, Installation und den Betrieb von Lkw-Hochleistungsladestationen anhand von vier Pilot-Standorten entlang der Bundesautobahn A2 untersucht.
Stärkeren Fokus auf die Ladetechnologieentwicklung legt das Projekt „NEFTON" (Nutzfahrzeugelektrifizierung zur Transportsektoroptimierten Netzanbindung). Der Hersteller analysiert dabei gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie das System aus vollelektrischem Lkw, Ladesäule und Netzanbindung sowie deren Auslegung für verschiedene Use Cases im Fernverkehr. Zentrales Ziel von NEFTON ist die Demonstration des Megawatt Charging Systems (MCS) von MAN mit einer Ladeleistung von über 2 Megawatt. Damit soll der neu spezifizierte MCS-Ladestandard früh erprobt werden. Auch das bidirektionale Laden im Megawattbereich, durch das der Lkw zusätzlich als Energiespeicher für das Stromnetz fungieren kann, wird im Projekt untersucht.
Über die Ladetechnologie und ihre Anwendung hinaus engagiert sich die VW-Tochter zudem für den Ausbau der Ladeinfrastruktur, in dem mit Industriepartnern gegründeten Joint Venture, das mindestens 1.700 Hochleistungs-Ladepunkte an oder in der Nähe von Autobahnen sowie von Logistik-Hubs in ganz Europa schaffen will. Die Partner investieren dafür insgesamt 500 Millionen Euro. Für die künftige Vollelektrifizierung des europäischen Fernverkehrs bedürfe es allerdings einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung. Schätzungen des Branchenverbands ACEA zufolge werden 42.000 Ladestationen benötigt.
"Bei angenommenen 350.000 Elektro-Lkw auf europäischen Straßen bis 2030, würde eine Ladeleistung von 37 Terawattstunden pro Jahr auf Basis erneuerbarer Energien benötigt. Dies entspricht der mittleren Jahresstromerzeugung von rund 6.000 Windkraftanlagen", rechnen die Verantwortlichen vor.
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