Mercedes eSprinter II: Pilottest über 475 Kilometer erfolgreich
Es dauert zwar noch bis Ende nächsten Jahres: Doch das Warten auf die nächste Generation eSprinter könnte sich lohnen. Mit der „elektrischen Zwischenstufe“, der sogenannten Electric Versatility Platform, halten ein neue E-Motor und wahlweise drei Akkugrößen Einzug. Die Topversion mit großem Akku hat Mercedes-Benz Vans jetzt schon mal auf eine lange Reise geschickt – und das lässt auf deutlich verbesserte Effizienz hoffen. Bisher lag der eSprinter mit seinem wahlweise 35 oder 47 kWh großen Akku im Bereich „rund um den Kirchturm“. Beim LOGISTRA-Test mit dem 47-kWh-Akku musste der eSprinter zwischendurch noch an den Schnelllader am Autobahnrasthof, weil die 145 Kilometer sonst nicht machbar gewesen wären. Mit 32 kWh/100 km bediente sich der ZF-Asynchronmotor derart hemmungslos aus dem Lithium-Ionen-Akku, dass mehr im wahrsten Sinne des Worts nicht drin war. Nach Ladeverlusten waren es gar 39,8 kWh/100 km.
Der neue E-Motor soll deutlich effizienter laufen
Das soll sich ändern: Die neue Version, die ab Ende 2023 anrollt, schaffte jedenfalls in der allerersten Versuchsfahrt auf deutschen Straßen glatte 475 Kilometer – von Stuttgart zum Münchner Flughafen und retour, wobei am Mercedes-Benz-Museum in Untertürkheim sogar noch drei Prozent Rest in den Speichern verblieb – genug für 20 Kilometer. Klar, die Akkukapazität hat sich mehr als verdoppelt. Die Reichweite des dann heckgetriebenen eSprinter aber mehr als verdreifacht, sodass man von einer deutlich höheren Effizienz des E-Motors, vermutlich eine Synchronmaschine, ausgehen kann. Offiziell nennt Mercedes TÜV-geprüfte 21,9 kWh/100 km im Betrieb, Verbrauchswelten zum alten Modell. Dabei ist die Strecke nicht ohne: Von Stuttgart bis München über die Alb gilt es, einen Höhenunterschied von 210 Meter auf 785 Meter am höchsten Punkt zu überwinden. Zudem liegt der Autobahnanteil nach Einrollen auf der B10 naturgemäß hoch.
Heckantrieb ermöglicht Fahrgestell und Aufbaulösungen
Die Umstellung auf Heckantrieb ermöglicht aber auch die Ausweitung des Portfolios auf mehrere Aufbauvarianten – vom Kastenwagen bis hin zum Fahrgestell für beispielsweise Kofferaufbauten. Damit will man neue Kundensegmente und Märkte erschließen und peilt neben Europa unter anderem auch erstmals auf USA und Kanada. Der neue eSprinter wird daher ab dem zweiten Halbjahr 2023 sukzessive in Charleston (South Carolina/USA), Düsseldorf und Ludwigsfelde produziert werden. Jüngst feierte das Sprinter-Werk Düsseldorf die fünfte Transporter-Million in der Produktion. Und es sollen noch mehr werden, vor allem auch mit dem just in Neuhausen bei Stuttgart in die Vorproduktion startenden eSprinter-Nachfolger.
Investitionen auch ins Werk Ludwigsfelde
Für die Maßnahmen am Standort sind Investitionen in Höhe von rund 400 Millionen Euro geplant. Im Mercedes-Benz-Werk Ludwigsfelde, wo seit 2018 das offene Modell der aktuellen Sprinter-Generation gebaut wird, soll die nächste Generation des eSprinter (offenes Baumuster) produziert werden. Darüber hinaus erwägt das Unternehmen, das Werk Ludwigsfelde als Kompetenzcenter für E-Van-Individualisierungen zu etablieren, wie es heißt.
Wichtige Zwischenstufe vor der komplett neuen Basis
Mit der dann ab 2025 folgenden, völlig neuen und eigenentwickelten Architektur VAN.EA (Van Electric Architecture) wolle man die Transformation hin zu einem Anbieter mit einem vollelektrischen Produktportfolio vollends vollziehen. Die flexible Large-Van-Elektro-Plattform für den gewerblichen Bereich soll dem Vernehmen nach zum Produktionspartner Rivian eigenständig sein, wobei hier vieles noch auszugestalten wäre. Bisher gibt es lediglich eine „Absichtserklärung“ zur gemeinsamen Produktion. Der US-Anbieter realisierte bereits mit Amazon das vollvernetzte, elektrische 4,25-Tonnen-Zustellfahrzeug Rivian EDV 700 (Electric Delivery Van), das in den USA in ersten Städten im Einsatz ist. Die VAN.EA von Mercedes-Benz soll jedenfalls dann die Basis für alle E-Vans der Schwaben im mittelgroßen und großen Segment bilden, die ab 2025 auf den Markt kommen und den kompletten Wachwechsel vom Diesel zum Stromer vollziehen.
Ökologisches Package und lokale Fertigung als Argumente
Bereits in diesem Jahr ist auf eine CO2-neutrale Produktion umgestellt worden, der Hersteller setzt auf erneuerbare Energien sowie emissionsreduzierende, neue Mobilitätssysteme auf dem Werksgelände wie etwa dem On-demand-Werkshuttle und fahrerlose Transportsysteme sowie den Bezug von Strom aus ausschließlich regenerativen Quellen.
Damit will man auch die Ziele der Nachhaltigkeitsagenda „Ambition 2039“ erfüllen, in der private sowie gewerbliche Transporter über den gesamten Lebenszyklus CO2‑neutral werden sollen. Dies beinhaltet alle Teilschritte von der Entwicklung bis hin zur Produktion, heißt es aus Stuttgart. Das dürfte künftig ein ebenso wichtiges Distinktionsmerkmal gegenüber dem aufstrebenden chinesischen Wettbewerb sein, wie die Technik des Fahrzeugs selbst.
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