Mindestlohn: Rechtssicher in Frankreich transportieren

Der Mindestlohn im Transportgewerbe entwickelt sich immer mehr zum Bürokratiemonster. In Frankreich müssen Fahrer künftig zahlreiche Papiernachweise mit sich führen.
Wer von Deutschland aus Waren nach Frankreich transportiert, muss die dort gültigen Vorschriften zum Mindestlohn beachten - und die haben es in sich. | Foto: Krone
Wer von Deutschland aus Waren nach Frankreich transportiert, muss die dort gültigen Vorschriften zum Mindestlohn beachten - und die haben es in sich. | Foto: Krone
Tobias Schweikl

Wie der DSLV Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V. meldet, hat das französische Verkehrsministerium nun erste Mustervordrucke für die im Rahmen der Mindestlohnvorschriften im Verkehrssektor erforderlichen Entsendebescheinigung veröffentlicht. Auch eine Übersicht mit Fragen und Antworten zur Anwendung der EU-Entsenderichtlinie auf den Straßengüterverkehr in Frankreich ab 1. Juli 2016 soll es nun geben.

Die Mustervordrucke sind hier in französischer und englischer Sprache erhältlich, der Frage- und Antwortkatalog nur französisch


Achtung: Es handelt sich nur um Entwürfe und nicht um die endgültig zu verwendenden Formulare. Diese sollen später in allen erforderlichen Sprachen publiziert werden. Auf der französischen Website www.developpement-durable.gouv.fr findet man auch eine Übersicht der aktuellen Tariflöhne im Straßentransportgewerbe, die als Mindestlohn ab 1. Juli 2016 bei der Entsendung von Fahrern einzuhalten sind.
Die für den Güterverkehr aufgeführten Grundtarife bewegen sich laut DSLV zwischen 9,68 und 10,00 Euro pro Stunde, je nach Fahrzeuggröße beziehungsweise Fahrerqualifikation und liegen damit über dem allgemeinen französischen Mindestlohn (SMIC) von 9,67 Euro. Diese sollen die jeweiligen Untergrenzen des in der Entsendebescheinigung verlangten Brutto-Stundenlohns (Taux de salaire horaire brut) darstellen. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) ist bemüht, hierüber weitere Informationen zu bekommen.
Die Entsendebescheinigung ist für jeden Fahrer, der im grenzüberschreitenden Verkehr von und nach Frankreich sowie im Kabotageverkehr in Frankreich eingesetzt wird, auszufüllen und mit Beginn der ersten Entsendung ab dem 1. Juli 2016 im Fahrzeug mitzuführen. Sie dient dem Nachweis, dass der in Frankreich zum Tragen kommende Mindestlohn eingehalten wird. Ausgenommen bleibt hiervon allein der Transitverkehr.
Nötige Daten im Formular
Die Bescheinigung hat eine Gültigkeitsdauer von maximal sechs Monaten und gilt für alle in diesem Zeitraum durchgeführten Fahrten, ohne dass für jeden weiteren Transport erneut eine Entsendebescheinigung auszustellen ist und die Beförderungen zu spezifizieren sind. Das Formular ist laut DSLV unter Angabe folgender Daten auszufüllen:
• Name und vollständige Anschrift mit Mailadresse und Telefonnummer des entsendenden Unternehmens, die Rechtsform und den Namen, das Geburtsdatum, den Geburtsort der verantwortlichen Personen sowie den Namen des zuständigen Sozialversicherungsträgers.
• Vollständige Angaben zum entsandten Arbeitnehmer, dessen Nationalität, Arbeitsvertrag, berufliche Qualifikationen.
• Bruttoarbeitslohn pro Stunde in Euro und Einzelheiten zu firmenspezifischen Spesen und Übernachtungssätzen; zum Mindestlohn zählen nach derzeitigem Kenntnisstand der Grundlohn, Überstundenzuschläge und weitere Sonderzahlungen, jedoch keine Pauschalen für Mahlzeiten, Übernachtungen et cetera.
• Name und vollständige Anschrift (Brief- und elektronische Adresse, Telefon) des Vertreters in Frankreich.
• Die Registrierung des Unternehmens im jeweiligen nationalen elektronischen Register der Transportunternehmer gemäß Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 (nur für den Straßengüterverkehr).
Selbständige Fahrer unterliegen laut DSLV diesem Prozedere nicht. Sie sollten lediglich einen Handelsregisterauszug ihres Unternehmens mitführen. Betroffen sind alle Arten von Fahrzeugen (leichte und schwere), die im Güter- und Personentransport zum Einsatz kommen.
Eine Ausfertigung der Entsendebescheinigung muss in Papierform vom Fahrer im Fahrzeug mitgeführt werden, weitere Ausfertigungen sind beim jeweiligen Vertreter in Frankreich sowie beim entsendenden Unternehmen (in Papierform oder digital) zu hinterlegen. Darüber hinaus hat der Fahrer einen Arbeitsvertrag/Gehaltsabrechnungen sowie, falls verfügbar, eine in Französisch übersetzte Kopie eventuell zur Anwendung kommender Tarifvereinbarungen mitzuführen. Bei Kontrollen müssen die Fahrer anhand der Unterlagen grundsätzlich ihren Bruttostundenlohn, die Arbeitszeiten und die Stunden nachweisen können, welche mit der Gehaltsabrechnung abgegolten werden, unter Angabe von Urlaub oder anderer freier Tage.
Laut DSLV empfiehlt es sich deshalb, die entsprechenden Daten in den beigefügten Unterlagen zu markieren. Diese Dokumente werden nicht in elektronischer Form akzeptiert.
Partner vor Ort
Auf Wunsch vermittelt der DSLV seinen Mitgliedsunternehmen Kontakte zu Serviceanbietern in Frankreich, die die Vertretung des Unternehmens in Frankreich zur Meldung der Entsendung (Loi Macron), der automatischen Erstellung der Anmeldung, der Archivierung und Auswertung der digitalen Daten übernehmen können.
Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission mit Datum vom 16. Juni 2016 beschlossen, rechtlich gegen die systematische Anwendung der Mindestlohnvorschriften im Verkehrssektor in Deutschland und in Frankreich vorzugehen. Man unterstütze zwar voll und ganz das Prinzip eines Mindestlohns, vertrete aber die Ansicht, dass eine systematische Anwendung der Mindestlohngesetze Frankreichs beziehungsweise Deutschlands auf alle Verkehrsleistungen in ihren jeweiligen Staatsgebieten eine unverhältnismäßige Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit und des freien Warenverkehrs bewirke.
Ein Aufforderungsschreiben soll an beide Staaten verschickt werden, als erster Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens. Die französischen aber auch die deutschen Behörden haben dann zwei Monate Zeit, um auf die Argumente der Europäischen Kommission zu reagieren.