Auf dem Schweizer Markt für Elektrohaushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik und Computer ist die Dipl.-Ing. Fust AG seit der Gründung im Jahr 1966 eine feste Größe. Mit über 2.000 Mitarbeitenden, landesweit 150 Filialen und einem Umsatz von mehr als einer Milliarde CHF zählt das Unternehmen zu den zehn größten Einzelhändlern des Landes.
Die Coop-Tochter hat zuletzt als Reaktion auf das anhaltende E-Commerce-Wachstum in die Modernisierung und den Ausbau des Logistikstandortes Oberbüren investiert. Ziel war es, die Lagerkapazitäten zu zentralisieren und zu verdoppeln, um bestehende Außenlager aufzulösen. Investiert wurde in eine ganzheitliche Logistiklösung des Anbieters SSI Schäfer. Es sollte das Produktangebot ausgebaut, die Warenverfügbarkeit verbessert und eine flexible Anpassung an neue Durchsatzanforderungen vorgenommen werden.
Das zunächst im Kern auf die Filialbelieferung ausgerichtete Logistikkonzept konnte so nach zweijähriger Bauzeit in eine Multi-Channel-Lösung überführt werden. Das System erwies sich in Folge der Corona-Pandemie, trotz des hohen Automatisierungsgrades, als äußerst flexible Logistiklösung in Bezug auf die sich rasant geänderten Anforderungen an Auftragsstrukturen (B2B vs. B2C).
Frühe Planung
Bereits 2016 reifte bei der Coop-Tochter der Wunsch, die Intralogistikprozesse verstärkt zu automatisieren. Die Neuausrichtung sollte dem anhaltenden Wachstum des ursprünglich im reinen Einzelhandel verankerten Unternehmens Rechnung tragen. Das Kernziel war es, die Lagerkapazitäten am Standort Oberbüren auszubauen und zu zentralisieren. Zudem sollten die Durchlaufzeiten optimiert, die Abwicklungszeiten in der Kleinteile-Kommissionierung reduziert und natürlich auch die Logistikkosten gesenkt werden.
Bei der Modernisierung des seit 2003 bestehenden Lagers zu einem Multi-Channel-Logistikzentrum sollte auch das komplexe Management der verschiedenen, aufwändig zu koordinierenden Zulieferer vereinfacht werden. Dieser Forderung konnte SSI Schäfer mit einem breiten Produktportfolio aus einer Hand nachkommen: Behälterlager mit dem Einebenen-Shuttle-System „SSI Cuby“, Hochregallager, Lösungen für manuelle Bereiche sowie die Software „WAMAS“.
Das Projekt startete im Juni 2017 mit Unterzeichnung des Werkvertrags. Nach Abschluss der Bauarbeiten konnte im Oktober 2018 mit der Installation begonnen werden. Bereits im August 2019 konnten die Partner den erfolgreichen Go-Live des neuen Gesamtsystems vermelden.
In einer Bauzeit von zwei Jahren wurde die logistische Nutzfläche auf 50.000 m² verdoppelt. Parallel dazu sind die zwecks Sortimentserweiterung und Anforderungen an eine erhöhte Verfügbarkeit erforderlichen Lagerkapazitäten verdreifacht worden.
„Darüber hinaus profitieren wir von optimierten Prozessen in der Kleinteilekommissionierung – einer der wesentlichen Vorteile der realisierten Lösung. Das SSI Cuby leistet hier einen wichtigen Beitrag durch die passgenaue und effiziente Bereitstellung der Kommissionierbehälter“, so Fust-Logistikleiter Daniel Marbach. „Wir konnten dadurch eine Produktivitätssteigerung von beachtlichen 40 Prozent realisieren.“
Bislang fielen für die Filialbelieferung und das Online-Geschäft zusammengefast etwa 1.800 Versandpakete pro Tag an. Mit der maßgeschneiderten Systemlösung ist Fust heute in der Lage, für beide Absatzkanäle in Summe 4.000 Sendungen täglich auf den Weg zu bringen. So war bereits in einem frühen Stadium sichergestellt, dass seit Januar 2022 auch georderte Produkte der filialorientierten Tochter RS Vertriebs AG und des Onlinehändlers nettoshop.ch über das Zentrallager in Oberbüren abgewickelt werden können.
Pandemie als Game Changer
Wie wichtig ein hohes Maß an Flexibilität sowohl auf Modul- als auch Softwareebene ist, zeigte sich im Projektverlauf: Lag das Verhältnis von Filialbelieferung und E-Commerce während der ursprünglichen Planung bei 70:30, so kehrte es sich mit Ausbruch der Pandemie komplett um. An Spitzentagen wurde ein Anteil von 10:90 verzeichnet. Das entspricht einem Anstieg auf teils bis zu 7.800 Pakete pro Tag.
„Die Anlage selbst hielt diesem Ansturm bei einer erzielten Verfügbarkeit von 99 Prozent mit gewohnt hoher Ausfallsicherheit stand“, so Tim Langenbach, Director Business Development - Retail & Wholesale/Food Retail bei SSI Schäfer. „Dabei macht das perfekte Zusammenspiel den Unterschied: einerseits SSI Cuby als technologisches Herzstück und andererseits unsere Logistiksoftware WAMAS als Gehirn des Systems.“
Neben der intelligenten Steuerung hat auch die intuitive Bedienung der Software dazu geführt, schnell reagieren zu können. Sowohl Mitarbeitende als auch Filialbeschäftigte konnten rasch eingearbeitet werden und haben so einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet, die Pickleistung maßgeblich zu steigern. Parallel hat SSI Schäfer die Serverkapazitäten aufgerüstet. Die für hohe Transaktionsaufkommen ausgerichtete WAMAS-Lösung konnte dabei den reibungslosen Betrieb gewährleisten.
Im automatischen Kleinteilelager (AKL) stehen bei doppeltiefer Lagerung 60.000 Behälterstellplätze auf 1.500 m² zur Verfügung. Diese verteilen sich auf vier Gassen, in denen 92 Cuby-Shuttles die Ein- und Auslagerung übernehmen. Die Zahl der täglich abgewickelten Orderlines beläuft sich auf rund 15.000.
Das Umpacken von Artikeln in Behälter für die Einlagerung in das Shuttle-Lager geschieht über vier ergonomisch ausgestattete Arbeitsplätze. Für die Kommissionierung wurden sechs nach gleichen Kriterien eingerichtete ergonomische Advanced Pick Stations installiert, an denen Pickleistungen von bis zu 665 Picks pro Stunde und Arbeitsplatz erreicht werden können.
„Dank dieses Konzepts in Verbindung mit höhenverstellbaren Arbeitsplattformen wird bei verringerter körperlicher Belastung deutlich mehr Leistung erbracht“, ergänzt Tim Langenbach. Auch die Mitarbeiterzufriedenheit habe sich dadurch verbessert.
Die Behälter für die Filialbelieferung werden nach der Kommissionierung mittels intelligentem Portal-Roboter vollautomatisch gestapelt, was für eine deutliche Entlastung der Mitarbeitenden und kontinuierliche Materialflüsse sorgt. Sowohl der Portal-Roboter als auch die Greifer wurden von RO-BER, einem Unternehmen der Schäfer Gruppe, entwickelt und integriert. Die Verpackung und der Versand der Kundenpakete erfolgen anschließend über zwölf ergonomische Arbeitsplätze.
Wie beim AKL wurde auch im automatischen Hochregallager (HRL) eine optimale Raumausnutzung erzielt. Die dachtragende Konstruktion ermöglicht es, dort mehr als 15.000 Paletten doppeltief zu bevorraten. Die drei Gassen werden durch Regalbediengeräte vom energieeffizienten Typ „SSI Exyz“ bedient. Ein- und Auslagerungen lassen sich auf allen fünf Ebenen des HRL vornehmen. Die Kommissionierung aus dem HRL wird zudem durch zwei Ware-zur-Person-Arbeitsplätze sowie einen Auslagerungsstich für Ganzpaletten unterstützt.
Software als Enabler
Mit der Logistiksoftware WAMAS hat SSI Schäfer seit 2001 bereits ein einheitliches Warehouse Management System (WMS) an zahlreichen Lagerstandorten der Coop-Gruppe realisiert. Auch Fust profitiert heute von Performance- und Qualitätssteigerungen, die durch die Anbindung des zentralen WMS erreicht werden konnten. Folge sind lückenlose Transparenz und Rückverfolgbarkeit sämtlicher Transaktionen und Informationsströme.
Neben dem WAMAS WMS kommt bei Fust auch das WAMAS Warehouse Control System (WCS) zur Anwendung. Das WCS steuert die relevanten Abläufe im Lager in Echtzeit und organisiert, sequenziert und synchronisiert dabei alle automatisierten Lagerressourcen. Ändert sich eine Bedingung, priorisiert das System neu. Damit konnten deutliche Vorteile in puncto Datentiefe, Transparenz und Prozesssicherheit erzielt werden.
Dank des neuen Intralogistik-Mix verfügt Fust heute über die nötigen Instrumente, um sich am Markt weiter erfolgreich zu behaupten und zukünftiges Wachstum abzubilden. Dabei bleibt die Flexibilität vor dem Hintergrund volatiler Marktveränderungen gewahrt. Die Skalierbarkeit von Hard- und Software schafft zudem die Voraussetzungen, dass Fust den Anforderungen des Online-Business auch künftig gerecht wird.
Es ist es gelungen, das anfänglich vereinbarte, primär auf den Einzelhandel ausgerichtete Logistikkonzept an den E-Commerce Boom anzupassen. Dabei wurde auch die ursprünglich angenommene Produktivitätssteigerung von 20 Prozent mit 40 Prozent übertroffen.
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