Neue Lagerverwaltung: Georg Fischer löst drei Systeme gleichzeitig ab

Georg Fischer Piping Systems vereinheitlicht drei Systeme zur Lagerverwaltung in einem neuen LVS des Anbieters Unitechnik. Durch eine Emulation konnten die Prozesse bereits vorher getestet werden.

Die Software verwaltet unter anderem die Kartonförderanlage des Distributionszentrums. | Bild: Georg Fischer
Die Software verwaltet unter anderem die Kartonförderanlage des Distributionszentrums. | Bild: Georg Fischer
Tobias Schweikl

Der Automatisierungs- und Informatik-Spezialist Unitechnik hat für die Georg Fischer AG (GF) ein neues Lagerverwaltungssystem (LVS) implementiert. Das Schweizer Industrieunternehmen löste mehrere LVS mit dem System „UniWare“ ab. Zuvor war an den Standorten der Division „GF Piping Systems“ in Schaffhausen jahrzehntelang mit drei verschiedenen Systemen zur Lagerverwaltung gearbeitet worden.

Für Georg Fischer sind rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 34 Ländern in drei Divisionen tätig: GF Piping Systems für Rohrleitungssysteme, GF Casting Solutions für Gusskomponenten in der Automobilindustrie sowie GF Machining Solutions für Werkzeugmaschinen.

Bei GF Piping Systems lagern an drei Standorten in Schaffhausen rund 25.000 Artikel – vom kleinen O-Ring bis zur Schweißmaschine. Das Distributionszentrum umfasst 80 Prozent des Hauptgeschäfts. Daneben dient ein teilautomatisiertes Lager mit der Bezeichnung „MF5“ in einem Altgebäude als Überlauflager und für spezielle Sortimente, vor allem Langsamdreher. Lang- und Sperrgut hingegen lagert im Logistikzentrum Herblinger Tal („LZH“). Alle Lager sind in verschiedene Unterlager je nach Produktart aufgeteilt.

Das Handling der unterschiedlichen Produkte an mehreren Standorten sorgt für komplexe Logistikprozesse. Aus weiteren Werken in der Schweiz und von externen Lieferanten gehen kontinuierlich neue Waren ein. Aufträge werden unter Berücksichtigung länder- und kundenspezifischer Anforderungen weltweit versendet. Auch das Kommissionieren des Vormaterials für die eigene Produktion findet dort statt, ebenso der Nachschub für extern betriebene Distributionszentren in anderen Ländern.

Da sich oftmals Teile unterschiedlicher Dimensionen in einer Sendung befinden, sind gegebenenfalls viele Lagerbereiche aus den verschiedenen Standorten beteiligt. Ein Lkw muss dann an mehreren Ladestellen Ware für die gleiche Sendung abholen. Besondere Anforderungen bestehen zudem durch die MHD-Verwaltung von Gefahrgutartikeln und das Handling von Sperrgut in manuellen Bereichen.

Bedingt durch die Lagerstruktur war auch die Lagerverwaltung aus IT-Sicht stark gegliedert. Im Distributionszentrum Schaffhausen war ein Lagerverwaltungssystem als führendes System im Einsatz; die Außenlager MF5 und LZH wurden von einem separaten System verwaltet. Zusätzlich sorgte ein sogenannter „Wrapper“ für die Umsetzung der IDoc-basierten SAP-Schnittstelle in das Schnittstellenformat des alten LVS.

Mit der Zeit wurde das alte Haupt-LVS zu einem Risikofaktor, da der Anbieter es nicht mehr adäquat supporten konnte. Zudem beherrschte nur noch ein Mitarbeiter das System. Deshalb suchte GF nach einem neuen LVS, das alle drei Systeme ersetzt und die Prozesse im Distributionszentrum sowie in seinen Nebenlägern durchgängig abdeckt.

Die Herausforderung dabei: Seit 1990 hat GF kontinuierlich seine Abläufe optimiert und auch selbst Weiterentwicklungen im LVS betrieben. Daher musste ein neuer Anbieter einen hochoptimierten Stand ablösen, der direkt nach dem Go-live wieder verfügbar sein musste.

Aus fünf Bewerbern hat GF letztlich den Anbieter Unitechnik mit seinem LVS UniWare gewählt.

„Für uns waren mehrere Gründe ausschlaggebend“, sagt Tobias Auer, Head of Global Logistics Projects bei GF Piping Systems. „UniWare ist die technologisch führende Lösung und konnte genau auf uns zugeschnitten werden. Zudem ist sie im Vergleich langfristig am günstigsten. Besonders überzeugt hat uns jedoch der Einsatz einer Emulation für Tests mit einer virtuellen Nachbildung der Anlage.“

Durch die Emulation konnten die Prozesse ohne Störung des laufenden Betriebs bereits weitgehend getestet werden. Dazu exportiert Unitechnik Daten aus dem Altsystem, zum Beispiel zu den Paletten- und Behälterbeständen. Es entsteht ein komplettes Datenbankabbild. Anschließend wird ein Tagesbatch an Aufträgen von SAP auf Basis der Bestandsdaten in das LVS transferiert.

Das System simuliert nun die Auftragsabarbeitung in der Anlage inklusive sämtlicher Bedieneraktionen. Das Ergebnis: Das Beobachten eines ganzen Produktionstags in der Anlage und der Durchsatzleistung liefert schon vorab die Grundlage für Optimierungen.

„Die Emulation war ein hervorragendes Tool, um zu evaluieren, dass der Materialfluss funktionieren wird. Sehr gut war auch die Möglichkeit, den Emulator an das alte Testsystem anzuschließen und so selbst zu testen. So konnten wir die Tests vor Ort auf fünf Wochenenden reduzieren“, so Harri Wehrli, LVS-Systembetreuer bei GF Piping Systems.

Nach der Auftragserteilung erfolgte zunächst die Pflichtenheftphase.

„Wir mussten zunächst klären: Welche Funktion wird nicht mehr benötigt, welche darf nicht vergessen werden? Ist das System tatsächlich so stabil, dass wir mit gutem Gewissen eine Umstellung ohne Rückkehrmöglichkeit durchführen können?“, so Wehrli. „Es ging immerhin um die Ablösung eines über 30 Jahre gewachsenen Systems mit tausenden Spezialeinstellungen, verteilt über mehrere Tools.“

Aufgrund der Reisebeschränkungen zwischen Deutschland und der Schweiz im Zuge der Coronapandemie konnten die Tests mit der Anlage vor Ort erst ab Juni 2020 stattfinden. Durch den verkürzten Testzeitraum entstand ein erhöhtes Risiko für den Go-live im Dezember 2020. Ein neuer Termin wäre jedoch erst im Dezember 2021 möglich gewesen. Daher wurde das Risiko in Kauf genommen und die Unitechnik-Mannschaft mit sieben Personen vor Ort entsprechend breit aufgestellt.

„Die Auftragslast zwischen Weihnachten und Neujahr war zum Glück sehr gering“, sagt Auer. „Der Go-live lief ohne Stillstände und Lieferengpässe ab. Das war wirklich herausragend; auch unsere Geschäftsführung hatte den Ablauf nicht so reibungslos erwartet.“

Im Detail wurde bis Freitagabend mit dem alten LVS gearbeitet; dann erfolgte die Datenübernahme in UniWare. Am Samstag fanden Einzeltests statt und am Sonntag lief der Echtbetrieb langsam an. Ab Montag erfolgte der reguläre Produktivbetrieb. Danach begleitete Unitechnik den Produktivbetrieb bis Februar 2021 vor Ort.

Insgesamt umfasst UniWare rund 150 angebundene Terminals, darunter PCs und Handhelds, sowie 110 Drucker, mit denen circa 170 aktive Benutzer arbeiten. Die Lösung ist an das automatische Palettenlager (HRL) und das automatische Behälterlager (KTL), jeweils mit Fördertechnik, sowie an die Kartonförderanlage im Distributionszentrum angebunden. Das automatische Palettenlager (LMA) mit Fördertechnik am Standort MF5 ist ebenfalls inkludiert.

Die Software verwaltet die manuellen Bereiche im Sperrgutlager, Gefahrgutlager, Palettenlager und Blocklager. Sie organisiert die Versandzonen und Lkw-Tore an insgesamt fünf Ladestellen, inklusive der Anmeldung von Lkw, Zuordnung von Touren und Durchführung der Verladung. Auch die Wareneingangserfassung an den externen Produktionsstandorten Subingen und Seewis, die nach Schaffhausen liefern, erfolgt über UniWare. Zudem sind die Versanddienstleister direkt angebunden. Das ermöglicht das Drucken spezieller Labels und das Tracking der Pakete.

Im Zuge der Ablösung hat Unitechnik zudem einige Prozesse optimiert.

„Wir haben 30 Jahre alte Fremdsteuerungen mit entsprechenden Protokollen angebunden. Diese können bestimmte Dinge nicht, die wir heute als selbstverständlich erachten“, sagt Stefan Blauel, Leiter Informatik bei Unitechnik. „Unsere Steuerungen verhindern heutzutage zum Beispiel, dass sich der Paletten-Loop zufährt. In diesem Projekt haben wir das mit Vorab-Kapazitätsprüfungen in UniWare erreicht.“

Vor der Ablösung des LVS mussten zudem bei Umlagerungen von externen GF-Lägern die Palettendaten beim Wareneingang neu erfasst werden. Mit UniWare gilt es in diesem Fall nur noch die Palettennummer zu erfassen. Auch ein Systembruch bei der Etikettierung der Paletten wurde eliminiert: Zuvor hatten die Außenläger andere Belege als das Distributionszentrum genutzt. Bei der Umlagerung musste die Palette inklusive neuer Belege erneut erfasst und gebucht werden. Nun arbeiten alle Lagerbereiche mit den gleichen Etiketten; die Paletten werden im Zielbereich auf die Anlage aufgesetzt und können losfahren.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass der LVS-Systemleiter Harri Wehrli selbst Änderungen an UniWare vornehmen kann.

„Ich wurde von den Entwicklern ausgebildet und realisierte zunächst kleinere Änderungen, um mich mit dem neuen System vertraut zu machen. In der Folge setzte ich die Anbindung eines neuen vollautomatischen Etikettenapplizierers und Hinweistexte bei Werkseinlagerung für spezielle Artikel um“, so Wehrli.

Andere Erweiterungen, wie eine Schnittstelle von UniWare zu Transporeon, einer Plattform für das überbetriebliche Transportmanagement, wurde durch den Support von Unitechnik realisiert.

„Die Zusammenarbeit mit Unitechnik empfinden wir als sehr kollegial. Neue Ideen von unserer Seite werden stets positiv aufgenommen“, resümiert Auer. „Das neue LVS läuft sehr stabil und ist viel übersichtlicher als das vorherige. Unsere Kunden gaben das Feedback, dass sie den LVS-Wechsel gar nicht bemerkt haben. Fest steht: Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit Unitechnik – perspektivisch womöglich auch die Erweiterung des LVS auf weitere Standorte.“