ONO launcht professionelles E-Cargobike für die KEP-Branche

Ein Berliner Hersteller will mit einem speziell designten E-Lastenrad KEP-Anwendern eine gewerbetaugliche Lösung auf dem technischen Niveau der Automobilindustrie bieten.

Stapellauf mit Prototyp: Im Berliner MotionLab präsentierte die junge Firma ONO ihre ersten Fahrmodelle, die jetzt in der Praxis ausentwickelt werden sollen. Rechts erklärt Chefentwickler Philipp Kahle das Konzept. | Foto: ONO
Stapellauf mit Prototyp: Im Berliner MotionLab präsentierte die junge Firma ONO ihre ersten Fahrmodelle, die jetzt in der Praxis ausentwickelt werden sollen. Rechts erklärt Chefentwickler Philipp Kahle das Konzept. | Foto: ONO
Johannes Reichel

Das Berliner Transport- und Mobilitäts-Start-Up ONO hat erste Details zu seinem neuen E-Cargobike veröffentlicht, das am 29. November 2018 offiziell präsentiert wird. Nach Vorstellung des neuen Anbieters aus Berlin soll die sogenannte “ONO” insbesondere in der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) zum Einsatz kommen und dort konventionelle Zustellfahrzeuge auf der “letzten Meile” ablösen. "Hier ist der größte Bedarf, hier herrscht der größte Handlungsdruck", begründet Entwickler Philipp Kahle die Herangehensweise. Das E-Cargobike verfügt über eine wettergeschützte, dem Vernehmen nach ganzjahrestaugliche Kabine und soll von der rechten Seite schnell und ebenerdig zugänglich sein. Daher verzichtet man hier auf eine Tür. Links sorgt eine halbhohe Brüstung für Schutz sowohl vor Witterung als auch kleineren Remplern.

Alleinstellung: Im Stehen von Tür zu Tür

Clou der Konstruktion ist der flache und nach vorn geschlossene Plattformboden im Inneren, auf dem der Fahrer auch im Stehen hantieren können soll, etwa im Tür-zu-Tür-Betrieb. Trotz der höher gelegten Pedalerie soll Sitz- und Tretposition wie auf einem Komfortfahrrad sein, versprechen die Macher.

"Der Fahrer soll sich in gewisser Weise wie in einem Cocon fühlen und in das Fahrzeug eingebettet sein",

skizziert Designer Murat Günak, der früher als Chefdesigner für Volkswagen zahlreiche Automodelle gestaltete im Gespräch mit LOGISTRA. Das E-Cargobike wird über das linke Hinterrad angetrieben von einem 250-Watt-Radnaben-Heinzmann-Elektromotor (1000 Watt Boost), rechts fließt die Pedalkraft des Fahrers ein. Der Vortrieb wird reguliert über eine stufenlose Automatikschaltung, das Fahrzeug kann ohne Führerschein gefahren werden. Ein Rückwärtsgang und eine Anfahrhilfe bis 6 km/h erleichtern das Handling. Die Energie für den Antrieb kommt aus einem, wahlweise zwei Greenpack-Lithium-Ionen-Akkus mit je 1400 Wh Kapazität, die wechselbar sind und für 50 respektive 100 Kilometer Reichweite genügen sollen.

Zwei Kubikmeter als Gardemaß

Das Ladevolumen des 3,40 Meter langen und 1,16 Meter breiten und 2,05 Meter hohen E-Cargobikes beträgt zwei Kubikmeter. Vier Ladungen der wechselbaren Containereinheiten, die sich optisch nahtlos an die Kabine anschließen, sollen damit das Ladevolumen eines gängigen Zustell-Transporters ersetzen. Bei der Nutzlast erreicht das 150 Kilogramm schwere Fahrzeug eine Zuladung von 300 Kilogramm inklusive 90-Kilogramm-Container und Fahrer. Die 80 Zentimeter breite, etwa 1,60 Meter lange Box (1,5-fache Palettenbreite) besteht aus professionellen Sandwichpanelen, die an den Kanten von Alu-Profilen geklammert und zugleich geschützt werden.

Der Aufbau soll äußerst solide und langlebig sein, bis zum Marktstart könnte er allerdings noch einige Kilo leichter werden, wie Entwickler und Mit-Gründer Philipp Kahle betont. Für eine leichtere Be- und Entladbarkeit, ohne einsteigen zu müssen haben sich die ONO-Macher für eine Heck- und eine Seitentür entschieden. "Wir können durch die Alu-Profilkonstruktion aber auch Innen noch Netze oder sogar Regalausbauten darstellen", erklärt Kahle weiter. Zudem ist das Fahrzeug mit einer Rampe ausgestattet, mit der sich die Box aus dem Rahmen rollen lässt.

Hohe Bedienergonomie, konnektives RFID-Schließsystem

Die Ausstattung des E-Cargobikes wird ergänzt durch Außenspiegel, eine automatische Wegfahrsperre, ein Bluetooth-Soundsystem, ein konnektives RFID-Schließsystem, GPS-Tracking sowie eine Lichtanlage mit Blinker und Bremslicht. Das Cockpit soll hohe Bedienergonomie, die Sitzposition gute Übersicht bieten. Um den Anforderungen der KEP-Branche gerecht zu werden, reklamiert der Hersteller für sich eine Konstruktion und Design auf "Niveau der Automobilindustrie", wie es heißt. “Wir wollen die Flexibilität eines Lastenrades mit dem Qualitätsanspruch der Automobilindustrie verbinden”, umreißt Günak den Anspruch. Daran knüpft auch das Konzept als Plattform an, auf der sich für den Designer noch zahlreiche andere Spielarten und Anwendungen realisieren ließen, etwa im Personenverkehr. Auch eine Variante mit längerem Radstand sei perspektivisch darstellbar. 

Disruptive Lösung für die erste und letzte Meile

Die Entwickler wollen sich aber nicht nur auf das Produkt beschränken, sondern dieses in einbinden in einen Prozess mit sogenannten Mikrodepots, die den Zustellprozess nachhaltiger gestalten und das LKW-Aufkommen im urbanen Raum senken sollen. Auf ein ähnliches Konzept setzt auch bereits UPS und der neue E-Cargobike-Anbieter Rytle, der eigens eine 10-Fuß-Variante eines Wechselcontainers als Mini-Hub konzipierte. Allerdings wolle man bei ONO hier "systemoffen" herangehen und je nach lokaler Anforderung Mikro-Depot-Konzepte entwickeln, deutet Philipp Kahle an.

“Mehr als drei Viertel der innerstädtischen Staus werden zu Stoßzeiten durch Wirtschaftsverkehr, also zum Beispiel in zweiter Reihe parkende Lieferfahrzeuge, verursacht”, erklärt Beres Seelbach, CEO von ONO.

Das könne sich mit einer Lösung wie dem ONO ändern, in der die erste bzw. letzte Meile der Paketzustellung abseits der Straße und ohne Transporter gedacht werde. Damit leiste man einen entscheidenden Beitrag dazu, Städte künftig lebenswerter zu machen.“

Zur Finanzierung der für 2019 geplanten Pilotprojekte startet der Anbieter eine Crowdfunding-Kampagne via Seedmatch. Über die Preise und den weiteren Vertrieb sowie Service und Wartung des mit einer CAN-Bus-Elektronik ausgestatteten E-Cargobikes wurde noch nichts konkret verlautbart. Man strebt aber eine ganzheitliche Lösung wie bei einem Full-Service-Vertrag inklusive Pannenhilfe an, die Bikes sollen für eine monatliche Gebühr geleast werden können. Auch soll das Fahrzeug über einen wartungsarmen Antrieb verfügen, die beiden Ketten sind innenliegend in den U-Streben des Rahmens verlegt.