Parego virtuelle Fahrschule: Gut für Umwelt, Fahrpraxis und Finanzen
Ganz ohne analoge Elemente geht es dann doch nicht: Das erste, was einem beim Betreten der „virtuellen Fahrschule“ Parego in einem Gewerberiegel im Münchener Norden auffällt, ist die riesige weiße Tafel im Empfangsbereich, die dicht bekritzelt ist mit Zeitplänen, Terminen, Hinweisen und kleinen Zeichnungen. René Gottmeier muss lachen: „Manche Dinge erfasst man eben am besten analog und auf einen Blick“, erklärt er. Und verweist freiwillig auf die zweite analoge Einheit an den Wänden: Ein Kalender mit dem Stundenplan, der voller bunter Post-its geziert ist.
Alles auf einen Blick eben, meint Gottmeier. Führt dann aber nahtlos in den ansonsten ziemlich digitalen Teil und das Kernelement seiner „Fahrschule der Zukunft“. Die hat er nach acht Monaten Vorbereitung gegründet. Und wollte es schon fast wieder abblasen, sein Start-up, weil sich die „Herbergssuche“, sprich Findung einer für den Zweck passenden Immobilie auf dem irren Münchner Immobilienmarkt äußerst schwierig gestaltete.
Über einen Makler und auf den zweiten Versuch kam dann doch noch der Kontakt ausgerechnet zum HUSS-VERLAG zustande, in dessen Nebengebäude eine perfekt passende Räumlichkeit zu vermieten war. Freilich, erst mussten noch zwei große Schulungsräume, Aufenthaltsraum und die abgedunkelte Simulator-Kammer eingezogen werden. Doch nachdem die baulichen Dinge geklärt waren, zogen der Fahrlehrer René Gottmeier und sein Team überglücklich und voller Tatendrang ein. Gottmeier war jahrelang bei der bundesweit agierenden Großfahrschule Warschun/Lewa tätig. Besonders unterstützt wird er durch die studierte Pädagogin und Bildungswissenschaftlerin Patricia Gottmeier.
Schwedische Pioniere
Dann lernte er auf einer Messe die Technologie des 2009 gegründeten schwedischen Simulator-Spezialisten Tenstar kennen – und Gottmeier war sofort begeistert von der Idee, als leidenschaftlicher Fahrlehrer nochmal etwas Neues zu wagen – und die Fahrschülerausbildung wenn nicht zu revolutionieren, so doch um ein wesentliches und gewinnbringendes Element zu ergänzen. Tenstars Maxime: „Unser Ziel ist es, die Emissionen zu minimieren, die Effizienz zu erhöhen und die Sicherheit während und nach der Schulung der Benutzer von Maschinen und Fahrzeugen zu verbessern.“ Damit traf die Firma bei Gottmeier einen Nerv.
Von den technischen Möglichkeiten fasziniert
Mit den neuen technischen Möglichkeiten, die sich im Simulator bieten, lassen sich gleich mehrere Vorteile erschließen: Man spart enorm an Geld, Zeit, an Verschleiß, an Ressourcen und letztlich CO2-Emissionen in der Ausbildung an Pkw, Bussen, Lkw, Staplern, Baggern oder Baumaschinen. „Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie aufwändig das sonst ist, wenn man etwa eine Kiesgrube zum Üben braucht oder eben einen Busparkplatz als Rangierfläche“, meint Gottmeier. Ein Instruktor von Parego kann auch mehrere Fahrschüler bzw. Lernende beaufsichtigen und unterstützen kann bei entsprechender vorgelagerter eigener Schulung.
Wichtig ist den Gottmeiers, zu betonen: Fahrlehrer ist nicht gleich Instruktor und umgekehrt. Weitere wichtige Information: Simulatorstunden können eben derzeit noch nicht als Übungsstunde laut Fahrschülerausbildungsordnung offiziell eingetragen werden. Jedoch ist es bereits offiziell anerkannt, Simulatorstunden ergänzend einzusetzen, besonders am Anfang einer praktischen Fahrausbildung zum Erlernen erster grundlegender Fahrfertigkeiten, sowie zum Aufbau von Fahrroutinen und -kompetenzen.
Wichtige Argumente pro Simulator
Das sind jedoch schon mal gewichtige Aspekte und Argumente „pro Simulator“. Und zweifellos lassen sich an den „lebensecht“ nachgebildeten Cockpitplätzen auf echten „Motion Bases“ mit Luftfedersitzen, Lenkrädern, Bedienhebeln- und -konsolen bei denen drei Front- und ein Heckscreen den Nutzer umgeben oder wahlweise eine noch realistischere VR-Brille, lassen sich viele Routinen ziemlich „realitätsnah“ abbilden und einüben.
Die Probe aufs Exempel machen wir mit einem Langarmbagger, bei dem sogar das Kettengefühl beim Rangieren ins verlängerte Rückgrat übertragen wird. Bei der Staplerübung gibt es zur originalen Bedienkonsole inklusive Gradmesser des Gabelwinkels eine passende Geräuschkulisse aus dem Hochregallager – und man kann wie beim Videospiel mit mehreren anderen die Logistikhalle frequentieren und die Aufgaben abarbeiten. Selbstredend klingt der Bus, den wir fahren, wie ein Bus, sogar die Spiegel kann man haarfein justieren. Und der Radlader, den wir rückwärts rangieren, knickt genauso wendig ein, wie er das in echt täte.
Wo kann man schon einen Drehschemel fahren?
Man kann als Lkw-Fahrer auch einen Drehschemelanhänger, sprich Gliederzug oder einen Sattelzug wie in Echt rangieren, ohne dass man extra einen Platz an der Rampe belegen muss. Beim Pkw-Führerschein lassen sich Alltagssituationen realistisch üben. Und klar braucht man in der Tendenz dann weniger der deutlich teureren Realfahrten, deutet Gottmeier das heikle Thema Kosten an. Etwa die Hälfte einer Echtfahrt kostet die Fahrt im Simulator, 50 statt 100 Euro.
Etliche Modelle verfügbar
In unzähligen Kategorien und Typen kann man die Fahrzeuge auswählen, sodass die Bedienung und das „Look and Feel“ stets so ist, wie später im echten Modell. So lässt sich am Simulator eine Routine erarbeiten, die einem hernach viel Stress erspart als Fahrschüler, argumentiert Gottmeier. Entlang der vorgegebenen Ausbildungsschritte gibt es ein individuell anpassbares Sortiment an Übungen verschiedenster Schwierigkeitsgrade und Challenges.
Beim Stapler etwa gilt es eine bestimmte Zahl von Boxen vom Boden in ein weißes Feld zu befördern und sie entsprechend clever zu sortieren, dass alle auf den vorgegebenen Platz im Lager passen. Auch „Blaulicht“-Schulungen für Einsatzkräfte gibt es, bei denen sich in „Reallife“ Stresssituationen wie etwa die Einfahrt auf eine dicht befahrene Kreuzung mit Blaulicht simulieren lässt – und man weiß jeweils überhaupt nicht, wie die anderen Verkehrsteilnehmer agieren.
Soziale Aspekte: Stressfaktoren abbauen
Er verweist auf einen weiteren, sozialen Aspekt: Während im realen Leben die enge Beziehung zwischen Fahrlehrer und Fahrschüler oder –schülerin einen Stressfaktor darstellen kann, lässt sich das im Simulator komplett ausblenden. Außerdem verweist der überzeugte ÖPNV-Nutzer Gottmeier auf die permanente Stausituation im echten Straßenverkehr, die schon unmittelbar vor dem Standort am berüchtigten Frankfurter Ring losgeht und sich mittlerweile fast zu jeder Tageszeit im gesamten Münchner Stadtbereich schwierig gestaltet, wenn man echte Fahrpraxis sammeln will. Eine Fahrstunde im Stau hat man da schnell verbracht, ohne wirklich etwas zu lernen, argumentiert auch Patricia Gottmeier, die als Pädagogin die didaktischen Vorteile des Trainings am Simulator betont.
Denn der Austausch zwischen Fahrlehrer und Fahrschülern ist noch immer wichtig: Einfach in die Ecke setzen und sich selbst überlassen, das ist nicht die Strategie der Gottmeiers. Direktes und rasches Feedback ist die Maxime. Nur mit der menschlichen Komponente lassen sich die Potenziale der Maschine voll erschließen, sind die Gottmeiers sicher. Abgesehen von der Motivation, die über menschliche Interaktion immer größer ist, als alleine seine Übungen abzuarbeiten.
Mensch und Maschine in Interaktion
Die Mensch-Maschine-Maxime verfolgen die Parego-Macher auch in den Gruppenschulungen in den größeren Schulungsräumen verfolgen, wo Situationen noch einmal im aufgezeichneten Video analysiert und in der Gruppe besprochen werden können. Sowieso erhält jeder Fahrschüler und Fahrschülerin über jede Einheit einen detaillierten digitalen Bewertungsbericht mit zahlreichen Statistiken und Grafiken.
Apropos Gruppe: Bald will eine komplette Einheit der Freiwilligen Feuerwehr aus der Dachauer Region anrücken zur Blaulichtschulung, dann inklusive rechtlicher Aspekte der Einsätze, für die die Gottmeiers einen Verkehrsrechts-Anwalt mit ins Boot holen. Gottmeiers Ziel: Eine Zertifizierung der Blaulichtlehrgänge durch den Deutschen Verkehrssicherheitsrat.
Aus Zustellern werden Lkw-Fahrer
Und vor kurzem war eine ganze Truppe der Deutschen Post DHL da, um sich bei Gottmeier zu bedanken: Mit Hilfe der Simulatorschulung waren aus Zustellern Lkw-Fahrer geworden. „Das tut dann schon wahnsinnig gut, wenn man so ein Feedback bekommt“, gesteht der leidenschaftliche Fahrlehrer, der auch schon mit der Münchner MVG in Kontakt steht. Ein weiteres Standbein ist übrigens auch das Fahrtraining Berufskraftfahrer BKF im Rahmen der EU-Regularien, bei der ein Teil der beschleunigten Grundqualifikation und der sogenannten fünf Module virtuell absolviert werden kann.
Ohnehin lässt sich die Ausbildung im allseits grassierenden Fahrermangel mit der Simulatorschule beschleunigen. Oder kanalisieren: Denn Parego kann dank der Simulatortrainings und der langjährigen Berufserfahrung als Fahrlehrer kann Gottmeier auch eine Kompetenzfeststellung vornehmen, sodass Unternehmen Fehlinvestitionen in möglicherweise ungeeignetes Fahrpersonal vermeiden können.
Transportabel: Der Simulator on tour
Der Clou an der Sache: Die Simulatoren lassen sich zügig zerlegen und in handliche Konzertkoffer verstauen, sodass die Fahrschule auch direkt in die Unternehmen oder auf Messen kommen kann. Die Sitzkonsolen oder „Motion Bases“ werden dafür in große Holzkisten verstaut. Eigens hat Gottmeier dafür einen Pkw-Anhänger, in den das alles passt – und tingelt dann mit seiner virtuellen Fahrschule inklusive Instruktor durch die Lande. Parego-Parole: „Rent a Sim!“.
Gottmeier sieht sich mit seinem „Start-up“ voll im Trend: Denn ab 2025 soll die Fahrausbildung nach Plänen des Verkehrsministeriums komplett neu geordnet und Simulator-Anteile deutlich höher gewichtet werden. Besonders im Hinblick auf den Mangel an Berufskraftfahrern bei Bus und Lkw könnten mehr Simulatoranteile die Ausbildungszeit verkürzen, die Kosten senken und so die Quote erhöhen, so die Hoffnung. Und Teile des Führerscheins wie der Zusatz B197 für die erst recht mit der Elektrifizierung der Antriebe aus der Mode kommenden Schaltfahrzeuge lassen sich dann komplett im Simulator absolvieren, wie heute auch schon Teile der Staplerausbildung.
Kein Ersatz, sondern Ergänzung
Der Fahrlehrer betont am Schluss: Das virtuelle Training kann und soll die Echtschulung nicht ersetzen. Aber eine wichtige Ergänzung könne die Technologie eben doch liefern. Und wenn das am Ende der Umwelt, der Verkehrssicherheit, der Fahrpraxis und den Finanzen (bei Fahrschule und Fahrschüler) dient, dann sei das doch eine Win-Win-Win-Win-Situation. Man merkt schon, die Gottmeiers haben noch viel vor im virtuellen Lehrraum. In dem sich der Gründer selbst gelegentlich zur Entspannung zurückzieht, wie Patricia Gottmeier lachend erzählt, wenn sie abends ihren Mann sucht und schließlich hinten im Bagger-Simulator findet. Hm, wie wäre es mal mit Simulator-Yoga? Oder als Geburtstagsgoodie für gestresste Familienväter/mütter? Der Möglichkeiten sind da viele.
Ach so, neben White-Board- und Post-it-Kalender entdeckt man übrigens noch zwei weitere analoge Pretiosen bei Parego: Ein noch aus der DDR stammendes Funktionsmodell eines Nutzfahrzeugantriebs (bitte nicht berühren!), der schon manchem Fahrschüler einen „Aha-Moment“ bescherte. Und natürlich die mit bunten Druckluftkesseln gespickte Tafel mit dem Bremskreisen für die Lkw-Schulung. Manchmal muss es eben analog sein.
Gabelstapler , Newsletter Lagerlogistik/Intralogistik , Lagertechnik , Lager und Hallen bzw. Ausstattung , Citylogistik , Ladungssicherung , Antriebsarten, Kraftstoffe und Emissionen , Kommissionierung , Lieferwagen und Transporter , Paletten , Versand, Umschlag und Lieferung , Fuhrpark- und Flottenmanagement , LogiMAT , E-Commerce , Lkw , KEP-Dienste , Automatisierung , Logistik- bzw. Transport-Dienstleistungen , Lastenräder (Cargobikes, Radkutschen etc.) , Intralogistik - Lagerlogistik , Industrie 4.0 , Anhänger und Aufbauten , Elektromobilität , Flurförderzeuge (Sonst.)