Quantron: Doppelt nachhaltig mit Retrofit

Das Augsburger Unternehmen glaubt fest an das Potenzial der Umrüstung von Nutzfahrzeugen. Jetzt will man mit eigener Fertigung und Serienretrofits durchstarten. Wir waren vor Ort und fuhren den "verstromten" Elektro-Daily.

Back in black: Mit schwarzem Schriftzug und blauen Zierelementen wandelt sich der Iveco Daily Diesel zum Quantron Daily Electric. | Foto: S. Yilmaz
Back in black: Mit schwarzem Schriftzug und blauen Zierelementen wandelt sich der Iveco Daily Diesel zum Quantron Daily Electric. | Foto: S. Yilmaz
Johannes Reichel

Es ist die Beton gewordene Überzeugung: Im Augsburg-Gersthofener Industriegebiet in Blickweite der A8 und Schlagweite der großen Logistiker wie Andreas Schmid oder DHL wächst ein gewaltiger Betonblock heran, der einmal die erste Fertigung der Quantron AG beherbergen soll. Umrüstung von leichten und schweren Nutzfahrzeugen auf Elektro und Hybrid, das hat sich der Iveco-Vertragshändler auf die Fahnen geschrieben auf der Suche nach neuen Geschäft- und Betätigungsfeldern, wenn vielleicht dereinst das klassische Werkstattgeschäft zurückgeht.

Es ist also ein mittel- und langfristig angelegter Meta-Plan, der hier Stockwerk um Stockwerk aus dem bayrisch-schwäbischen Grund wächst. Und wie überzeugt sie sind, bei der Haller-Ausgründung Quantron, das manifestiert sich eben auch in dem Gebäude. Schon im Mai will man hier die ersten Fahrzeuge mit einem "Retrofit" versehen, Umrüstbausätze, die man von bekannten Anbietern wie Emoss, E-Force oder Elinta bezieht und bei Quantron montiert.

Wobei sich die Zusammenarbeit mit den Umrüstfirmen bis weit nach vorne in die Entwicklung erstreckt, wie uns Quantron-Entwickler Heinrich Miller bei unserer exklusiven Visite im bisherigen Haller-Standort Ulm-Donautal versichert. Hier werden gerade die mit ersten Fahrzeuge vom Typ Iveco Daily 7,2,-Tonner-Fahrgestell mit Kofferaufbau umgerüstet mit dem Elinta-Elektro sowie dem Hybrid-Bausatz.

Komplette Fahrzeugaufbereitung inklusive

Und darüber hinaus so aufbereitet, dass der Werkstattmeister Christian Zohner im Brustton der Überzeugung von "so gut wie neu" spricht. Sprich: Neue Lackierung, technische Überarbeitung und Modifizierung, anliegende Reparaturen werden erledigt, auch der Kofferaufbau entfernt, gegebenenfalls repariert und neu lackiert - und zu guter letzt der "Quantron"-Schriftzug auf der Haube platziert. In diesem Fall von noch relativ frischen Fahrzeugen mit etwa 60.000 km Laufleistung auf dem Tacho eine ziemlich schlichte Angelegenheit. Sogar die neue Fahrzeugfront nach dem Facelift, ein Wunsch des Kunden, habe man dem Fahrzeug angedeihen lassen, meint Zohner.
 

Wert-Stoffe: Konsequente Verwertung der Altteile

Die alte 3,0-Liter-Maschine aus dem Motorraum entfernt, der darauf hin ziemlich leer geräumt ist. Fast wäre Platz für zusätzlichen Stauraum. Alle Teile, darauf legt man Wert bei Quantron, gehen übrigens zum Hersteller oder Drittanbieter zurück, wo man sie verwertet und ins Ersatzteilgeschäft einspeist. Der Elektro-Daily erhält eine 115 kWh große Lithium-Ionen-Batterie, die sich bis unter die Vorderachse erstreckt und den veränderten Schwerpunkt teils ausgleicht. Die Kardanwelle wird verkürzt, der Antrieb auf die zwillingsbereifte Hinterachse aber beibehalten. Deren Weg bis zu dem achsnah verbauten, getriebelosen 190 kW starken Elektro-Motor (350 kW Systemleistung, 1.250 Nm Drehmoment) des 2014 gestarteten litauischen Spezialisten Elinta ist ja nicht allzu weit. Der ein wenig an eine Waschtrommel erinnernde Antrieb ist etwa mittig am Fahrzeug platziert.

Ein Inverter sowie eine eigene Wasserkühlung und ein AC-Bordlader (später auch DC) ergänzen das System. Etwa 300 bis 400 Kilo Mehrgewicht liegen nach dem Umbau an, wie Zohner erläutert, trotz der netto 700 Kilogramm schweren Batterie und dem etwa 130 Kilo schweren Motor. Aus seiner Sicht nichts, was das Leiterrahmenchassis des wie ein Lkw konzipierten schweren Transporters an die Grenzen brächte. Die Achslastreserven sind längst nicht ausgereizt, meint Zohner.

Erster Fahreindruck: Eine ausgereifte Sache

So verändert sich auch das Fahrverhalten gar nicht mal so stark, wie wir bei einer ersten exklusiven Proberunde "erfahren" konnten. Der 7"-Touchscreen in der Mittelkonsole wird ersetzt durch ein Elinta-Gerät, das über den Akkustand, den Leistungsoutput und die Reichweite informiert. Den Schaltknauf der einstigen 8-Gang-Wandlerautomatik nutzt man weiter, um die Fahrstufe einzulegen oder auf Parkposition zu stellen. Um den Motor zu starten, dreht man immer noch am Zündschlüsse, es zündet nur nichts mehr. Stattdessen setzt sich der kleine Koffer-Lkw fast lautlos und eher zurückhaltend, aber gut dosierbar in Bewegung. Bis zum Serienstart soll das Ansprechverhalten noch etwas spontaner werden.

Ordentlicher Vortrieb, hoher Komfort, leichtes Handling

Nichtsdestotrotz zieht die E-Maschine die leer etwa dreieinhalb Tonnen schwere Fuhre munter nach vorn und man beschleunigt wie üblich bei Elektrofahrzeugen wie am Schnürchen. Die Elinta-Maschine befleißigt sich zudem guter akustischer Manieren, das oft bei Umrüst-Sätzen lautere E-Motor-Heulen fehlt hier fast komplett. So kommt man komfortabel und flott voran, dem Vernehmen nach mindestens "echte" 200 km beim Elektro- und 80 km beim PHEV - und vermisst das überaus "robuste" Laufgeräusch des einstigen Hauptantriebs in Gestalt des 3,0-Liter-Diesel überhaupt nicht. Die Lenkung ist zudem leichtgängig, wenngleich nicht sonderlich präzise und das Handling einem Transporter diesen Kalibers angemessen. Insgesamt hinterlässt der Umbausatz also einen ausgereiften und serienreifen Eindruck. Vielleicht auch mit ein Grund, weswegen Quantron so in die Vollen geht und eine regelrechte Fertigung aufzieht.

Kurze Lieferzeiten als Ziel: Plug-and-Play-Lösung

Darüber hinaus ist es Werkstattmeister Zohners Ziel: Ein "Plug-and-Play"-Bausatz, der binnen 48 Stunden in die Fahrzeuge eingebaut ist. Im Falle das Plug-in-Hybrid, der bei den schweren Daily um eine 29-kWh-Batterie hinter der Hinterachse am Überhang und eine Elektro-Maschine ergänzt wird, sogar etwas weniger. Das hat bei den vorliegenden Exemplaren schon mal gut geklappt und soll jetzt weiter perfektioniert werden, bis es mit dem Einzug in die neue Fertigung in Augsburg-Gersthofen quasi in eine Serienumrüstung mündet. Im Verhältnis zu der Zeit, die Kunden aktuell mit dem Warten auf ein Elektrofahrzeug verbringen, ist das natürlich ein Klacks.

Nicht gerade ein Klacks sind freilich die Preise für den Umrüstsatz: 62.000 Euro kostet die 75 kWh-Version, 85.000 Euro die 115-kWh-Variante. Was fehlt für diesen Spezialbereich, ist eine staatliche Förderung, die unlängst der BEM für Retrofit von Nutzfahrzeugen angemahnt hatte und die dringend Not tut.

Vorteil: Den eigenen Spezialaufbau einfach behalten

Außerdem, wie Quantron-Sprecher Serhat Yilmaz wirbt, läge der Vorteil des Retrofit auch darin, dass man sein speziell aufgebautes, oft als Branchenfahrzeug konfiguriertes Modell einfach übernehmen könne. In diesem Geschäft ist der Aufbau oft wichtiger und langlebiger als das Fahrzeug. Auch das könnte das Umrüstgeschäft beflügeln. Davon sind die jedenfalls felsenfest überzeugt bei Quantron - oder besser "betonfest". Die Nachfrage übersteige die aktuellen Kapazitäten bei weitem, meint Serhat Yilmaz. Und freut sich schon auf den "großen Tag" im Mai, wenn sich die lokale und bayerische Politprominenz ein Stelldichein gibt bei der Eröffnung eines "Leuchtturm"-Projekts der E-Mobilität in Bayern, wie Quantron es sieht.