Smart City Logistik Kongress 2024: Wir fahren dann schon mal vor!
Auch wenn die aktuelle Debatte um den Ausstieg vom Verbrennerausstieg es suggerieren mag: Es gibt keine Alternative zur Transformation im Fuhrpark - und wer sie jetzt schon angeht, hat im Zweifel bald einen Wettbewerbsvorteil. "Klar, keiner denkt an Morgen, wenn heute die Kosten nicht passen", meinte Dako-Leiter Innovation und Forschung Harald Hempel zum Auftakt und brachte das Beispiel eines engagierten lokalen Transporteurs an, der unter den derzeitigen Bedingungen hadert mit der Anschaffung eines Elektro-Lkw und den hohen Betriebskosten.
Es sei eine schwierige Phase, konzediert Hempel, bei allem Elektro-Enthusiasmus: Experimente müssten sich irgendwann tragen. Hempel glaubt aber auch, dass sie das durch die richtigen Regulierungen und Rahmensetzungen, die es im übrigen schon im antiken Rom gegeben habe, bald tun. Im Übrigen fehle es aber noch immer an ausreichend Daten zur Stadtlogistik, auf denen man eine seriöse Planung basieren könne, monierte Hempel.
Auf die "forcierende" Wirkung von Regulierungen verwies auch Bruno Lukas, seines Zeichens "Green Logistics Enabler", etwa durch die EU-Flottengrenzwerte für Lkw (bis 2030 90 Prozent CO2-Reduktion), die CO2-basierte Maut oder die CSRD-Vorgaben, die Unternehmen auf den grünen Pfad zwingen würden. Abwarten sei daher keine Option, das Gewerbe sei gefordert.
Auf mittlere Sicht niedrigere Betriebskosten
Mittelfristig ist es keine Frage: Man spart bei Betriebskosten, was man bei der Anschaffung mehr aufwenden muss. Das war der Tenor der versammelten Experten bei der 10. Ausgabe des Smart City Logistik Kongress in Jena, der unter Dako-Flagge wieder über die Bühne ging. Und exemplarisch hielt war auch das Plädoyer von Jens Jerratsch von der TU Berlin, der eine Lanze brach für die Transformation hin zur Elektromobilität in Transport und Logistik.
Auch der Transportsektor müsse seinen Beitrag leisten, es gebe keinen Aufschub mehr. Andreas Schwager von der Deutschen Post DHL Group, der einst in Paris der deutschen Delegation bei den Verhandlungen zum Klimaschutzabkommen beiwohnte, mahnte, die Welt sei auf Kurs Richtung 2,2 Grad Erwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit statt des gerade noch für halbwegs angenehme Lebensbedingungen akzeptable 1,5 Grad. Bei dem Kurs würden unzählige Gebiete auf der Erde unbewohnbar, auch Küstenstädte wie Hamburg oder Bremsen seien dann in Gefahr. Um all das zu verhindern wolle man bis 2030 die komplette Flotte klimaneutral betreiben, aktuell sei man bei 50 Prozent. Und man versuche, auch hier, selbst E-Transporter durch Lastenräder zu substituieren: 200 Vans habe man durch den Cargobike-Einsatz reduziert und fünf Millionen kleinteilige Sendungen auf's Rad verlagert.
Batterieelektrisch, aber mit Akkuwechselsystem
Aus der wissenschaftlichen und kühlen Analyse heraus, hat TU-Wissenschaftler Jerratsch einen klaren Favoriten: Batterieelektrische Antriebe sind einfach unschlagbar effizient vom Wirkungsgrad, deutlich besser als Verbrenner, aber auch Brennstoffzellen-Lkw oder gar HVO-betriebene Trucks - und sie sparen dann eben im Betrieb, was sie beim Kauf mehr Kosten. Er sieht schon heute unter bestimmten Bedingungen Diesel-Parität bei den Kosten. Dann nämlich, wenn man damit genug "Strecke" macht, sprich, der Wagen stetig rollt.
Dass er das tut, dazu will das Projekt eHaul einen Teil beitragen. Mit der Idee der Akku-Wechselsysteme für Lkw fügt man nämlich ein Element hinzu, das bisher in Deutschland und Europa anders als in China völlig unterbelichtet ist: Battery Swap Stationen für Lkw. Im Reich der Mitte, konnte sich Jerratsch selbst überzeugen, sei das längst skaliert und industrialisiert, es gebe bereits über 200 Stationen, an denen E-Trucks in wenigen Minuten die Batterien tauschen könnten. Technologisch sei das also machbar.
China hängt Europa ab, mal wieder
Bei den Pkw ist bisher das China-Start-up Nio dabei, auch bei uns Akkuwechselstationen aufzuziehen, sogenannte Power Swap Stations. Noch plausibler sei die Technologie allerdings für Lkw, wenn der Tausch des Akkus nur fünf bis zehn Minuten dauere, bis die Fahrt fortgesetzt werden kann. Jerratsch verweist auf einen simplen Fakt: Um die aktuelle Flotte an Lkw bis 2030 zu elektrifizieren, bedürfe es 35.000 HPC-Ladepunkten mit mehr als 400 kW Leistung. Aktuell gebe es 50 davon. Beim derzeitigen Zubautempo sei es schlicht illusorisch. Ganz zu schweigen von den gigantischen Investitionen in den Netzausbau, die nötig würden, wolle man gleichzeitig tausende Lkw mit Megawatt-Charging versorgen.
Unternehmer brauchen mehr Flexibilität
Man möge ihn nicht falsch verstehen, der Ausbau der HPC-Infrastruktur sei dringlich und nötig. Aber daneben brauche es weitere Optionen für die Unternehmer. Bei derzeit 500 und angepeilten 600 kWh Kapazität der Palettenkasten-großen Akkus am Rahmen des Lkw sei das Konzept gut einzufügen in die aktuellen Abläufe. Wie auch die Integration von Reinert Logistik als "Echtzeit-Projektpartner" beweist. Eine im Pilotprojekt realisierte automatisierte Wechsel-Station könne bis zu sieben MCS-Lader ersetzen, rechnet Jerratsch vor. Die Kosten für die vorzuhaltenden Akkus seien da gut kalkulierbar und in Relation zu den Netzausbaukosten von MCS-Ladesystemen überschaubar. Zudem benötigten solche Wechselboxen weniger Platz als Ladesäulen, die dann ja auch länger belegt wären.
Jerratsch mahnte, Deutschland habe hier keine Strategie, wohingegen chinesische Anbieter wie CATL bereits Systeme ankündigen würde, die sie auch nach Europa bringen wollen. Im Konsortium eHaul beteiligt ist übrigens auch der Schweizer Elektro-Lkw-Pionier DW, die sich in einer Schlüsselposition und Alleinstellung gegenüber den OEMs wähnen, mit ihrem Wechselakku-tauglichen E-Truck, den man auch vor Ort zeigte.
Vom Lastenrad zum Elektro-Truck: GC forciert die Wende
Bald elektrisch unterwegs sein mit schweren Lkw, das will auch die Sanitär-Heizungs-Klima-Bedarfgruppe (SHK) GC, nachdem man die urbane Baustellenbelieferung schon zusammen mit CityLog auf Lastenräder umgestellt hat: Schneller, pünktlicher, sauberer sei man damit statt der zahlreichen Verteiler-Lkw und Vans unterwegs, so die positive Bilanz, die man sonst auch für den Kleinteiletransport eingesetzt habe. Bei den schweren Lkw laufen derzeit Tests mit Mercedes-Benz eActros 300 in Norwegen, die vielversprechend seien und die man bald als Blaupause auch für Deutschland verwenden wolle. Im Zwischensegment der Transporter gibt es das "perfekte Fahrzeug" noch nicht, wie Sebasian Rzepka von Cordes & Gräfe berichtet. Die Reichweiten seien etwa beim aktuellen eSprinter zu kurz, man bleibe hier aber dran, weil die Klasse tendenziell wichtiger werde: Immer höher getaktete Lieferungen mehrfach am Tag, dann mit eher kleineren Fahrzeugen sei der Trend.
Mikrodepots als Bedingung für Lastenradlogistik
Zentrale Bedingungen dafür, dass man hier auch Lastenräder kombinieren könne, seien innerstädtische Depotflächen, kurz Mikrodepots. Hierhin liefert ein- bis zweimal täglich ein Verteiler-Lkw die Waren aus dem größeren Lager, Feinverteilung dann per Bike. Um an solche Flächen, Mangelware in den Städten, zu kommen, müsse man kreativ sein, wie CityLog-Chef Selim Ben Aissa darlegte.
Wie schwierig es ist, Flächen für innerstädtische Depots bereitzustellen, weiß wiederum Luc Kaiser vom Beratungshaus LNC Logistics Network Consultants. Er zeigte die verschiedenen Möglichkeiten auf, von separaten Mikrodepots, über mobile Lösungen mit Wechselbrücken, die Integration in Neubauprojekte oder Parkhäuser. Und plädierte stark für einen Ausbau von Ladezonen am Straßenrand sowie eine Vereinheitlichung von Ladezonen-Beschilderung, wie vom BIEK vorgeschlagen. Kaiser warb auch für ein Tool zur Potenzialanalyse von möglichen Depots und Lieferflächen, mit denen sich die Rentabilität eines Standorts abschätzen und kalkulieren lasse.
Fraunhofer IML zeigt Potenziale der Nachlogistik auf - wenn sie elektrisch ist
Wie eng Elektrifizierung und die Nutzung der Potenziale von Nachtlogistik zusammenhängen, stellte wiederum Arnd Bernsmann vom Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) dar. In aufwändigen Versuchen in der Praxis erstellte man quasi ein "Lärm-Ranking" mit Schallmessungen zwischen den verschiedenen Antriebsarten, Diesel, Erdgas oder Elektro - und kam zu einem klaren Schluss: Je elektrischer, desto leiser. Allerdings gelte es auch, die dem Entladevorgang zugeordneten Prozesse in den Blick zu nehmen. Auf Basis eines Handbuchs zur geräuscharmen Logistik, einer sensorgestützen Prüfung der realen Prozesse und einem DIN-Arbeitskreis sei man nun in der Lage, ein fundiertes Tool für die Möglichkeit von Nachlogistik bereitzustellen, so Bernsmann. Vorgestellt werden soll das Instrument am 25. September.
Wasserstoff Marsch! Weimar steuert komplett um
Dass es auch heute schon klappen kann mit der Umstellung auf eine wasserstoffbasierte Flotte, dafür trat die Stadtwirtschaft Weimar den Beweis in ihrem Busfuhrpark an. Silvio Brückner skizzierte anschaulich, wie unter der Zielvorgabe, die Umläufe der Busse nicht ändern zu müssen, eine Umstellung auf H2 gelingen kann. 350 Kilometer ohne Nachtanken sollten möglich sein - und sind es auch, in der Praxis schaffen die Solaris Urbino 12 Modelle eher 500 Kilometer. Statt 100 Kilo H2 täglich, benötige man für die Flotte nur 70 Kilogramm. Schnell war allerdings klar, dass man eine eigene Tankinfrastruktur bräuchte, die man wie die Busse mit viel Förderung und entsprechender Begleitbürokratie aufbaute.
Mit eigener H2-Tankstelle versorgt
Der Partner Maximator errichtete die Anlage, die seither störungsfrei läuft und nahtlos beliefert wird. Ebenso musst man die Werkstatt aufwändig auf die speziellen H2- und Hochvolt-Anforderungen aufrüsten. Die Umstellung beschrieb Brückner noch immer als Pionierleistung, vieles sei unklar in der Verwaltung und bei Vorschriften, etwa so wie bei der Batterieelektrik vor zehn Jahren, meint er. Immerhin: Man sparte 115 Tonnen CO2 ein, die H2-Busse glänzen mit hoher Verfügbarkeit und die Busfahrer sind, beileibe keine Selbstverständlichkeit, begeistert vom Handling und Performance. Bis 2036 soll jetzt die komplette Flotte auf H2 umgestellt sein, sofern nichts unvorhergesehnes passiert, meint Brückner süffisant.
Zeit zu investieren: TYN-e will rentablen E-Van realisieren
Zum Investieren und mutigen Machen forderte auch Markus Graf auf, der als Geschäftsführer gerade die Transformation eines Verlags- und Druckhauses zum Leichelektro-Van-Anbieter TYN-e vorantreibt. Er will es mit Hilfe chinesischer Partner und Herstellung schaffen, einen E-Transporter anzubieten, der sich von Anfang an gegenüber dem Diesel rechnet, inklusive Service und Vertriebsnetz. Es sei eine schlichte Notwendigkeit des Wandels, auch in der Verlagsbranche, es breche schlicht die bisherige Geschäftsgrundlage weg. Andererseits habe man über Jahrzehnte gut verdient. Nun sei es an der Zeit, ins unternehmerische Risiko zu gehen.
Lokale Wertschöpfung der Transformation schaffen
Die Energie- und Mobilitätswende sei alternativlos, befand denn auch der Thüringens Umweltminister Bernhard Stengele, der dabei batterieelektrischen Antrieben die größten Chancen einräumte. Elektro sei unschlagbar effizient, meinte er. Und die Akkutechnologie mache derzeit riesige Fortschritte. Aus seiner Sicht gelte es, die lokale Wertschöpfung der Transformation in den Sektoren zu stärken, dann steige auch die Akzeptanz, wie er am Beispiel der Windkraft und dem jüngst beschlossenen Windkraftbeteiligungsgesetz darlegte. Zu oft entstehe bei Transformationstechnologie die Wertschöpfung anderswo, im Gegensatz zum früheren Bergbau, der trotz der negativen Begleiterscheinungen für Umwelt und Gesundheit hohe Akzeptanz besaß und besitzt.
Die Stadt als Möglichkeitsraum für die Erprobung neuer Techologien zu begreifen, dafür warb schließlich auch der Jenaer Oberbürgermeister Thomas Nitzsche. Er will auch mit Telematik und dank eines 5G-Netzes beweisen, dass man mit Vernetzung, Daten und intelligenter Ampelsteuerung den Stadtverkehr besser machen kann. Und das lokale Netzwerk gleich mit.
Alle Instrumente vorhanden für nachhaltige Logistik
Dass die Lösungen fahrzeugseitig mittlerweile vorhanden und auch serien- und praxisreif sind, stellte Benjamin Schiebler von der Volvo Group Trucks Europe dar. E-Trucks in der Praxis setzt auch der Textildienstleister Mewa ein, allerdings einen BAX mit Spezialaufbau sowie 2021 bereits einen Hyundai Xcient Fuel Cell-Lkw. Jüngst sorgte man auch mit der Installation erster Ladeinfrastruktur zusammen mit Mer Germany vor. Kombiniert werden innerstädtisch auch E-Cargobikes von ONOMOTION, ein Projekt, das in Hamburg und Berlin begann und auf weitere Großstädte ausgedehnt wurde, in interessanter Kooperation mit APCOA Parking und einem Parkhaus als Mikrodepot alias "Urban Hub", wie Benjamin Federmann von Mewa darlegte. Auch Finessen der Technik gab es zu erkunden, wie etwa: Solarmodule für Fahrzeuge von der Opes Solar Mobility, Innovationen bei den Akkus, die Matthias Zentgraf von CATL Amperex präsentierte oder ein weiteres, automatisiertes Akkuwechselkonzept BattSwap für E-Vans, das beim Lebensmittellieferdienst Knuspr zum Einsatz kommt und vom Start-up-Unternehmer und TUM-Absolventen Radek Janku vorgestellt wurde.
So klein und doch schon lieferfähig sind die Innvelo Lastenroller, die Jens Heinrich vom ICM Chemnitz vorstellte und die sich mit Box, Getränkekistenhalter oder Postbox bestücken lassen, bei strammer Zuladung von 150 Kilogramm mit 35 Kilo Eigengewicht. Visionär wurde es mit Whizzy, einem Lieferroboter zur Förderung der Smart City Logistik, den Prof. Dr. Pu Li präsentierte. Und was schließlich bessere Tourenplanung und Schwarmintelligenz zu effizienterer Stadtlogistik beitragen kann, stellte Prof. Dr. Nils Boxen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena dar. Den ganz großen Bogen spannte dann Markus Olligschläger vom Bundesverband für Eigenlogistik & Verlader (BWVL) in einer Keynote.
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